Freiluftgottesdienst der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 21. Juni 2020
mit Johannes Wittich, Gerti Rohrmoser und Martin Seidl (Musik)
Klaviervorspiel (Martin Seidl): Georg Friedrich Händel: WassermusikSpruch: Johannesevangelium 3,8:Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, weißt aber nicht, Begrüßung:Ja, der Wind weht, wo er will. Heute, mit Regenwolken zu Auch der Geist Gottes fordert uns manchmal heraus. Wenn wir Dinge anders haben wollen, als sie sind, sie sich aber trotzdem nicht ändern. Der Geist Gottes weht, wo er will, wir können ihn über ihn bestimmen. Das ist die große Freiheit Gottes, ohne die er nicht Gott wäre. Allerdings: der Geist Gottes weht uns auch immer wieder zusammen, macht uns zu einer Gemeinschaft, schafft besondere Momente. So wie heute, wenn wir miteinander feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gebet:Guter Gott, (Gerti Rohrmoser) Lied: Evangelisches Gesangbuch, 136, 1-3: O komm, du Geist der Wahrheit1) O komm, du Geist der Wahrheit, 2) O du, den unser größter 3) Unglaub und Torheit brüsten Predigttext: 1. Sam. 10, 1-111 Und Samuel nahm den Krug mit Öl und goss es über sein (Sauls) Haupt und küsste ihn und sprach: So hat dich der HERR zum Fürsten über seinen Erbbesitz gesalbt! Dialogpredigt (Johannes Wittich und Gerti Rohrmoser):Liebe Gemeinde! Wie bereitet man sich auf einen Spitzenjob vor? Vor alle auf einen solchen, den man eigentlich gar nicht will, oder mit dem man nicht gerechnet hat? Für Saul stellt sich diese Frage. Er ist eigentlich vom väterlichen Bauernhof nur losgezogen, um eine Herde ausgebüxter Eselinnen zu finden. Zurück kommt er, die Geschichte ist bekannt, mit der Würde eines Königs von Israel. Weil ihm unterwegs Samuel begegnet. Eine von Gott inspirierte Autorität im Volk. Und der erkennt: diese Bauernbursch, das ist der, der unser König werden soll. Der, den uns Gott als König geben will. Und so salbt Samuel den jungen Saul zum König. Allerdings: sein Amt tritt er nicht sofort an. Diese Segenshandlung ist auf die Zukunft ausgerichtet: du wirst einmal König sein, aber jetzt schon liegt der Segen Gottes auf dir. Du bist ermächtigt und befähigt. Und wenn es dann soweit ist, mit der eigentlichen Ernennung zum König, dann bist du bereit und bestens vorbereitet. Saul zieht weiter nach seiner Salbung durch Samuel. Einige Zeichen, dass er auf dem richtigen Weg ist, sind ihm vorausgesagt worden, die dann auch eintreffen. Unter anderem, dass er auf eine Gruppe von Propheten stoßen wird. Genau genommen auf eine Propheten-Gruppe mit musikalischer Unterstützung: durch Harfe, Pauke, Flöte und Leier. Diese Propheten haben sich auf einer alten Kulthöhe versammelt, dort wohl ein gottesdienstliches Ritual abgehalten, und kommen jetzt wieder zurück, Saul entgegen. Die Zeit auf diesem „heiligen Berg“ hat sie offensichtlich verwandelt. Sie sind vom Geist Gottes berührt worden und gebärdeten sich „wie Propheten“, wie es im biblischen Bericht. Und Saul, der macht genau das, was Samuel ihm gesagt hat: er lässt sich mitreißen, spürt, dass Gott etwas mit ihm macht, wird verwandelt. Er „gebärdet sich“ also auch „wie ein Prophet“. Was meinst du, Gerti: Was passiert da eigentlich, wenn man das tut? – – – Das ist eine gute Frage, lieber Johannes! Viele von uns haben wahrscheinlich, wenn sie an Propheten denken, ein Bild von jemandem im Kopf, mit wirren Haaren, stechendem Blick und – im übertragenen Sinne – Schaum vorm Mund. Wir stellen uns ekstatisch zuckende, abgedrehte Typen vor, die dauernd Drohungen und Verwünschungen ausstoßen. Von all solchen Dingen steht in unserem Text ja nichts. Nur, dass Saul sich eben plötzlich genauso benahm, wie ein Prophet… für die Zeitgenossen des Saul oder des Berichterstatters über das Geschehen, war sicher viel klarer, was das heißt, als für uns… Und ich glaube, man darf sich unter der Berufsbezeichnung der „Propheten“ wirklich nicht smarte, wohlfrisierte Burschen in fusselfreien wohlsitzenden Anzügen vorstellen. Gott suchte Menschen aus, denen er einen besonders klaren, unverstellten Blick schenkte, die genau sahen, was schief lief in der Beziehung ihrer Zeitgenossen zu Gott und zueinander. Sie ließen sich nicht täuschen oder hinters Licht führen von den Argumenten von Machthabern oder mundtot machen durch Anfeindung oder auch durch Schmeichelei. Ohne Rücksicht auf die eigene Komfortzone oder Befindlichkeit hatten sie den Menschen mitzuteilen, dass sie nicht Gottes Willen taten und was für Konsequenzen das für sie haben wird. Das ist ein echt hartes Job-Profil und nicht umsonst versuchte so mancher Kandidat sich mit allen Mitteln einer „Anstellung“ zu entziehen. Man machte sich damit kaum Freunde und die Erfolgsaussichten waren erfahrungsgemäß gering. Da waren einem wohl Aussehen und Benimmregeln eher nicht ganz so wichtig. Aber diesen klare, ungeschönte Blick auf das was Gott von den Menschen will, vom Einzelnen und von der Gemeinschaft geschenkt zu bekommen, das ist doch eigentlich für einen angehenden König eine ganz besondere Chance, die im krassen Gegensatz zu dem steht, was ihn dann später in seinem Amt erwartet: die scheinbaren Zwänge von Realität und Diplomatie, die vielen Kompromisse, die man zu schließen hat und letztendlich auch die Verführung durch Macht und Schmeichelei, das Gefühl der eigenen – scheinbaren – Allmacht. Gott will den, den er zum König ausgewählt hat nicht unvorbereitet in sein Amt schicken, er lässt ihn wissen, was er zu tun hat, jenseits von politischem Kalkül und eigener Befindlichkeit. – – – Ja, Gerti: In heutiger Sprache könnte man vielleicht so sagen: Saul lernt die Aufgabe der Opposition kennen, bevor er in die Regierung kommt. Damit er auch nie vergisst, dass es immer auch einen anderen Blick auf die Dinge gibt. Eben einen, der nicht von Machtinteressen verstellt ist. Der die Schwachen und Bedürftigen in den Mittelpunkt stellt, deren Bedürfnissen und Rechten den Vorrang gibt Biblische Propheten sind in der Folge immer wieder mit dem jeweiligen König und seinen Unterstützern zusammengekracht. Weil sie diese andere Sicht der Dinge an der aktuellen Politik gemessen haben. Und feststellen mussten: hier, in unserer Gemeinschaft, in unserer Gesellschaft, bleiben Menschen auf der Strecke. Das kann und darf nicht sein. Weil Gott es nicht will. Saul muss sich also, sozusagen als göttliche Anstellungserfordernis für die Position des Königs, auch einmal als Prophet betätigt haben. Wobei es bei den Propheten, denen er in unserer Geschichte begegnet und sich für eine Zeit auch anschließt, offensichtlich nicht nur um ernste Themen geht. Wir erfahren, wie schon gesagt, dass bei ihnen auch Musik eine wichtige Rolle spielt. Nun kann Musik auch eine sehr ernste Angelegenheit sein. Alle unter uns, die als Kinder und Jugendliche Klavier-, Geigen- oder Cello-Unterricht genossen haben, können das bestätigen. Die Propheten-Kollegen des Saul aber spielen gar nicht selbst. Sie haben Profis bei der Hand. Sie lassen sich von deren Musik begeistern, mitreißen, inspirieren. Sie spüren und erfahren das Göttliche in der Musik, sie lassen sich durch Musik von Gott selbst führen. Sie geraten in Verzückung, Ekstase, oder, wie wir heute sagen würden: sie lassen einmal so richtig die Sau raus. Um sich danach wieder ernsten Themen zuzuwenden. Saul den Aufgaben eines Königs. Die Propheten kritisch den Fragen der Zeit. Aber: es braucht dafür einfach auch die freudigen, ausgelassenen, begeisterten Momente. Miteinander. Als Menschen. Und mit Gott. Damit es danach wieder gut und motiviert und gestärkt weiter geht. Vielleicht kann unser Zusammensein heute auch so ein Moment sein. Schön wäre es. Orgelzwischenspiel: Martin Seidl: Georg Friedrich Händel: WassermusikJubiläumskonfirmationLied: Evangelisches Gesangbuch 272: Ich lobe meinen Gott von ganzem HerzenGebet:Guter Gott, Nimm uns an der Hand, Lass uns aufeinander zugehen Das Gespinst aus Angst, Neid und Bitterkeit, Bewahre uns vor falschen Horizonten und dunklen Abgründen Schenk uns stattdessen ein Quäntchen von deinem Großmut Lass nicht zu, Komm in unsere Stuben, (Gerti Rohrmoser) Unser Vater im Himmel … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Klaviernachspiel: Martin Seidl: Georg Friedrich Händel: Wassermusik
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