Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 21. Februar 2021
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgelvorspiel: Juliane SchleehahnSpruch: Jh. 3,8b:Dazu ist der Sohn Gottes erschienen, dass er die Werke des Teufels zerstöre. Begrüßung:Ja, vieles ist „teuflisch“, vertrackt, mühsam, nicht in den Griff zu kriegen in unserem Leben. Das bindet Energie, nimmt uns Lebensfreude, macht uns müde und erschöpft. All dem dürfen und können wir unseren Glauben entgegenstellen. Unseren Glauben, dass mit Christus alles „Teuflische“ in die Schranken gewiesen wird. Mit jedem Gottesdienst bekennen wir das, lassen uns stärken und ermutigen. So feiern wir Gottesdienst, aufgebaut durch Gottes Kraft, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Psalm 91,1.3-6.11-12:1 Wer im Schutz des Höchsten wohnt, Gebet:Gütiger Gott, Lied: Evangelisches Gesangbuch 358, 1.3: Es kennt der Herr die Seinen1) Es kennt der Herr die Seinen und hat sie stets gekannt, 3) Er kennt sie als die Seinen an ihrer Hoffnung Mut, Predigttext: Mt. 26, 20-25:20 Am Abend saß er mit den Zwölfen bei Tisch. Liebe Gemeinde! Was wäre die Passionsgeschichte ohne Judas!. Mit Mittwoch letzter Woche, dem Aschermittwoch, hat die Passionszeit begonnen. Wir sind seither unterwegs Richtung Karfreitag und Ostern. Die damit verbundenen Berichte der Bibel, die Themen und Motive, sind vielfältig und vielschichtig. Manch ein Frage taucht in dieser Zeit auf, nach dem Sinn des Leidens Jesu, nach dem Plan Gottes hinter all den Ereignissen, nach Schuld und Sünde, von denen wir durch den Tod Christi frei werden. Glaubensfragen, theologische Fragen, aber auch solche nach dem, was im historischen Kontext damals passiert ist. Wir sind schockiert über die Grausamkeit von Herrschern und Herrschaftssysteme, über das Leiden eines Unschuldigen, über die Brutalität und den Sadismus, den Menschen „von nebenan“ entwickeln können. Und wissen, dass das Alles auch heute geschieht. Fragen, auf die wir Antworten suchen, auf Antworten hoffen. Im Lichte von Karfreitag und, vor allem, von Ostern, kann das möglich sein. Mit der Auferstehung, mit dem Glauben der ersten Zeuginnen und Zeugen, werden wir dann die Passionszeit hinter uns lassen. Zumindest für einen Moment – denn was am Ostersonntag beantwortet zu sei scheint, wird sich gleich wieder in neue Fragen verwandeln, weil Leid weiter existiert, weil Ungerechtigkeit nicht einfach verschwindet, weil uns Glaubenszweifel und Lebenskrisen beuteln, weil wir uns nicht lösen können von den Verstrickungen in die Dunkelheiten dieser Welt. Die Passionsgeschichten fordern auch uns heraus, wir kommen nicht umhin, beim Lesen und Hören auch persönlich Stellung zu beziehen, weil es ja konkrete Personen sind, die auftreten, mit ihrem jeweiligen Verhalten und ihrer jeweiligen Rolle, die sie spielen. Und eine dieser Personen ist eben Judas. Wie wären die Ereignisse verlaufen ohne Judas? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass Judas die Fehlentscheidung seines Lebens gefällt hat. Mit tragischen Folgen für ihn: bei Matthäus zerbricht er an seiner Schuld und begeht Selbstmord; laut Lukas, in der Apostelgeschichte, verunglückt er kurze Zeit nach dem Verrat tödlich. Und in den zwei Jahrtausenden, seitdem es Christinnen und Christen gibt, kriegt er regelmäßig seine „Watschen“ ab, wann immer von ihm die Rede ist. Wie wird jemand zum sprichwörtlich gewordenen „Judas“? Über die Motive des biblischen Judas für seinen „Verrat“ kann bis heute nur spekuliert werden. Manches deutet auf reine Geldgier hin – er wollte sich die 30 Silberlinge sichern. Sein Beiname „Ischariot“ haben manche mit den Sikariern, einer jüdischen Guerrilla-Organisation gegen die Römer in Verbindung gebracht. Diese haben versucht, mit Gewalt die Römer zu vertreiben. Als Judas, so die Theorie, gemerkt hat, dass Jesus zu einem Aufstand gegen die Römer nicht bereit sein würde, hat er aus Wut und Enttäuschung darüber ihn verraten. Noch spannender ist eine dritte Theorie: Judas glaubte, Jesus ausliefern zu müssen, um damit ein „Showdown“ zwischen ihm und seinen Gegnern zu provozieren. Im Glauben, dass Jesus, der Messias, siegreich aus diesem Konflikt austeigen, seine Stärke, seine Macht, seine Überlegenheit erst angesichts dieser Herausforderung zeigen würde. Wenn es so gewesen ist, dann erinnert mich Judas ein wenig an die heutigen „Corona-Kritiker“ und selbst ernannten „Querdenker“. Abgesehen von den echten Spinnern mit vollständig wirren Ideen unter diesen Menschen nehme ich einigen schon ab, dass sie grundsätzlich wirklich etwas Gutes wollen, wie die anscheinend gefährdete Demokratie und ihre Freiheitsrechte zu retten, Schaden von der Wirtschaft abzuwenden, die psychischen und zwischenmenschlichen Folgen des Lockdowns aufzuzeigen. Nur, das gut Gemeinte ist eben nicht immer gut, schon gar nicht, wenn Verschwörungstheoretiker sich des Themas bemächtigen, Neonazis auf den fahrenden Zug aufspringen und Demonstrationen zur Verbreitung genau desselben Virus führen, dessen Gefährlichkeit man in Frage stellt. Aber bevor wir hier anfangen, und besser und überlegen zu fühlen: vor dem „Judas-Syndrom“ sind wir alle nicht gefeit. Judas hat geglaubt, den Plan Gottes mit Jesus zu unterstützen und zu beschleunigen – und endet damit, ein Menschenleben auf dem Gewissen zu haben. Eine riesige Schuld, mit der er dann nicht mehr leben kann. Was ist sein Fehler: er glaubt, dass er das alles tun muss, damit Gott seine Sache durchziehen kann. Und überschätzt sich damit restlos. Wenn Gott etwas will, dann schafft er das auch selbst. Wenn Gott das Gute will, dann freut er sich, wenn wir das Gute tun. Aber wenn wir versuchen, selbst Gott zu spielen, dann geht das ordentlich schieft. Das Bekämpfen und Besiegen des „Teuflischen“, des Bösen in seinem Kern, das ist Sache Gottes. Wir sind keine „Gotteskrieger“ in einem apokalyptischen Kampf von Gut gegen Böse, wie es nicht nur islamische Fundamentalisten, sondern auch manche christlichen Splittergruppen glauben. Dieser vermeintliche Kampf ist bereits geschlagen und entschieden. Durch Gott selbst. Durch Christus, seinen Sohn. Dessen versichern wir uns wieder an Karfreitag und Ostern. Alles Entscheidende ist für uns schon geschehen. Für uns. Nichts kann uns mehr wirklich etwas anhaben. So gelassen dürfen wir leben. Amen. Gebet:Herr, Du kennst uns, Du kennst unsere Trauer, Darum bitten wir dich für alle, Wir bitten dich für alle, Sende dein Licht, Lass uns unserer Rettung gewiss sein, Unser Vater im Himmel … Segen:Gott sei vor dir, um dir einen guten Weg zu zeigen Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Preludium in a Moll von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
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