Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 14. Februar 2021
mit Pfr. Johannes Wittich


Orgelvorspiel: Martin Seidl: Vincent Lübeck (1654 – 1740): Toccata con Fuga
Spruch: Kol. 3,14:

Über all dem vergesst die Liebe nicht: Darin besteht das Band der Vollkommenheit.

Begrüßung:

Herzlich willkommen zum Gottesdienst – am Valentinstag! Er ist kein kirchliches Fest, schon gar nicht ein Fest unserer reformierten Kirche. Aber, so denke ich, trotzdem eine gute Gelegenheit, wieder einmal darüber nachzudenken, was „Liebe“ ist und ausmacht. Als, wir wissen es, eine gute Gabe Gottes.

So feiern wir Gottesdienst, verbunden in Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:

Du Gott, kennst uns und weißt,
was wir brauchen.
Im Licht deiner Wahrheit geben wir zu:
Achtlos lassen wir uns oft durch das Leben treiben
und versuchen, aus uns selbst das Glück zu erreichen.
Wir achten nicht auf deine Liebe,
die uns leben lässt.
Wir sehen nicht die Schönheit deiner Schöpfung
und unsere Verantwortung dafür.
Wir übersehen die Not der Menschen um uns.
Wir verlassen uns auf unsere eigene Kraft
und suchen dich viel zu wenig.
Guter Gott, du bist da, wo wir dich rufen.
Du schenkst uns deine Nähe und Weisung für unseren Weg.
So vertrauen wir uns dir an in diesem Gottesdienst.
Segne unser Beten, unser Reden und Hören.
Denn du bist unser Gott,
heute und alle Tage.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 286, 1-2: Singt, singt dem Herren neue Lieder

1) Singt, singt dem Herren neue Lieder, er ists allein, der Wunder tut.
Seht, seine Rechte sieget wieder, sein heilger Arm gibt Kraft und Mut.
Wo sind nun alle unsre Leiden? Der Herr schafft Ruh und Sicherheit;
er selber offenbart den Heiden sein Recht und seine Herrlichkeit
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2) Der Herr gedenkt an sein Erbarmen, und seine Wahrheit stehet fest;
er trägt sein Volk auf seinen Armen und hilft, wenn alles uns verlässt.
Bald schaut der ganze Kreis der Erde, wie unsers Gottes Huld erfreut.
Gott will, dass sie ein Eden werde; rühm, Erde, Gottes Herrlichkeit!

Predigttext: Röm. 12, 9-13:

9 Die Liebe sei ohne Heuchelei! Das Böse wollen wir verabscheuen, dem Guten hangen wir an.
10 In geschwisterlicher Liebe sind wir einander zugetan, in gegenseitiger Achtung kommen wir einander zuvor.
11 In der Hingabe zögern wir nicht, im Geist brennen wir, dem Herrn dienen wir.
12 In der Hoffnung freuen wir uns, in der Bedrängnis üben wir Geduld, am Gebet halten wir fest.
13 Um die Nöte der Heiligen kümmern wir uns, von der Gastfreundschaft lassen wir nicht ab.

Liebe Gemeinde!

Heute ist also Valentinstag. Üblicher Weise ist nicht das nicht zu übersehen, da schon Wochen vorher mit der Werbung für Valentinstag-Geschenke gemacht wird. Heuer geschah das, bedingt durch den Lockdown, etwas verhaltener.

Ähnlich wie Halloween ist der Valentinstag ein Brauch, der sich auf den britischen Inseln entwickelt hat und dann, erst in den letzten Jahrzehnten, seinen Weg über die USA nach Europa gefunden hat.
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Valentinstag also das Fest der Liebenden, der Verliebten, der Paare, in welcher Form auch immer sie zusammenleben. Wie viele andere Feste kritisiert für die Kommerzialisierung, die Geschäftemacherei. Allerdings auch seit einigen Jahren, vor allem in der katholischen Kirche, bewusst aufgenommen zum Entwickeln einer neuen, wieder zutiefst kirchlichen Tradition. So gibt es an diesem Tag in einigen Kirchen Gottesdienste mit einem Segen für Paare – heuer natürlich nicht.

Valentinstag-Gottesdienste haben also einen guten Grund: Schließlich ist „Liebe“ ein durch und durch christliches und biblisches Thema. Liebe in all ihrer Vielfalt: die Liebe Gottes zu uns; unsere Liebe für Gott und sein Wort; Liebe, Nächstenliebe, die Menschen zu einer Gemeinschaft verbindet, in der alle sich als Kinder Gottes erleben dürfen, und dann natürlich auch die Liebe zu meinem Partner, zu meiner Partnerin, in welcher „äußeren Form“ auch immer diese Zweisamkeit gelebt wird. Auch dazu gibt es ein ganzes Buch in der Bibel, das Hohelied, eine Sammlung erotischer Gedichte, die wohl ganz bewusst in unsere „Heilige Schrift“ aufgenommen worden ist. Gerade mit diesem Aspekt, überhaupt mit dem Thema „Sexualität“, hat man sich in der Geschichte des Christentums immer wieder schwer getan und tut man sich in manchen Kreisen auch heute noch schwer. Dabei ist das Hohelied so etwas wie das Kamasutra des Alten Testaments.

Das biblische Verständnis der Liebe so ist eben so vielfältig, das man es, in heutiger Sprache, vielleicht als das erste „ganzheitliche“ Modell des Menschen sehen kann. Ein Erstnehmen dessen, was alles an Gefühlen in mir entstehen kann, welche Emotionen zu mir dazugehören, auch welche emotionalen Bedürfnisse. Und das alles unter dem stärkenden, motivierenden und manchmal auch tröstlichem Aspekt: Gott hat dich so geschaffen. Er hat dich so gewollt. Du bist ein Abbild seiner Liebe.

Dass Gott, unser Schöpfer, so unendlich groß ist in den vielen Aspekten seiner Liebe, ist faszinierend. Die Vielfältigkeit dessen, was aus seiner Liebe entstanden heraus ist, macht es eigentlich dann auch unmöglich, zu kategorisieren und zu werten, wenn es um die Liebe geht. Z.B. in dem man einer Ausdrucksform dieser Gottesgabe den Vorzug gibt und eine andere dadurch abwertet.

Denn das geschieht auch durch den Valentinstag. Heute das Fest der Paare. Was ist aber mit den Menschen, die in keiner Beziehung leben? Haben die weniger von dem großen Geschenk der Liebe? Ganz sicher nicht!

Unsere findigen amerikanischen Freunde haben auch für dieses Problem eine Antwort gefunden: morgen, am 15. Februar, am Tag nach dem Valentinstag, wird seit einigen Jahren der „Single Awareness Day“, der „Ehrentag der Singles“ gefeiert, damit diese sich nicht zurück gesetzt fühlen, ihren Status als Single nicht als Manko empfinden, sondern eben auch als eigene, gute Lebensform. (Auf den entsprechenden Homepages wird dann mit einem Augenzwinkern dazu motiviert, die Vorteile des Single-Daseins bewusst zu feiern, z.B. dass man so lange wegbleiben kann, wie man will, ohne jemanden erklären zu müssen, wo man gewesen ist.)

„Die Liebe sei ohne Heuchelei,“ meint der Apostel Paulus. Ich lese da heraus: Liebe darf nichts Aufgesetztes, Erzwungenes und schon gar nicht Bewertendes haben. Auch die Liebe, die Nächstenliebe, die Erkennungsmerkmal des Christ- oder Christin-Seins ist. Schon spannend, dass Paulus das Böse als sozusagen Gegenspieler der Liebe sieht. „Das Böse wollen wir verabscheuen, dem Guten hangen wir an.“ Liebe also als der in uns drinsteckende „Reflex“, der und erkennen lässt, wo etwas falsch rennt. Dieses „das darf doch nicht wahr sein“-Gefühl, das uns kommt, wenn wir irgendwie eine Fehlentwicklung oder einen Missstand wahrnehmen. „Das darf doch nicht sein“ – wo wir Menschen doch ganz anders „programmiert“ sind durch unseren Schöpfer, der die Liebe selbst ist.

„In der Hingabe zögern wir nicht, im Geist brennen wir, dem Herrn dienen wir. In der Hoffnung freuen wir uns, in der Bedrängnis üben wir Geduld, am Gebet halten wir fest. Um die Nöte der Heiligen kümmern wir uns, von der Gastfreundschaft lassen wir nicht ab.“ So beschreibt Paulus weiter, was aus Liebe heraus alles entstehen kann. Ein Wortschwall, eine Lawine an Gedanken. Für mich klingt das wie: „Wer liebt, ist nicht aufzuhalten.“ Wer Liebe, die in uns hineingepflanzte Liebe ernst nimmt, sie zulässt, ihr folgt, der ist nicht zu bremsen. Der zögert nicht, der ist begeistert, der hofft, der freut sich, der hat Durchhaltevermögen, Geduld, vertraut dem Gebet, als Kraftquelle und Tankstelle des unerschöpflichen Vorrats an göttlicher Stärkung. Der ist empathisch, fühlt mit, nimmt wahr, übernimmt Verantwortung.

„We are unstopable“ – so hat die österreichische Eurovisions-Songcontest Gewinnerin Conchita Wurst seinerzeit auf ihren Sieg reagiert. Wir sind nicht aufzuhalten. Das, denke ich, will Paulus auch über die Menschen sagen, die sich von Gottes Liebe führen lassen. Gottes Liebe – einfach unwiderstehlich!

Amen.

Gebet:

Gott, unser Schöpfer und unser Retter,
wir danken dir, dass du uns nahe bist mit deiner Liebe
und uns dazu rufst, nach deiner Weisung zu leben.
So kommen wir zu dir und bitten dich:

Hilf uns verantwortlich umzugehen mit dem, was du uns gibst;
dass wir wahrnehmen, wie andere Menschen Not leiden;
dass wir anfangen, zu teilen und zu geben.

Wir bitten dich für alle Menschen,
die Hunger leiden,
und die hungern nach deinem Reich,
für alle, die ohne Obdach sind,
und die sich sehnen nach Geborgenheit in dir,
für alle, die in wirtschaftlicher und seelischer Not sind,
und die sich wünschen nach dem, was nur du geben kannst,
für alle, denen ihre Rechte vorenthalten werden,
und die hoffen auf deine Gerechtigkeit:
Lass sie deine Zuwendung erfahren
und lass uns Boten deiner Liebe sein.

Guter Gott, wir sehnen uns nach deinem Segen,
so hilf uns zu einem Leben in deiner Nachfolge,
und sei bei uns alle Tage bis an der Welt Ende.
Amen.

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Orgelnachspiel: Martin Seidl: Johann Caspar Ferdinand Fischer (1670-1746): Prealudium et Fuga ex g-Moll