Gottesdienst aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 7. März 2021
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgelvorspiel: Juliane SchleehahnSpruch: 2. Kor. 4,5a:Denn nicht uns selbst verkündigen wir, sondern Jesus Christus als den Herrn. Begrüßung:In allem Nachdenken, Grübeln, Planen und Hoffen, in allen Wir richten unseren Blick nach vorne, rechnen nicht nur mit Gottes Hilfe, sondern wollen das sehen, was durch Christus schon da ist und auch immer wieder neu entsteht. Auf diesen Weg stellen wir uns gemeinsam, und wollen auch andere mitnehmen. Dazu lassen wir uns ermutigen und ermächtigen, wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Psalm 34, 16-21:16 Die Augen des Herrn sind bei den Gerechten Gebet:Herr, unser Gott, (nach Sebastian Kuhlmann) Lied: Evangelisches Gesangbuch 385, 1-3:1) “Mir nach”, spricht Christus, unser Held, 2) Ich bin das Licht, ich leucht euch für 3) Ich zeig euch das, was schädlich ist, Predigttext: Lk. 9, 57-62:57 Und als sie so ihres Weges zogen, sagte einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du auch gehst. Liebe Gemeinde! So kann man Begeisterung erfolgreich im Keim ersticken! Da wenden sich Menschen, Anhänger von Jesus an ihn, drücken ihre Bereitschaft aus, sich ihm ganz anzuschließen. Man merkt ihnen an, welcher Schwung in ihnen steckt, welcher Enthusiasmus: „Wir wollen dir folgen, wohin es auch immer geht; wir wollen dabei sein, wenn du das machst, wozu du gekommen bist; wir wollen an deiner Seite sein, wenn die Welt sich durch dich zu verändern beginnt. Und wo es möglich ist, wollen wir dir auch dabei helfen. Lass uns nur noch schnell die wichtigsten Dinge zu Hause regeln – dann kann es losgehen!“ Und Jesus? Der macht alles kaputt. Der setzt der Begeisterung einen Dämpfer auf, und zwar was für einen! „Du willst mir nachfolgen? Na, dann freu dich schon mal drauf, obdachlos zu werden! Du willst deinen gerade verstorbenen Vater beerdigen? Geh‘, wer braucht das schon! Du willst dich noch von deiner Familie verabschieden, bevor du mit mir losziehst? Na, dann lass es lieber gleich bleiben! „Niemand, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das Reich Gottes.“ Das ist der Anspruch Jesu. Klar und kompromisslos formuliert. Ich muss zugeben: als junger Mensch habe ich mit diesem Satz Jesu kein Problem gehabt. Ja, genau so muss sie sein, die christliche Existenz, habe ich mir gedacht: nach vorne gerichtet, ohne Ballast aus der Vergangenheit, ohne „Rucksack“, der einen belastet und bei jedem Schritt zu spüren ist. Auf in ein Leben, in eine Zukunft, die von diesem radikalen Geist Jesu geprägt ist. Die Faszination dieses Ansatzes, die besondere Freiheit, die mit ihm einhergeht, die spüre ich heute noch. Die Umsetzung, oder auch nur der Glaube, dass die Umsetzung möglich, ist schwerer geworden. Die „Risiken und Nebenwirkungen“ einer solchen Haltung schieben sich in den Vordergrund. Meine Eltern leben beide nicht mehr, und kann mir bei beim besten Willen nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, hätte ich keine Möglichkeit gehabt, von ihnen Abschied zu nehmen, ganz konkret auch bei der Beerdigung. Mein Umfeld, meine Freunde, die Beziehungen, in denen ich lebe, sind mir wichtiger geworden. Schließlich kommt man nicht mehr so viel herum wie noch in Studientagen und schließt nicht mehr bei jeder Gelegenheit neue Freundschaften. Hier einen radikalen Schnitt zu vollziehen, ohne Abschied, dass möchte ich auf keinen Fall. Und schließlich bin ich sesshafter und damit auch träge geworden; ohne einen Ort, an dem ich mich wirklich sicher und zu Hause fühle, möchte ich nicht mehr leben und es zieht mich auch nicht mehr in die weite Welt hinaus. Nicht nur, dass all das wichtiger geworden ist. In Zeiten von Corona ist sind genau diese Sicherheit und Stabilität unverzichtbar. Wie gut, dass wir alle sie grundsätzlich haben; und wie schlimm für die, die gerade jetzt darum kämpfen müssen. Nein, unsere Zeit jetzt ist keine für gewagte Aufbrüche. Trotzdem, wie gesagt: irgendwie schwingt die ursprüngliche Faszination des Satzes Jesu von der Hand am Pflug und dem bewusst nicht nach hinten gesetzten Blick zurück immer noch mit, wann immer ich ihn lese oder höre. Er bringt immer noch eine Saite in mir zum Klingen. Bewusst kein Blick zurück, auch jetzt, in diesen Zeiten? Ich denke, das hat was. Natürlich: wie gerne würden wir zur Normalität zurückkehren, zur früheren Normalität. So leben, wie wir vor einem Jahr gerade noch gelebt haben. Allerdings: Wollen wir das wirklich? Können wir nicht vielmehr jetzt schon sagen, immer noch mitten in der Pandemie, dass wir so viele Erfahrungen gemacht haben, so viel gelernt haben, dass es gar nicht mehr wieder so sein kann wie früher. Und zwar auch im positiven Sinn. Wir haben uns auf Wesentliches konzentrieren müssen, viele Dinge neu bewertet und zu schätzen gelernt, wir haben uns Gedanken machen müssen darüber, was wirklich wichtig ist, wir haben kreativ sein müssen und sind es noch jeden Tag, wir haben unseren Glauben und unser Gottvertrauen neu aufstellen müssen und tun auch das immer wieder, sowohl als Einzelpersonen, wie auch als Gemeinde. Aus dieser Erfahrung heraus kann es gar nicht mehr so werden, wie früher. Gewiss, manches kommt einfach wieder: Kontakte, Gemeinschaft, Reisen, kulinarischer wie kultureller Genuss. Ich bin aber ganz sicher: es wird alles eine neue Wertigkeit haben, sobald es wieder möglich ist. Und bis dahin? Bis dahin schauen wir nach vorne. Tat das ein Bauer in der Vergangenheit nicht, wenn er seinen Pflug von einem Ochsengespann über den Acker ziehen ließ, dann wurden die Ackerfurchen nicht gerade. Fokussiert, mit einem entschlossen Blick nach vorne, hat sich das beste Ergebnis erzielen lassen. Denn schließlich: was hinter uns liegt, dass wissen wir eh. Das Gute wie das Schlimme. Das ist da und verschwindet nicht einfach. Aber bewusst nach vorne geschaut, wird das Schlimme weniger schlimm und das Gute gibt uns Rückhalt und Rückenwind. Der Blick nach vorne, den brauchen wir. Natürlich auch Momente, in denen wir verschnaufen und Luft holen. Aber dann geht es wieder weiter. Im Vertrauen: Gott schenkt Zukunft. In diese Zukunft geht unser Blick. Amen. Gebet:Mut zu Entscheidungen, guter Gott; So bitten wir dich heute besonders für die, Wir bitten für die, die den Mut verloren haben, Wir bitten für die, die sich vor dem Leben zurückziehen, Für uns alle bitten wir, guter Gott: Segne uns, Gott, wenn wir jetzt beten, wie schon dein Sohn gebetet hat:. (nach Rita Lischewski) Unser Vater im Himmel … Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Klaviernachspiel: Juliane Schleehahn: Nr 21 aus “Album für die Jugend” op. 68 von Robert Schumann (1810 – 1856)
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