Foto: Ulrike Wittich

 

 

 

Gottesdienst mit AM zum 3. Advent
aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, am 12. Dezember 2021
mit Pfr. Johannes Wittich


Orgelvorspiel: Martin A. Seidl: Praeludium in F-dur von Johann Caspar Ferdinand Fischer (1656-1746)
Lied: Evangelisches Gesangbuch, 9, 1.2.4, Melodie 443: Nun jauchzet, all ihr Frommen

1.) Nun jauchzet, all ihr Frommen,
zu dieser Gnadenzeit,
weil unser Heil ist kommen,
der Herr der Herrlichkeit,
zwar ohne stolze Pracht,
doch mächtig, zu verheeren
und gänzlich zu zerstören
des Teufels Reich und Macht.

2.) Er kommt zu uns geritten
auf einem Eselein
und stellt sich in die Mitten
für uns zum Opfer ein.
Er bringt kein zeitlich Gut,
er will allein erwerben
durch seinen Tod und Sterben,
was ewig währen tut
.

4.) Ihr Mächtigen auf Erden,
nehmt diesen König an,
wollt ihr beraten werden
und gehn die rechte Bahn,
die zu dem Himmel führt;
sonst, wo ihr ihn verachtet
und nur nach Hoheit trachtet,
des Höchsten Zorn euch rührt
.

Spruch: Jesaja 40, 3.10:

Horch, ein Rufer: Bahnt den Weg des Herrn in der Wüste; Sieh, Gott der Herr, er kommt als ein Starker.

Begrüßung:

Gott kommt in unsere Welt, immer wieder. Und wir gehen ihm entgegen, im gerade gesungenen Lied sogar (quasi) im Walzertakt. Denn das ist die Freude des Advents: Gott kommt als ein „Starker“. Gott kommt, das ist sicher, unaufhaltbar, egal, wie es bei uns aussieht. Gott kommt aber gleichzeitig auch als „Schwacher“, einfühlsam und verständnisvoll, hinein in unsere Ängste und Sorgen. Weil er Gott ist, ist er alles. Vor allem immer der, den wir gerade brauchen. Einer, der stark genug ist, den Starken ihre Grenzen aufzuzeigen. Einer der so schwach ist, ein kleines Kind, dass es ganz einer von uns ist, niemand sich vor ihm fürchten muss.

So gehen wir auf das Weihnachtsfest zu, gemeinsam, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

So vieles,
ewiger Gott,
liegt im Argen in dieser Welt.
Und wir gehören dazu,
stellen uns über andere und verurteilen sie.
Unser enger Blick macht uns blind für unseren Nächsten.
Du bist auf dem Weg zu uns.
So bitten dich:
Sieh uns an, erfülle uns mit deinem Geist.
Wandle unsere Selbstbezogenheit in Verständnis.
Öffne unseren Blick für unseren Nächsten
und unser Herz für dich.
Du kommst zu uns, Gott, wirst Mensch.
Deine Botschaft rührt unser Herz an.
Öffne unsere Herzen.
Kehre ein bei uns.
Beruhige unsere aufgeschreckten Seelen.
Rette die zerrissene Welt und schaffe Frieden.
Hilf uns, dass wir deine Weisheit
und deine Wahrheit erkennen.
Bringe dein Licht in unser Leben,
dass wir tiefer blicken und weiter sehen.
Amen.

(nach Haike Gleede)

Lesung: Mk. 11, 1-10

1Und als sie in die Nähe von Jerusalem kommen, nach Betfage und Betanien an den Ölberg, sendet er zwei seiner Jünger aus 2und sagt zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich wenn ihr hineinkommt, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her!
3Und wenn jemand zu euch sagt: Was tut ihr da?, so sagt: Der Herr braucht es und schickt es sogleich wieder zurück.
4Da gingen sie und fanden ein Füllen, angebunden an einer Tür draussen an der Strasse, und sie banden es los. 5Und einige von denen, die dort standen, sagten zu ihnen: Was führt euch dazu, das Füllen loszubinden? 6Sie aber gaben zur Antwort, was Jesus ihnen gesagt hatte, und man liess sie gewähren. 7Und sie bringen das Füllen zu Jesus und legen ihre Kleider darüber, und er setzte sich darauf.
8Und viele breiteten auf dem Weg ihre Kleider aus, andere streuten Zweige, die sie auf den Feldern abgeschnitten hatten.
9Und die vorausgingen und die hinterhergingen, riefen:
Hosanna,
gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!
10Gepriesen sei das Reich unseres Vaters David, das da kommt,
Hosanna in der Höhe!

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 15, 1-3: Tröstet, tröstet, sprich der Herr
Predigt zu Sacharja 9,9

Liebe Gemeinde!

Hat da gerade nicht etwas gefehlt, in der Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem? Nachdem die Jünger Jesus das Eselsfüllen bringen, um es „reisefertig machen? Wird da nicht an diesem Punkt der Erzählung auf eine Prophezeiung aus dem Alten Testament hingewiesen? Auf die mit der „Tochter Zion“, die sich freuen soll, weil ihr König zu ihr kommt. Sanft, und auf einem Esel reitend, auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttieres? Ohne diesen Rückgriff auf das alte Prophetenwort ist die Geschichte doch gar nicht zu verstehen. Warum hätte Jesus sonst einen jungen Esel gebraucht, wenn es nicht darum gegangen wäre, genau diesen Bezug zu einem Bild aus der Prophetie herzustellen. Habe ich da gerade beim Lesen etwas ausgelassen?

Vielleicht kam dieses prophetische Wort eh vor, aber die Erinnerung daran ist durch das Lied dazwischen schon wieder verblasst. Oder es kam nicht vor, aber wir haben es trotzdem gehört, weil das Vertraute unbewusst mitgeschwungen ist. Wer weiß …

So ist es mir beim Vorbereiten dieser Predigt gegangen. Ich habe die Bibel aufgeschlagen, die Geschichte im Markusevangelium gesucht und munter und motiviert begonnen, etwas über die Prophezeiung vom König, der auf einem Eselsjungen reitet, zu schreiben und eben auch darüber, wie sich diese Prophezeiung erfüllt hat in dem Augenblick, als Jesus triumphal in Jerusalem einzieht. Ich war schon recht weit mit meinen Gedanken, wollte eigentlich eine Predigt über dieses Eseljunge halten, bis ich dann doch noch einmal in den Bericht des Markus hineingeschaut habe und feststellen musste: nix mit Tochter Zion. Nichts mit Sanftmut und Eselsfüllen. Kommt einfach nicht vor!

Habe ich mir da jahrelang etwas eingebildet und mit mir viele andere? Die Lösung ist einfach: die Geschichte gibt es vier Mal in der Bibel, in jedem der vier Evangelien. Markus, Lukas, und Johannes erzählen einfach nur das, was passiert ist: Esel geholt, aufgestiegen, jubelnder Empfang. Nur bei Matthäus dürfte es beim Aufschreiben der Geschichte „klick“ gemacht haben. Ihm dürfte plötzlich eingefallen sein: Da war doch was in den alten Schriften, vom sanften Retter auf einem Esel … Ach ja, Prophet Sacharja, Kapitel 9, Vers 9:.

9Juble laut, Tochter Zion,
jauchze, Tochter Jerusalem,
sieh, dein König kommt zu dir,
gerecht und siegreich ist er,
demütig und auf einem Esel reitend,
auf einem Fohlen, einem Eselsfohlen.

Diese Erkenntnis wollte Matthäus unbedingt mit uns teilen. Sein Rückverweis, seine Interpretation der Geschichte hat sich dann im Bewusstsein der Christinnen und Christen durchgesetzt: die Ereignisse beim Einzug Jesu in Jerusalem, die waren nicht neu, und auch nicht zufällig. Die hat ein Propheten Generationen davor schon erahntn.

Und der Erkenntnis des Matthäus verdanken wir es auch, dass wir heute das Weihnachtslied „Tochter Zion“ singen. Dort geschieht gerade diese Verbindung zwischen der Zusage Gottes vor langer, langer Zeit und der Erfüllung durch die Ankunft Jesu in Jerusalem.

Genau hinschauen, genau lesen, genau hinhören, das lohnt sich. Das habe ich wieder gemerkt. So vieles im Advent und zu Weihnachten ist ja so vertraut, dass wir uns gar nicht mehr fragen, ob unsere Wahrnehmung und Interpretation überhaupt stimmen. Manche vertraute Bibelstelle „plätschert“ einfach so an mir vorbei, wie es mir bei der Predigtvorbereitung gegangen ist, und auch manch ein Lieder singe ich, ohne genau auf die Bedeutung zu achten.

Kinder machen uns das vor, wenn sie fröhlich Weihnachtslieder singen, deren Bedeutung sie nicht verstehen, bzw. deren Bedeutung sie sich selbst zurecht legen müssen. Ich denke, wir kennen die schönen Beispiele, wo dann über „Doktor Zion“ gesungen wird oder, im Falle von „Ihr Kinderlein kommet“, über die „rötlichen Hirten“ oder „o kommet und sehet in Beethovens Stall.“ Das Gottes Sohn „Owie“ heißt, wissen wir auch aus „Stille Nacht“: „Gottes Sohn, Owie, lacht“. Oder „Holger, Knabe im lockigen Haar.“ Selbst entdeckte Zusammenhänge im zunächst Unverständlichen.

Wobei diese Perlen ja dadurch entstehen, dass man Kinder Dinge singen lässt, die man ihnen nicht erklärt hat. Aber diesen Forscherdrang, einen neuen Sinn und eine neue Bedeutung in etwas zu entdecken, was zunächst einmal vertraut zu sein scheint, aber dann doch mehr zu bieten hat, den können wir ruhig kopieren.

Denn es immer noch so viel zu entdecken. Dass Matthäus aus der Reihe tanzt, war mir bis gestern gar nicht so bewusst. Und plötzlich kann ich ihn mir vorstellen, wie er in seiner Schreibstube sitzt, an seinem Evangelium arbeitet, alte Berichte durchschaut, (er selbst war ja kein Augenzeuge gewesen), Berichte, die seinen Kollegen auch vorgelegen haben. Aber er macht plötzlich eine neue Entdeckung. Er merkt: Gott spricht zu mir, er will mir etwas sagen, und das in einer Geschichte, die ich schon x-mal gehört und gelesen habe. Nicht nur in den Ereignissen selbst ist Gott am Werk, sondern auch beim Aufschreiben und Zusammenstellen hilft er zu Geistesblitzen, spricht er zu Matthäus, der beim Schreiben eine Glaubenserkenntnis hat, die bisher so noch kein anderer hatte. Und das Jahrzehnte, nachdem das alles passiert ist, und, wie gesagt, ohne dass er dabei sein musste. Die Erkenntnis des Matthäus, den Zusammenhang, den er erkannt hat, ist heute eine theologische Selbstverständlichkeit. Wer sagt, dass nicht auch wir im Vertrauten plötzlich ganz Neues entdecken können, auch im ach so Vertrauten von Advent und Weihnachten.

Ich bin ganz sicher, dass da geht. Also: schauen, hören, fühlen wir ganz genau hin, wenn wir Advent und bald Weihnachten feiern. Gott will uns auch heuer etwas sagen.

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 221, 1-3: Das sollt ihr, Jesu Jünger, nicht vergessen

1.) Das sollt ihr, Jesu Jünger, nie vergessen:
wir sind, die wir von einem Brote essen,
aus einem Kelche trinken, Jesu Glieder, Schwestern und Brüder.

2.) Wenn wir in Frieden bei einander wohnten,
Gebeugte stärkten und die Schwachen schonten,
dann würden wir den letzten heilgen Willen des Herrn erfüllen
.

3.) Ach dazu müsse seine Lieb uns dringen!
Du wollest, Herr, dies große Werk vollbringen,
dass unter einem Hirten eine Herde aus allen werde
.

Abendmahl:

Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ (Jh. 6,35)

Wir feiern Abendmahl miteinander, zusammengeführt durch den Geist Gottes an den Tisch Jesu Christi. So wollen wir daran denken, wie Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, und was wir heute mit ihm erleben können, wenn wir in seinem Namen essen und trinken.

Einsetzungsworte:

Jesus Christus,
in der Nacht, in der er verraten wurde,
nahm er das Brot, dankte, brach es und sprach:
Nehmt, esst, das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
Das tut zu meinem Gedächtnis.

Ebenso nahm er den Kelch nach dem Mahl
und sprach:
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.
Das tut, sooft ihr daraus trinkt,
zu meinem Gedächtnis.

Denn sooft ihr dieses Brot esst
und aus diesem Kelch trinkt,
verkündigt ihr den Tod Jesu Christi,
bis dass er kommt.

Gebet: 

Deinen Tisch, Gott, hast du für uns gedeckt.
Es ist dein Heiliger Geist, der im Essen und Trinken uns stärkt .
Es ist dein Geist, der Vergebung und Versöhnung ermöglicht.
Es ist dein Geist, der uns hier an deinem Tisch
zu einer Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern versammelt,
der Christus gegenwärtig werden lässt.
So kommen wir dankbar zu dir, Gott,
bewegt durch deinen lebensspendenden Geist,
hoffen ganz auf dich,
vertrauen dir.
Amen.

Frage: So frage ich euch: Ist das auch euer Wunsch und euer Gebet, so antwortet „Ja.“

Absolution:

Im Buch Jesaja (Kapitel 42, Vers 3) heißt es:

Das geknickte Rohr zerbricht er nicht,
und den verglimmenden Docht löscht er nicht aus,
treu trägt er das Recht hinaus.

Einladung: Wir sind eingeladen zum Tisch Jesu Christi. Kommt, es ist alles bereit; seht und schmeckt, wie freundlich Gott ist.

Austeilung:

„Gott ist Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“

Zum Abendmahl: Martin A. Seidl: Nun komm der Heiden Heiland von Johann Sebastian Bach (1685-1750)

Gebet:

Jesus Christus,
wir haben den Weg an deinen Tisch gefunden.
In diesem Mahl hat deine Liebe freie Bahn, uns zu erfüllen.
Dafür danken wir dir.
Komm, du verheißener Friedensbringer.
Wir warten auf dich.
Breite deinen Frieden aus.
In uns und aller Welt.
Wehre allen Kräften, die Unfrieden säen.
Die mit dem Krieg Geschäfte machen.
Die die Achtung für ein Menschenleben verloren haben.
Zeige den Weg zum Frieden, der weiter ist als des Menschen Sinn.
Wehre allem Hass.
Hindere die Gewalttäter, Unrecht zu tun.
Sei bei allen, die bedroht werden und verängstigt sind.
Bringe neues Leben.
In uns und alle Welt.
Wir warten auf dich.
Mache Licht.
In uns und aller Welt.
Den Unsicheren leuchte ihre Wege aus.
Den Kranken mache ihre Hoffnung heller als ihre Verzweiflung.
Die Sterbenden berge bei dir.
Den Trauernden weise den Weg zur Freude.
Zeige den Weg ins Licht, das heller strahlt als des Menschen Sinn.
Und gemeinsam beten wir …
.

(nach Roland Sievers)

Unser Vater im Himmel …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 170, 1.3: Komm, Herr, segne uns

Orgelnachspiel: Martin A. Seidl: Concerto von Johann Ernst von Sachsen-Weimar (1696-1715) arrangiert von Johann Sebastian Bach (1685-1750)