“alt.arm.weiblich”: Offener Besuchskreis mit Vortrag von Frau Dr. Renate Moser am 10.10.2019
Eine diskutierfreudige Runde folgte der Einladung des Besuchskreises, der für alle Interessierten offen war. Gast war Dr. Renate Moser, Mitbegründerin der seit Januar 2018 bestehenden ökumenischen Plattform “alt.arm.weiblich”.
- ein Rettungsanker für die steigende Anzahl an Betroffenen sein
- die öffentliche und veröffentlichte Aufmerksamkeit erhöhen
- enttabuisieren und eine Stimme für Arme sein
- Forderungen an die Politik stellen
- Kräfte und Erfahrungen bündeln
- Einrichtungen vernetzen
- Bewusstsein für Prävention stärken
- einen niederschwelligen Zugang zu Unterstützung bieten
Die durchschnittliche Alterspension in Österreich ist bei Frauen um 40% niedriger als bei Männern. 16% der älteren Frauen sind armuts- bzw. ausgrenzungsgefährdet. Besonders oft betroffen sind Geschiedene und Frauen, die lange Zeit aufgrund der Kindererziehung und/oder Pflege von Angehörigen nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen konnten. „Bestraft“ werden Frauen, die sich entschieden haben, bei den Kindern zu Hause zu bleiben. Es sollte jeder Frau möglich sein, sich frei zu entscheiden, ob und wie lange sie bei den Kindern zu Hause bleiben will. Haushalt und Kindererziehung sind auch Arbeit, nur nicht bezahlt, leider oft unterschätzt und nicht anerkannt.
Um den Unterschied zwischen Privilegierten und Benachteiligten spürbar zu machen, lud Renate Moser ein, in verschiedene Rollen von Frauen im Pensionsalter zu schlüpfen und eine Reihe von Fragen zu beantworten.
Wie z.B.
„Kannst du es dir leisten, 1x pro Woche auswärts zu essen, ins Kino, in ein Konzert oder Theater zu gehen?“ oder „Ist es dir möglich, im Winter deine Wohnung ausreichend zu heizen?“ oder
„Bringen dich unerwartete Anschaffungen oder größere Reparaturen in Verlegenheit?“
Es ist eine Tatsache, dass es Menschen, welche unter der Armutsschwelle leben, in vielen Bereichen schlechter ergeht als Personen über dieser Grenze. Sie haben häufiger und mehr Schwierigkeiten, finanziell durch den Monat zu kommen. Es fehlen Güter des täglichen Bedarfs, der Gesundheitszustand ist schlechter, größere Anschaffungen sind hoch problematisch usw. Hinzu kommt, dass Armut ein Tabu ist und oft aus Scham geschwiegen und verschleiert wird.
Dann wurden in 4-er Gruppen diverse Situationen aus dem Themenkreis “alt.arm.weiblich” diskutiert und mögliche Unterstützungen und Änderungen überlegt.
Nicht nur jeder einzelne Mensch ist aufgerufen, sein Bewusstsein zu schärfen, sondern es ist eine zutiefst gesellschaftliche und politische Aufgabe genau hinzuschauen, die Not zu erkennen und ernst zu nehmen, und zu handeln, nämlich z.B.
- Kindererziehungszeiten vermehrt anzuerkennen
- Pensionen zu valorisieren
- Pflegegeld anzuheben
- Günstigere Mieten zu gestalten bzw. Mietzinsbeihilfen anzubieten
- Gleichstellung von Frauen und Männern inkl. Angleichung der Gehälter voranzutreiben
Wenig bekannt ist die Möglichkeit des Pensionssplittings.
Pensionssplitting ist eine Wertschätzung für unbezahlte Zeiten der Kinderbetreuung oder auch für pflegende Angehörige und somit jener Zeiten, in denen nichts oder durch Teilzeitarbeit nur wenig auf dem Pensionskonto landet. Durch die Übertragung von Pensionsgutschriften wird die Pension jenes Elternteils, der vorwiegend Lohnarbeit geleistet hat, zu dem Elternteil umgeschichtet, der gratis Familienarbeit geleistet hat.
In einem Bericht der UNO heißt es: „Frauen stellen die Hälfte der Weltbevölkerung dar, verrichten nahezu zwei Drittel der Arbeitsstunden, erhalten ein Zehntel des Welteinkommens und besitzen weniger als ein Hundertstel des Weltvermögens.“ Solange wir es nicht schaffen, dieses Ungleichgewicht auf allen Ebenen zu beseitigen, wird es Frauen geben, die in Armut leben. Armut ist auch stets mit Einsamkeit verknüpft. In so einer Situation hilfreich zu werden, bedarf es vor allem menschlicher Annäherung. Dann erst kann die finanzielle und existenzielle Unterstützung von “alt.arm.weiblich” wirksam werden.
Mit dem nachfolgenden Gebet wurde dieser sehr interessante Nachmittag abgeschlossen:
Hoffnung
Es gibt viele Gründe zum Verzweifeln:
die allgegenwärtige Gewalt in der Sprache
unzählige Polarisierungen in Politik und Gesellschaft
gegen andere, Fremde, Frauen, Alte…
neue Krisenherde in aller Welt
Klimawandel, Flut- und Hungerkatastrophen
Missachtung der Menschenrechte
Unterdrückung und Ausbeutung in unserem Land
Ungerechtigkeiten im Übermaß.
Es gibt viele Gründe zum Hoffen:
heilsame Erfahrungen alltäglichen Glücks
Dankbarkeit für Großes und Kleines
Augen und Ohren für das Wesentliche
kraftvolle und mutige Frauen
begeistert von Gottes Geistkraft
unendlich kreativ und erfinderisch
geheimnisvoll, zärtlich und mächtig
heilend und wirksam für diese Welt.
Ein herzliches Dankeschön an Frau Dr. Renate Moser für ihr Engagement und diesen nicht nur informativen, sondern auch betroffen und nachdenklich machenden Vortrag!
Ursula Kratky
Bilder