Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst zum 1. Advent
aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten am 28. November 2021,
mit Pfr. Johannes Wittich

Orgelvorspiel: Martin A. Seidl: Nun komm, der Heiden Heiland von Dieterich Buxtehude (1637 – 1707)
Spruch: Sacharja 9,9:

Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem, sieh, dein König kommt zu dir,
gerecht und siegreich ist er, demütig und auf einem Esel reitend, auf einem Fohlen, einem Eselsfohlen.

Lied (Gemeinde und Erlöserkirche Gospel Choir Quartet): Evangelisches Gesangbuch 13, 1-3: Tochter Zion

1) Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir!
Ja, er kommt, der Friedensfürst.
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!

2) Hosianna, Davids Sohn,
sei gesegnet deinem Volk!
Gründe nun dein ew’ges Reich.
Hosianna in der Höh’.
Hosianna, Davids Sohn,
sei gesegnet deinem Volk!

3) Hosianna, Davids Sohn,
sei gegrüßet, König mild!
Ewig steht dein Friedensthron,
du, des ew’gen Vaters Kind.
Hosianna, Davids Sohn,
sei gegrüßet, König mild!

Begrüßung:

Der ganz andere „König“ der einmal kommen wird, ist voller
Widersprüche. Das ist gut so. Erst so passt er wirklich ganz hinein in die Widersprüchlichkeiten unseres Lebens, in die Widersprüchlichkeiten dieser Welt. Er ist stark und schwach gleichzeitig. Er ist mächtig – und reitet auf einem kleinen Esel. Er braucht kein Statussymbol – und hat doch Macht. Und ist vor allem eines: gerecht. Es geht ihm um die Menschen. Es geht ihm um uns.

Das wird uns gerade wieder am Beginn des Advents klar, auf dem Weg hin zum Weihnachtsfest, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Gebet:

Gott,
was gibt uns Halt und Orientierung?
Was macht den Boden unter unseren Füßen fest?
Wichtige Fragen sind das.
Wir suchen nach Antworten und wissen sie bei dir.
Richte unsere Herzen neu aus auf dich und dein Wort.
Im Vertrauen darauf,
dass dein Licht alle Dunkelheit zu erhellen vermag,
wenden wir uns an dich
und bringen vor dich,
was unser Leben und unsere Welt verschattet und verdunkelt.
Lass dein Wort in unserer Dunkelheit aufgehen
wie der Morgenstern, der den Nachthimmel hell macht.
Dann merken wir, dass vor uns ein Licht leuchtet,
dein Licht, das uns den Weg weist.
Dein Licht macht alle Finsternis hell.
Dein Wort vertreibt Angst, Sorge, Kleinmut und Verzagtheit.
Dies lass uns heute Morgen erfahren,
wenn wir zu dir beten, dir singen und dein Wort hören.
Dies bitten wir durch Jesus Christus kraft des Heiligen Geistest.
Amen.

(Michael Tillmann)

Lesung: Jh. 3, 17-21:

17Denn Gott hat den Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. 18Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat. 19Dies aber ist das Gericht: Das Licht ist in die Welt gekommen, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. 21Wer aber tut, was der Wahrheit entspricht, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott gewirkt sind.

Erlöserkirche Gospel Choir Quartet: Longing for Light
Predigttext: Jesaja 60, 1-5:

1Mach dich auf, werde licht!
Denn dein Licht kommt,
und die Herrlichkeit des Herrn ist aufgestrahlt über dir.
2Denn sieh, Finsternis bedeckt die Erde
und Wolkendunkel die Völker,
über dir aber wird der Herr aufstrahlen,
und seine Herrlichkeit wird erscheinen über dir.
3Und Nationen werden zu deinem Licht gehen
und Könige zu deinem strahlenden Lichtglanz.
4Blicke auf, ringsum, und sieh:
Alle haben sie sich versammelt,
sind zu dir gekommen.
Von ferne kommen deine Söhne,
und deine Töchter werden auf der Hüfte getragen.
5Dann wirst du es sehen und strahlen,
und dein Herz wird beben und sich öffnen,
denn die Schätze des Meeres wenden sich dir zu,
die Reichtümer der Nationen kommen zu dir.

Liebe Gemeinde!

Es wird kommen, hat es in den letzten Tagen geheißen. Und jetzt ist es anscheinend auch schon da: das Coronavirus in einer neuen Variante: Omikron.

Eine Botschaft in den Advent hinein, auf die gerne verzichten könnten. Ein Warten und Erwarten, das ganz anders ist als das adventliche: Angst, Sorge, die beklemmende Frage: wird jetzt alles wieder schlimmer, noch schlimmer, als es schon ist? Mehr Infektionen, mehr Kranke, mehr Tote, noch mehr Belastung für die in Krankenhäusern und auf der Intensivstation Beschäftigten? Noch strengere Schutzmaßnahmen, und dadurch vielleicht auch noch mehr an irrationalen und wissenschaftsleugnenden Protesten.

Schwierig, ja schlimm genug, wie es bereits ist. Schlimmer darf es nichtmehr werden, schon gar nicht für die, die an vorderster Front gegen das Virus und seine Folgen kämpfen.

Die Botschaft von Advent ist klassischer Weise eine vom Licht, gegen die gerade existierenden Dunkelheiten. Eine Botschaft von Hoffnung, von Veränderung zum Guten, vom Ende der Dunkelheit, von einer Zukunft, die herbeigesehnt wird, die aber im Glauben und Hoffen zur Realität wird. So auch beim Propheten Jesaja: zuerst die Zustandsanalyse: „Finsternis bedeckt die Erde und Wolkendunkel die Völker.“ So ist es. Unerfreulich genug. Aber, und das ist das große, unüberseh- und unüberhörbare „Aber“: das Licht kommt, über uns strahlt Gott auf, und dadurch werden wir licht, wird es hell in uns und durch uns.

Und dann zeichnet der Prophet eindrucksvolle Bilder, wie diese neue Zeit aussehen wird. Keine erhoffte neue Zeit, sondern eine, die schon angefangen hat, weil deren Vorzeichen unübersehbar sind. Berührt von diesem neuen Licht, neugierig gemacht auf das, was durch dieses Licht entstehen kommen, ja laufen Menschen zusammen, Völker, Nationen versammeln sich, Könige und Herrscher stehen nicht mehr in Konkurrenz zueinander, sondern werden plötzlich auch zu Empfangenden. „Dann wirst du es sehen und strahlen, und dein Herz wird beben und sich öffnen.“

Ein Bild aus der Zukunft, das in die Gegenwärt hineinreicht. Denn wenn Vieles von dem Gesagten erst kommen wird – allein dieses Bild vor Augen zu haben, macht die Gegenwart bereits zu einer anderen. Noch viel muss kommen, sich ändern, anders werden. Aber jetzt schon sind die Vorzeichen erkennbar. Das zeigt auch jetzt schon der Dunkelheit ihre Grenzen auf.

Auf dem Weg hin zum Licht, der Finsternis zum Trotz – das sind wir wieder und wieder im Advent. Dazu ist der Advent da, um uns wieder aufzubauen und zu stärken, und sensibel zu machen und offen, für alles, was von der Zukunft Gottes heute schon passiert.

Aber, wie schon gesagt: dieser Advent ist besonders. Nicht allein die Finsternis, die da ist, bedrückt uns. Sondern mehr noch, dass es in diesen schweren Zeiten noch dunkler werden könnte.

Was die Propheten unserer Bibel auszeichnet: sie sind keine Weltuntergangspropheten. Sie beschönigen aber auch nichts. Auch Jesaja kennt nicht nur lichte, tröstliche Bilder, sozusagen Stimmungsaufheller. Viele seiner Reden haben einen ganz anderen Tonfall: Unglück, Zerstörung, Vernichtung wird vorausgesagt. Als Konsequenz von irregeleitetem und falschem menschlichen Handeln. Nicht als unaufhaltbares Schicksal.

Aber auch in diesen Ankündigungen mach Jesaja immer wieder klar: Gott entgleitet nichts. Letztlich hält er die Zügel in der Hand, und wirklich auch nur er. Selbst wenn es also so ausschaut, als würde alles nur noch schlimmer und schlimmer werden: Gott weiß, wohin es geht. Auch wenn wir es nicht durchblicken. Auch wenn wir es schon gar nicht verstehen.

Trotzdem: Auch wenn wir gerade einmal das Gefühl haben, der Weg, den wir gehen, ist einer, auf dem es dunkler wird: auch über einer abendlich dunklen Straße hängen Straßenlaternen. Das Licht ist über uns aufgegangen. Gott ist da, bleibt da und geht mit.

So sieht unser Vertrauen aus. Und so wirken auch weiter die lichten Bilder und Vorstellungen, die wir uns jetzt wieder im Advent vor Augen halten. Die sind ein göttliches Geschenk. Und die kann uns niemand wegnehmen.
Amen.

Lied (Gemeinde und Erlöserkirche Gospel Choir Quartet): Evangelisches Gesangbuch 432, 1-3: Gott gab uns Atem
Gebet: 

Gott, Licht der Welt,
alle Dunkelheit unserer Welt bringen wir vor dich,
alle Dunkelheit in uns und um uns.
Alle Dunkelheiten, die wir in der Zukunft sehen.
Du allein hast die Macht, sie zu erleuchten und zu vertreiben.

Wir bringen vor dich,
was unsere Seele, unser Herz und unseren Verstand verdunkelt.

Wir bringen vor dich die dunklen Ecken unserer Erde,
wo Menschen gedemütigt, erniedrigt und gefoltert werden.

Wir bringen vor dich die Kinder
aus den Kriegsgebieten, aus den Flüchtlingslagern, aus den Slums.

Wir bringen vor dich die Völker,
die über Jahrzehnte keine Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben haben.

Wir bringen vor dich die Landstriche und Gewässer dieser Erde,
die wir Menschen verunreinigt und zerstört haben.

Wir bringen vor dich die Tiere,
die unter dem Lebensstil der Menschen leiden.

Wir vertrauen darauf, dass durch dich eine Zukunft kommt,
in der alle Dunkelheit, alle Angst und alle Todesfurcht vergangen ist.

Bis dahin lass uns Menschen begegnen, die leuchten,
und lass uns Menschen werden, die anderen leuchten.

Unser Vater im Himmel  …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 12, 1-4: Gott sei Dank durch alle Welt

1) Gott sei Dank durch alle Welt,
der sein Wort beständig hält
und der Sünder Trost und Rat
zu uns hergesendet hat.

2) Was der alten Väter Schar
höchster Wunsch und Sehnen war
und was sie geprophezeit,
ist erfüllt in Herrlichkeit.

3) Zions Hilf und Abrams Lohn,
Jakobs Heil, der Jungfrau Sohn,
Wunderbar, Rat, Kraft und Held
hat sich treulich eingestellt.

4) Sei willkommen o mein Heil!
Hosianna, o mein Teil!
Richte du auch eine Bahn
dir in meinem Herzen an.

Orgelnachspiel: Martin A. Seidl: