Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 14. März 2021
mit Pfrin. Naemi Schmit-Stutz
Präludium: Martin Seidl: Toccata in e von von Johann Pachelbel (1653 – 1706)Eingangslied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 98: Korn, das in die Erde
Grußwort und Begrüßung:Liebe Gottesdienstgemeinde Das Lied von Jürgen Henkys hat uns bereits ins Thema des Gottesdienstes hineingenommen. Wir können es als Auslegung und Variation zu dem Vers betrachten, welcher über den neuen Woche steht und der später auch im Predigttext nochmals eine Rolle spielen wird. In Johannes 12,24 heißt es: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Henkys interpretiert den Vers auf seine Weise. Er tut dies bereits dadurch, dass er eine Melodie mit Refrain oder wie wir auch sagen, Kehrvers wählt. Darin findet sich etwas, was vom Dichter besonders akzentuiert und hervorgehoben werden möchte, da es ja mehrfach wiederkehrt und beim Sänger dadurch eher und schneller hängen bleibt, so dass er es bald auswendig, oder wie die Franzosen sagen: par coeur singen und auf dem Herzen tragen kann. Bei Henkys eine besonders hoffnungsvolle Botschaft, die darauf verweist, dass Liebe sogar dort auswächst, wo alles zu Ende und tot schien. Es ist die Auferstehungshoffnung selbst, die darin zum Tragen kommt. Vielleicht noch etwas früh, denn wir stehen ja noch mitten in der Passionszeit. Und doch, diesen Silberstreifen am Horizont wollen und dürfen wir stehen lassen. Und wir feiern den Gottesdienst im Namen Gottes, des Vaters, der nicht einmal die Welt schuf und dann ihrem Schicksal überließ, sondern je neu Leben hervorruft. Amen. Gebet: Und wir wollen beten und tun dies mit den Worten des Psalms 65. Er wurde von Peter Spangenberg in die Sprache unserer Zeit übertragen. L.: Alles wächst durch deinen Segen Amen. Musikstück:Schriftlesung aus Jesaja 54, 7-10:Wir Menschen erleben immer wieder Zeiten, die uns wie ein Gericht erscheinen. Die uns vorkommen, als ob Gott seinen Zorn über uns ausgießen würde. Zeiten, in denen wir Gott sehr schwer verstehen. Wie gut tut es uns dann, wenn wir von Gott selbst hören, dass er zu uns steht. Dass er da ist. Dass er uns nicht verlassen wird. Einen solchen Trosttext überliefert uns auch der Prophet Jesaja. Wir hören die Verse 7-10 aus dem 54. Kapitel. 7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Glaubensbekenntnis:Und wir wollen auf die Worte Gottes mit dem Bekenntnis unseres Glaubens antworten. Wir tun dies mit Worten der unierten Kirche Kanadas. Wir sind nicht allein. (Eglise unie du Canada) Predigt zu Johannes 12, 24-27:Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Gott segne unser Reden, Hören und Verstehen. Amen. Liebe Gemeinde wer dieser Tage Zeitungen oder Zeitungsbeilagen zur Hand nimmt, ist zum Teil geradezu erstaunt, mit welcher Begeisterung da übers Gärtnern geschrieben wird. Nicht selten zaubern mir die Artikel ob ihres Enthusiasmus ein kleines Lächeln ins Gesicht, wenn da zum Beispiel im Kurier zu lesen ist, Gartenarbeit habe mitnichten mit Arbeit zu tun. Wir könnten auch sagen: es handelt sich um pures, reines, ungetrübtes Vergnügen. Wohl will ich nicht leugnen, dass sich dieser (Pandemie-) Tage Menschen, die einen Balkon oder gar einen Garten ihr eigen nennen, besonders glücklich zu schätzen sind. Auch ich freue mich immer wieder neu über die Möglichkeiten, die uns unser Grundstück bietet und staune darüber, wie vielfältig, schön und farbenfroh schon ein kleines Stück Erde sein kann. Verträumt schaue ich einem Zitronenfalter nach, wenn er über unsern Garten gaukelt und vergesse für einen Moment meine Hacke und die Samen, welche ausgebracht werden wollen, wenn ich die Hummeln in den ersten Frühlingsblumen summen höre und mich über ihr pelziges, rundes Aussehen freue. Und das ist ja bei Weitem nicht alles, worüber wir staunen können. Selbst die Samenkörner faszinieren mich. Manche sind so klein, dass wir sie kaum sehen und mit Sand gemischt ausbringen müssen, damit sie später auch genug Platz zum Keimen haben. Für andere, wie etwa die Kürbiskerne, brauchen wir nicht einmal eine Brille. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt … Wir haben den Vers bereits gehört. Bei der Gartenarbeit drängt es sich uns besonders auf. Den Kontext dazu, den habe ich indes vergessen. Darum lese ich nochmals nach: Erstaunlich, was ich alles vergessen habe. An die Griechen hatte ich überhaupt keine Erinnerung. Was machen die überhaupt da? Warum wird von ihnen erzählt? Auf den ersten Blick wirken sie wie ein Störfaktor in diesem Text. Um gewöhnliche Touristen handelt es sich bei ihnen augenscheinlich nicht. Sie kommen nicht als Beobachter zum Fest. Allein darum, weil hier was los ist. Möglicherweise sind es Proselyten, Menschen, die den jüdischen Glauben angenommen haben oder annehmen wollen. Für viele war das Judentum, gerade auf Grund seines Glaubens an einen Gott attraktiv. Oder stehen sie vielleicht stellvertretend für alle hier, die eben nicht zum Volk Israel gehören, sondern zu den Völkern, den sogenannten Heiden? Das würde ganz gut zum Vers 19 passen, in dem ein Pharisäer stöhnt: gegen diesen Jesus können wir nichts ausrichten. Alle Welt will ihn sehen. Genau dies scheint sich jetzt zu bestätigen. Die Griechen haben von diesem Jesus gehört. Wundersames ist ihnen da zu Ohren gekommen. Den müssen sie unbedingt kennenlernen. Mit rührender Scheu gehen sie das Vorhaben an. Zupfen zunächst einmal einen Jünger am Ärmel. Vielleicht kann der ihnen ja weiterhelfen. Doch der scheint sich ebenfalls unsicher zu sein. Darum wendet er sich an einen Zweiten. Holt in ihm Verstärkung. Erst im Doppelpack wagen sie es, Jesus zu stören. Ihm die Griechen vorzustellen. Seine Reaktion hingegen verwundert uns sehr. Hat er sie überhaupt bemerkt oder redet er mehr mit sich selbst? In Gedanken versunken? Auf das Hinblickend, was kommen wird, kommen muss? Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde … Ob das die Griechen verstehen konnten? Ob es überhaupt jemand, der dabeistand, verstand? Denn sie alle haben ja dieses Wort ohne die nachösterliche Perspektive gehört. Da war kein Evangelist, welcher sie bei der Hand nahm und ihnen half, es zu deuten. Keine Zukunftsschau, die nachvollziehbar machen konnte, wie es auszulegen ist. Das stelle ich mir schwer vor. An diesem Ort begegnet die Welt in Jesus zunächst einmal einem Gottessohn und Messias, der von seinem Tod spricht. Das ist verstörend. Das ist unfassbar und unglaublich, im wahrsten Sinne des Wortes. Sowas lässt sich nicht zusammendenken. Gott und Tod, Gesalbter und Tod – ein absolutes no go. Wagen wir es, uns dem auszusetzen, so wie sich die Jünger, die Hörer und Hörerinnen und die Griechen aussetzen mussten? Mir scheint, da wo es uns gelingt uns ganz in diese Situation einzudenken, kommen wir erst voll und ganz in der Passionszeit an. Im Dunkel des nicht erkennen Könnens. Im Dunkel des nicht Wissens und des Zweifels. An einem Ort, wo alte Gewissheiten zerbersten und zerbrechen. Wo Sicherheiten in sich zusammenfallen. Wo Erklärungsmuster an ihr Ende gelangen. Jesus stirbt. Und ich kann (noch) nicht sagen, warum dies sein muss. Wofür dies geschieht. Dieses Nicht-Verstehen von leidvollen Erfahrungen ist keinem von uns gänzlich fremd. Krisen und Herausforderungen diverser Natur muten allen immer wieder zu, sich den dunklen, ungeklärten und ungereimten Aspekten des Lebens zu stellen. Schweres verdüstert zuweilen nicht nur unsere Gegenwart, sondern ebenso unsere Zukunft. Alles scheint uns ungewiss. Was wird noch werden? Und doch haben diese persönlichen Erfahrungen nochmals eine andere Qualität als das, was hier geschildert wird. Denn hier geraten nicht nur meine individuellen Sicherheiten ins Wanken, was oft schlimm genug ist und auch nicht nur die, einer ganzen Gesellschaft, ja nicht einmal das Wort „global“ mag zu fassen, was sich darin vollzieht. Das, was sich in Jerusalem in wenigen Stunden geschehen wird, ist allumfassend, universell und unvergleichlich. Dafür gibt es keine role models. Es ist schlicht nicht zu denken und schon gar nicht in Worte zu fassen. Wen wunderts, dass sich die Jünger nicht mehr auskennen und schon gar nicht die Griechen, die noch immer dabeistehen. Ratlos schauen sie sich an. – Wenn das Samenkorn nicht in die Erde fällt … Da kennen wir uns schon eher wieder aus. Alltagserfahrungen der Antike, Freizeitfreuden der Moderne. Doch Jesus sieht weiter. Er vertraut und weiß, dass jenseits dieser Not neues Leben wartet. Dass der Abschied nicht nur Elend, sondern eben genauso Chance ist. Die Chance, sich zu entwickeln. Die Chance, Neues zu entdecken und erfahren. Die Chance, am Puls des Lebens zu bleiben. Ja, sogar die Chance auf ein Mehr an Leben. Es ist wohl wahr, nicht jedes Samenkorn, welches wir in die Erde legen geht auf. Hielte uns dies indes davon ab, überhaupt Samen loszulassen und zu streuen, würden wir auch nicht von Neuem vom Wunder des Lebens überrascht. Ein mancher Abschied, den wir nehmen müssen, trägt nicht schon in dieser Zeit Frucht. Dann und wann bleibt sie verborgen und das Opfer scheint sinnlos, nutzlos und umsonst gewesen zu sein. Nicht weniger als das stand auch für Jesus auf dem Spiel. Wird das, was er an guten Samen ausgestreut hat weiterleben, aufgehen, Frucht tragen? Werden die Menschen weiterhin auf ihn vertrauen, auch da, wo er nicht mehr unmittelbar unter ihnen wirkt, verkündet und lebt? Werden die Menschen jenseits dessen, was vor Augen ist, die Kraft der Schöpfung erkennen können? Die Güte Gottes, der immer und immer wieder neue Lebensgrundlagen schafft, wenn wir es nur sehen?! Es ist denkbar, dass dies die Griechen sogar besser verstanden als viele andere, von Jesu Zuhörern. Wir wissen es nicht. Sicher aber ist, dass wir auf diesem Weg durch die Unsicherheiten des Lebens immer wieder auf jemanden angewiesen sind, den wir am Ärmel zupfen können, damit er uns ein Stück weit weiterbringt, Gott näherbringt. Ich aber, liebe Gemeinde, werde schon heute Nachmittag im Garten Nachschau halten, ob die Samen, die ich streute, erste grüne Triebe zeigen! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. Predigtnachspiel: Martin Seidl: Wie furchtsam wankten meine Schritte von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)Fürbitten mit Unser Vater:Abschiednehmen, loslassen, das fällt uns immer wieder besonders schwer, guter Gott. Gerade da, wo das, was wir hergeben müssen, mit viel Erinnerungen und unserer ganz eigenen Geschichte verbunden ist. Wenn wir nicht wissen, was kommen wird. Wirst Du es nochmals gut mit uns meinen? Jesus Christus Wir denken an die Kranken, die Leidenden, die Hoffnungslosen. Für sie bitten wir um deine Nähe, deinen Frieden, dein Licht. Wir denken an Menschen, die loslassen mussten, ohne zu wissen, was kommen wird. Zerbrochene Partnerschaften, verwüstetes Land, unfruchtbare, verbrannte Erde. Für sie bitten wir um eine neue Zukunft, Geborgenheit und Lebensraum. Wir denken an Menschen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, weil diese Branche wegrationalisiert worden ist, weil es keinen Bedarf mehr gibt und keine Nachfrage. Für sie bitten wir um besondere Wertschätzung, neuen Sinn, die Kraft der Ausdauer und den Mut zum Neubeginn. In der Stille bringen wir vor Dich, was uns ganz persönlich bewegt und beschäftigt …Stille Mit Deinen Worten, Jesus Christus, wollen wir unsere Bitten beschließen: Unser Vater im Himmel … Lied: Evangelisches Gesangbuch Nr. 97, 1.4-5: Holz auf Jesu Schulter
Sendung: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Segen:Möge Gottes Segen uns auf diesem Weg des Lernens, Wachsens, Loslassens und Neuwerdens segnen: Der Herr segne dich und behüte uns, Amen. Postludium: Martin Seidl: Fantasia in a von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) |