Predigtslam Abschiedsgottesdienst 2024

 

Liebe Gemeinde,

ein letztes Mal darf ich heute bei euch auf der Kanzel stehen. Vielleicht erinnern sich einige von euch noch daran, dass ich vor etwas mehr als zwei Jahren bei meinem Einführungsgottesdienst eine Predigt in Form eines Predigtslams gehalten habe. Zu meinem heutigen Abschied habe ich euch erneut einen Predigtslam mitgebracht. Für alle, die noch nicht wissen, was das ist: Bei einem Predigtslam wird Predigt zu Poesie, zum Beispiel durch Reime und andere stilistische Mittel, die man sonst von Gedichten kennt.

Ich habe lange darüber nachgedacht, worüber ich heute sprechen möchte. Letztendlich ist ein sehr persönlicher Text entstanden, geprägt von meiner Zeit bei euch in der Gemeinde, weshalb jeder und jede von euch die Inspiration für die heutige Predigt war.

Herzensblick

Liebe Gemeinde,

im 1. Samuelbuch (16,7) heißt es:

„Der Mensch sieht, was vor Augen ist;
der Herr aber sieht das Herz an.“

Wie oft verlieren wir uns im Schein,
bewundern Äußeres, glatt und fein.
Lassen uns von dem leiten, was das Auge misst,
und vergessen dabei, was wirklich wichtig ist.

Schönheit – Wir Menschen denken an das Offensichtliche.
Das Erste, was wir sehen, ist die stylische Frisur, die schöne Figur, die schlanke Statur.
Das Erste, was wir denken, wenn wir sehen, ohne wirklich zu verstehen:
„Wow, sieht die Person gut aus“.

Wir sehen nur das Cover,
das hübsch verpackte Buch,
wir sehen das Auto, das Haus, den Beruf.
Das Erste, was wir denken, wenn wir sehen, ohne wirklich zu verstehen:
„Die Person muss erfolgreich sein“.
Aber wer hat schon die Seiten gelesen?
Wer kennt die Geschichte hinter diesem Gesicht?

So oft verlieren wir uns in dem, was uns die Augen zeigen,
denn „der Mensch sieht, was vor Augen ist“, das ist oft leer,
doch Gott sieht das Herz – und dort ist viel mehr.
Er sieht tiefer, in das wahre Licht,
erkennt die Schönheit, die von innen spricht.

„Der Mensch sieht, was vor Augen ist;
der Herr aber sieht das Herz an.“

Wie oft haben wir uns getäuscht?
Uns beeindrucken lassen von lautem Reden, von schönen Phrasen,
und dabei übersehen, dass wahre Schönheit im Stillen verläuft,
wie ein verborgenes Licht, das in der Dunkelheit strahlt und nie erlischt.

Und Gott? Er schaut tiefer, er sieht den Kern,
nicht die Fassade, nicht den Schein von fern.
Er sieht das Herz, das kämpft und liebt,
das hofft und weint, wenn keiner es sieht.
Er sieht die Schönheit, die aus dem Inneren fließt,
in jedem Moment, in dem du Liebe vergießt.

Denn wahre Schönheit kommt von innen, nicht vom äußeren Glanz,
sie zeigt sich in der Liebe, die tief im Herzen tanzt.
Nicht das Vergängliche, nicht das, was schnell verfliegt,
sondern das Ewige, die Liebe, die in jedem Herz wie eine Flamme wiegt.

Schönheit – sie wohnt da, wo das Herz pocht,
wo Liebe sprießt, und Mitgefühl kocht.
Sie ist nicht in den Augen der Welt zu finden,
sondern in den leisen Momenten, die Herzen verbinden.

Also lasst uns tiefer sehen,
nicht nur auf Äußeres achten und daran vergehen.
Denn der wahre Schatz liegt nicht im Schein,
er ist tief drinnen – klar und rein.

„Der Mensch sieht, was vor Augen ist;
der Herr aber sieht das Herz an“

Denn Gott – Er sieht den Schatz, der in jedem von uns schlummert,
die Liebe, die niemals verstummt,
die leise und ewig, tief in uns brennt,
die wahre Schönheit, die Gott selbst uns schenkt.

Hier habe ich Menschen erlebt, deren Schönheit von innen scheint,
wo Liebe und Glaube sich leise vereint.

Es ist die Herzlichkeit, die mich berührt hat,
die Stärke, die auch in Schwächen versteckt lag.
Es ist die Freundlichkeit, die niemand erwartet,
doch hier wird sie tagtäglich neu entfaltet.

Ich sehe sie in den Menschen, die mir begegnet sind,
in den Gesprächen, in denen wir Gemeinschaft finden.
Ich habe hier Menschen getroffen, die mich gelehrt,
dass wahre Größe oft im Kleinen währt.

Da ist die, die selbstlos in der Küche steht,
mit einem Lächeln, das wie Wärme über uns weht.
Keiner merkt, wie viel sie Tag für Tag gibt,
doch wird sie von jedem hier geliebt.

Da ist der mit einem Witz auf den Lippen,
der den Raum erfüllt mit Freude, wo Schatten schritten,
der uns zum Lachen bringt, selbst an dunklen Tagen,
mit Hoffnungen, die uns immer weitertragen.

Da sind die mit großen Visionen im Herzen,
die uns zeigen, wie Träume wachsen aus Schmerzen.
Und die, die still im Hintergrund bleiben,
deren Hände schaffen, auch ohne sich oft zu zeigen.

Da ist der, der mit Musik den Raum erfüllt,
dessen Stimme unsere Herzen stillt.
Jede Melodie, jeder sanfte Klang,
bringt uns näher, wo Glaube begann.
Mit jeder Note, die er uns schenkt,
ist es, als ob der Himmel an uns denkt.

Da ist der, der stets den Überblick behält,
wenn alles durcheinanderfällt.
Mit ruhiger Hand, mit klarem Blick,
lenkt er uns sicher durch jedes Missgeschick.
Wenn der Trubel tobt und Chaos droht,
ist er der Anker, der uns aus der Tiefe holt.

Da sind die, die immer die richtigen Worte finden,
die uns trösten, wenn die Kräfte schwinden.
Mit einem Satz, der das Herz berührt,
der uns aufrichtet, wenn Hoffnung schwindet und nicht führt.

Da sind die Jungen, voll Energie und Mut,
die neugierig fragen, die sprühen vor Tatendrang und Glut.
Im Aufbruch, auf der Suche nach Sinn,
zwischen Träumen und Zweifeln, stets mittendrin.

Da sind die Alten, weise und heiter,
mit Geschichten und Erfahrungen tragen sie uns weiter.
Ihre Worte sind wie Schätze, bedeutsam und tief,
ihre Weisheit lehrt uns, was wirklich bleibt und nie verfliegt.

Hier, in dieser Gemeinde, habe ich gelernt,
dass Schönheit sich zeigt, wenn man sich öffnet, wenn man sich nicht entfernt.
Es ist der Zusammenhalt, die Offenheit und das Vertrauen,
die tiefe Wurzeln schlagen und einen Ort voller Liebe bauen.

Das Erste, was wir denken, wenn wir wirklich verstehen,
„Hier ist mehr, als das Offensichtliche zu sehen.“
Wir erkennen die Poesie in den leisen Gesten,
in Umarmungen, die Trost spenden,
in Worten, die uns sanft verbinden.
So entfaltet sich das wahre Wesen,
wenn wir die Schönheit im Inneren lesen.
So wird der tiefste Kern sanft erweckt,
wenn man mehr als nur oberflächliche Schönheit entdeckt.

Liebe Gemeinde,

lasst uns wie Gott mit Herzensblicken sehen,
die wahre Schönheit hinter dem Schein verstehen.
Denn am Ende zeigt uns jene Schrift,
dass wahre Schönheit nicht vom Äußeren spricht.
Gott sieht das Herz – und das ist der Kern,
der uns verbindet, mit ihm, und miteinander nah und fern.

Amen.

Ayleen Werner