Andacht der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 10. Jänner 2021
von Pfr. Johannes Wittich
Präludium: IIsabella Kobera: Dieterich Buxtehude, Präludium in C-DurSpruch: Römer 8, 14:Denn die vom Geist Gottes getrieben werden, das sind Söhne und Töchter Gottes. Begrüßung:Immer noch am Beginn des neuen Jahres stehend holen wir tief Luft für das Neue, das vor uns steht. Wir werden einen langen Atem brauchen – danach sieht es aus. Nicht nur das: wir werden Gottes Hilfe brauchen, seinen Geist. Um diesen bitten wir, wenn wir Gottesdienst feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen Psalm: 105,1-81 Preist den Herrn, ruft seinen Namen an, Gebet:Du, unser Gott, (nach Cristina Blázquez) Lied: Evangelisches Gesangbuch 64, 1-3: der du die Zeit in Händen hast1) Der du die Zeit in Händen hast, 2) Da alles, was der Mensch beginnt, 3) Wer ist hier, der vor dir besteht? Predigttext: Mt. 3, 13-1713 Zu jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder! Man kennt sie, die „schwarzen Schafe“ in einer Familie, die aus der Reihe tanzen, ihren eigenen Weg gehen, zum Missfallen der anderen Familienmitglieder, der ganzen großen Familie. Was sie tun und sagen fällt auf alle Familienmitglieder zurück, auf ihren Ruf, färbt sozusagen ab, kann zur Belastung werden. Mein Vater, ebenfalls Pfarrer wie ich, hat einmal erzählt, wie er auf einem internationalen ökumenischen Treffen eine reformierte Christin aus Japan kennen gelernt hat. Sie hatte zu berichten, dass ihre gutbürgerliche und gesellschaftlich anerkannte Familie damit zu kämpfen hätte, dass sich ihre Kusine Yoko mit einem Herrn Lennon, so einen Musiker aus Liverpool, herumtreibt und man sich sehr bemühen würde, ihr diese Idee wieder auszutreiben. Schließlich ginge es ja darum, den guten Ruf der Familie wahren. Das dürfte der Familie Ono wohl nicht ganz gelungen sein. Ähnlich stelle ich mir die Situation in der Großfamilie von Johannes und Jesus vor. Die Mütter der beiden waren ja Kusinen. Zuerst fängt es mit Johannes an: er zieht sich in die Wüste zurück, lebt dort asketisch, ändert sein Leben, und kehrt mit einer radikalen Botschaft von Umkehr zurück. Er greift die Mächtigen an, kritisiert ihre Skrupellosigkeit und Gier, dann nimmt er sich die religiöse Elite vor, entlarvt ihre Scheinheiligkeit. Soweit war das so genannte einfache Volk wohl sicher noch begeistert. Aber dann nimmt sich Johannes aus seine Mitbürger vor, kritisiert ihr Verhalten, ihre falsche Gewissheit, als Angehörige des Volkes Gottes etwas Besseres zu sein So fragen die, die von dieser Botschaft berührt werden: was sollen wir tun? Was können wir tun? Johannes meint darauf zu ihnen: ein Neuanfang ist nötig. Umkehr heißt, alte, eingefahrene, bequeme aber dadurch auch lieblose Wege zu verlassen. Wer das will, kann das tun. Er oder sie kann mit Gottes Unterstützung rechnen. Und als Zeichen, dass es einem wirklich ernst ist, kann man sich taufen lassen: ein symbolisches Reinigungsbad im Jordan. Danach geht es ganz neu weiter. Wie gesagt: ich nehme einmal an, dass man in Johannes‘ Familie wohl nicht sehr begeistert war über seine Berufswahl. Vielleicht hatte man sich gerade damit abgefunden, als ein neues Problem auftaucht: Jesus beschließt, sich den Anhängern, den „Fans“ von Johannes anzuschließen. Na, mehr hat’s wohl nicht gebraucht! Matthäus berichtet uns, dass Jesus zu Johannes an den Jordan kommt. Bisher ist Jesus ja weitgehend brav und unauffällig gewesen. Jetzt steht er plötzlich auch da, unter den Zuhörerinnen und Zuhörern von Johannes, hängt ihm an den Lippen, ist begeistert von seiner radikalen Botschaft. Und wie viele andere möchte er auch den radikalen Neuanfang vollziehen; möchte sich auch taufen lassen. Johannes der charismatische Prediger, Jesus der begeisterte Zuhörer – und plötzlich werden die Rollen vertauscht: Johannes weiß, dass er seinem Cousin nicht das Wasser reichen, oder, wie er selbst formuliert, die Schuhe binden kann. Er hat schon lange erkannt, was wir heute die „Botschaft von Weihnachten“ nennen: dieser Jesus ist der Gesandte Gottes, der Erlöser. Wenn er einmal beginnt, zu den Menschen zu reden, dann braucht es einen Johannes nicht mehr. Dann ist der da, auf den die Menschen wirklich gewartet haben. Der sich dann aber auch nicht in den Vordergrund spielt. Auch Jesus will getauft werden. Und wieder tritt das zu Tage, was wir die „Botschaft von Weihnachten“ nennen: der Erlöser Gottes besteht nicht auf seiner besonderen Stellung. Er reiht sich sozusagen in die Schlange der Taufwilligen ein. Weil eben Gott ganz bei den Menschen, ganz Mensch ist. Matthäus berichtet, dass im Augenblick der Taufe der Himmel aufgeht und die Stimme Gottes zu hören ist. Ein schönes Bild. Im Augenblick, in dem der Sohn Gottes ganz Mensch ist, auch das Symbol der Umkehr und des Neuanfangs über sich ergehen lässt, ist er ganz unten bei den Menschen. Und gleichzeitig ganz besonders dem Himmel nahe – dem Himmel unter uns. Amen. Gebet:Liebender Vater, (Susanne Gutmann/Elke Schnabel) Unser Vater … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Postludium: Isabella Kobera: Linzer Orgeltabulatur (1611-1613), Cupido |