Predig am 24. Dezember 2024 in der Erlöserkirche
PREDIGTTEXT – JESAJA 9,1-6: „Das Volk, das in der Finsternis geht, hat ein großes Licht gesehen, die im Land tiefsten Dunkels leben, über ihnen ist ein Licht aufgestrahlt. Du hast die Nation zahlreich werden lassen, hast die Freude für sie groß gemacht. Sie haben sich vor dir gefreut, wie man sich freut in der Erntezeit, wie man jubelt, wenn man Beute verteilt. Denn das Joch, das auf ihnen lastet, und den Stab auf ihrer Schulter, den Stock dessen, der sie treibt, hast du zerschmettert wie am Tag Midians. Denn jeder Stiefel, der dröhnend aufstampft, und der Mantel, der im Blut geschleift ist, der wird brennen, wird ein Fraß des Feuers sein. Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und auf seine Schulter ist die Herrschaft gekommen. Und er hat ihm seinen Namen gegeben: Wunderbarer Ratgeber, Heldengott, Vater für alle Zeit, Friedensfürst. Die Herrschaft wird grösser und grösser, und der Friede ist grenzenlos auf dem Thron Davids und in seinem Königreich; er gründet es fest und stützt es durch Recht und durch Gerechtigkeit, von nun an für immer. Dies vollbringt der Eifer des Herrn der Heerscharen.“
PREDIGT Liebe Gemeinde, der Text den wir gerade gehört haben, der erzählt eine ein bisschen andere Weihnachtsgeschichte. Er hat nichts mit Hirten und Engeln, mit Stall und Krippe, Maria und Josef zu tun – auch das Jesuskind kommt nicht direkt darin vor. Es ist keine Geschichte, kein Bericht, von der Geburt damals in Betlehem. Aber es werden drei Dinge behandelt, die weihnachtlicher nicht sein könnten – die ganz eng mit dem zu tun haben, was wir heute und morgen feiern. 1. Das Kommen des Lichtes Im Finstern wandeln – kennen Sie das? Kennt ihr das? In der Finsternis, im Dunkeln herumirren, den Weg nicht kennen, die richtige Richtung nicht wissen. Wer sich einmal in einem Wald in der Nacht ein bisschen verlaufen hat, der kennt das ganz praktisch, dieses „Wandeln in der Finsternis“. Wer im Leben die Richtung, den Wegweiser nicht parat gehabt hat, das Ziel aus den Augen verloren, sich verirrt in den dunkeln Seitengassen unseres Seins, der kennt das im übertragenen Sinn. Manchmal da leben auch wir in einem „Land tiefsten Dunkels“ – und da meine ich nicht die politische Lage, sondern unsere persönliche Situation. Wenn es tiefschwarz wird um uns, wenn sich alles finster anfühlt, unerfreulich, ausweglos, ohne Sinn. Auch Völker wandeln in einer solchen Finsternis – bewusst oder (häufiger) unbewusst. Wenn sie sich entfernen vom Guten, vom Schönen, hinwenden zum Schlechten – oder wenn das Dunkle über sie kommt. Im Krieg, in Not, in Hunger oder Naturkatastrophen. Und wir alle wandeln manchmal im Finstern, weil uns das Licht, das den Weg weist, nicht scheint – beziehungsweise wir es nicht sehen können, nicht sehen wollen. Dieses Licht, das beschreibt der Prophet Jesaja als in die Welt gekommen. Es scheint dem wandernden Volk. Es scheint auch uns, es scheint auch dir – in aller Finsternis, die wir verspüren, in aller Dunkelheit, in der wir unterwegs sind. Über dir, über uns, über allem Volk ist ein Licht aufgestrahlt – das Licht der Weihnacht, könnten wir sagen. Als Mutmacher, als Wegweiser, als Hoffnungszeichen. 2. Das Kommen der Freude Wo dieses Licht wahrgenommen wird, da kann es nur eine Reaktion geben, nur eine Antwort, die passend ist – jubelnde Freude. Der Prophet schildert diese Freude in etwas eigenwilligen Bildern, vergleicht sie mit der Freude über Beute, die gemacht worden ist. Beute machen wir alle eher nicht mehr – aber der Vergleich mit der Erntezeit, der ist doch verständlich. Die Freude, die Erleichterung, wenn das Grundlegende für das Leben gesichert ist – die spricht aus diesen Begriffen, aus diesen Versen. Die Freude über etwas, das erreicht wurde, das zugefallen ist. Diese Freude kennen wir wohl alle – wenn etwas gelingt, wenn wir etwas haben, das wir wollten. Und viel mehr noch als das: Die Freude über das zerbrochene Joch. Das heißt: Die Freude über die Freiheit. Über das Ende von unterdrückender Macht. Wie groß solche Freude auch heute noch sein kann, das haben wir alle gesehen, als vor wenigen Tagen das Ende der Assad-Diktatur in Syrien bejubelt wurde – auch bei uns in Wien. Solche Befreiung von Unterdrückung, von Joch und Stab, das kann natürlich politisch verstanden werden. Aber es kann auch das Ende von unfreien Bindungen sein. Von Abhängigkeiten, die uns unfrei machen, von Situationen, die uns einschränken. Von Vorstellungen, die uns im Leben behindern. Wenn solches endet, ist das immer ein Grund zum Jubeln. Und zudem: Die Freude über den Frieden. Das glaube ich, erklärt sich eigentlich beinahe von selber. Friede, das Ende von Gewalt und Krieg, das Ende von dröhnenden Stiefeln und blutigen Mänteln – das ist Wunsch in so vielen Ländern der Welt. Die Finsternis des Unfriedens regiert an so vielen Orten, da ist die Aussicht auf ein Ende dieser Dinge doch ein Grund für Jubel und Freude. Auch wenn das momentan nicht so aussieht, als ob der große Friede auf Erden bald anbrechen würde. Grund zum Jubel: Über Sicherheit, über Freiheit, über Friede. Und was ist für euch Grund zum Jubel? Was ist für dich Grund für Freude? Worüber freust du dich heute, an diesem Weihnachtsabend. Worauf freust du dich? Wofür sind wir Gott dem Herren dankbar, welche Freude hat er uns geschenkt, im vergangenen Jahr, in den vergangenen Monaten, in diesem Advent? Freuen wir uns mehr, jubeln wir mehr über das, was wir haben. Hier in unserem Land, aber auch ganz persönlich. Seien wir dankbar und freudig über die Grundlagen unseres Lebens, die Freiheit, den Frieden, den wir haben. 3. Das Kommen eines Kindes Der tiefer Grund für all diese Freude ist aber noch ein anderer: „Denn ein Kind ist uns geboren“ heißt es, „ein Sohn ist uns gegeben“. Freilich, man kann das auch anders verstehen, als auf Jesus bezogen. Aber wir als Christen lesen diese Prophezeiungen auf ihn hin – auf den Gottessohn in der Krippe. Er ist in die Welt gekommen. Für alles Volk, für Gottes Schöpfung, für das Volk Gottes. Das ist schließlich eine Zusage an ein Volk. Dieser Sohn ist für euch gegeben. Aber Jesus ist auch für dich in die Welt gekommen. Als dein Heiland, als dein Erlöser. Das Kommen Jesu in die Welt, seine Geburt dort in der Krippe – das ist für uns, das ist für dich geschehen. Als Grund der Freude, als Ursache des Glücks, aber mehr noch – Gott kommt in die Welt, in Gestalt eines Kindes. Um uns nahe zu sein. Um dir nahe zu sein. Das bedenken wir zur Weihnachten. Daran lassen wir uns erinnern. Dass dieses Wunder geschehen ist. Damals in Betlehem. Und immer wieder, auch heute, wenn wir es zulassen, dass wir Gott in unser Leben lassen. Dass wir Jesus zu uns lassen – in unser Leben, in unsere Herzen. Gott kommt in die Welt, um zu dir zu kommen. Und er kommt in die Welt, um die Welt zu verändern. Der Sohn kommt nicht einfach so, sondern er kommt mit vielen Namen und Titeln: Als Heldengott, als Vater für alle Zeit, als Wunderbarer Ratgeber, als Friedefürst. All das kann Jesus für uns sein. Mit diesem Anspruch kommt er in die Welt, das macht uns Jesaja deutlich. Nicht einfach nur als armes, liebliches Kindlein in einem Stall. Nicht um Mitleid oder Rührung zu erwecken. Sondern eben auch als Heldengott oder Friedensfürst. Um zu herrschen, zu regieren, den Thron Davids zu besetzen, um Frieden herbeizuführen. All das steht in Teilen noch aus, ist noch nicht geschehen, noch nicht eingetreten. Der große Frieden Gottes ist noch nicht gekommen. Aber die Tatsache, dass Gott in Jesus in die Welt kam, dass er kam um die Welt zu verändern, dich zu verändern, das ist Grund für Freude und Frieden. Und das fängt bei jedem von uns an. Wir sind aufgerufen uns zu freuen – über die Nähe Gottes, über seine Liebe, seine Vergebung, darüber, dass er Mensch geworden ist. Und wir sollen den Frieden, den er schafft und einmal endgültig schaffen wird, bereits jetzt leben. Im Umgang mit den Nächsten und Übernächsten, in unseren Familien, unserem Umfeld, im Umgang mit und selbst. Freude und Friede – das ist die Botschaft dieser Prophetenworte. Freude und Friede – das ist die Botschaft von Weihnachten. Gebe Gott, dass sie in unseren Herzen Eingang findet. Amen PAK Leopold Potyka |