Foto: Ulrike Wittich

 

 

 

Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 12. September 2021
mit Pfr. Johannes Wittich mit AM und Schulanfangssegen


Präludium: Martin A. Seidl: Aus meines Herzens Grunde von Johann Christoph Bach (1642 – 1703)
Lied: Evangelisches Gesangbuch 43, 1 – 2: Aus meines Herzens Grunde

1) Aus meines Herzens Grunde
sag ich dir Lob und Dank
in dieser Morgenstunde,
dazu mein Leben lang,
dir, Gott, in deinem Thron,
zu Lob und Preis und Ehren
durch Christus, unsern Herren,
dein eingebornen Sohn,

2) dass du mich hast aus Gnaden
in der vergangnen Nacht
vor G’fahr und allem Schaden
behütet und bewacht.
Demütig bitt ich dich,
wollst mir mein Sünd vergeben,
womit in diesem Leben
ich hab erzürnet dich.

Spruch: 1. Petr. 5,7:

All eure Sorge werft auf ihn, denn er kümmert sich um euch.

Begrüßung:

Sorgen – davon gibt es im Moment reichlich. Die Infektionszahlen steigen wieder dramatisch an. Wir erleben Ratlosigkeit und auch Angst. Und hören, dass das alles bei Gott seinen Platz hat. Er will sich um uns und um das, was uns beschäftigt, kümmern.

Ein befreiendes Angebot. Doch dazu braucht es eine gehörige Portion Vertrauen. Das dürfen wir tun: Glauben und vertrauen, dass Gott für uns sorgen will.

Darum feiern wir Gottesdienst, gemeinsam, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Gebet:

Guter Gott,
so sind wir,
manchmal beladen und sorgenschwer,
dann wieder leichtsinnig und übermütig.
In guten wie in bösen Zeiten stehst du uns zur Seite
und willst in uns und durch uns wirken.
Dass wir das nicht vergessen
und darauf vertrauen lernen,
dass du über unsere Zweifel erhaben ist,
darum bitten wir.
So können wir Sorgen loslassen,
eine Weile nicht daran denken
weil wir wissen,
dass wir sie nicht alleine tragen müssen –
weil du für deine Schöpfung Sorge trägst!
Hilf uns, dein Angebot nicht zu überhören
Und dir ganz zu vertrauen.
Amen.

(nach Cristina Blázquez)

Lesung: Ps. 127, 1 und 2:

Wenn nicht der Herr das Haus baut,
mühen sich umsonst, die daran bauen;
wenn nicht der Herr die Stadt behütet,
wacht der Hüter umsonst.
2Umsonst ist es, dass ihr früh aufsteht
und spät euch niedersetzt,
dass ihr Brot der Mühsal esst.
Dem Seinen gibt er es im Schlaf.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 636, 1 – 4: Selig seid ihr
Predigt: 1. Buch Mose, 8, 4 – 12

4 Im siebten Monat, am siebzehnten Tag des Monats, setzte die Arche auf den Bergen von Ararat auf. 5 Und das Wasser nahm weiter ab bis zum zehnten Monat. Im zehnten Monat, am ersten des Monats, wurden die Spitzen der Berge sichtbar. 6 Und nach vierzig Tagen öffnete Noah das Fenster der Arche, das er gemacht hatte, 7 und liess einen Raben hinaus. Der flog hin und her, bis das Wasser auf der Erde weggetrocknet war. 8 Dann liess er eine Taube hinaus, um zu sehen, ob sich das Wasser vom Erdboden verlaufen hätte. 9 Aber die Taube fand keinen Ort, wo ihre Füsse ruhen konnten, so kehrte sie zu ihm in die Arche zurück, denn noch war Wasser überall auf der Erde. Da streckte er seine Hand aus, fasste sie und nahm sie zu sich in die Arche. 10 Hierauf wartete er noch weitere sieben Tage, dann liess er die Taube wieder aus der Arche. 11 Und die Taube kam um die Abendzeit zu ihm zurück, und sieh da, sie hatte ein frisches Ölblatt in ihrem Schnabel. Da wusste Noah, dass sich das Wasser von der Erde verlaufen hatte. 12 Hierauf wartete er noch weitere sieben Tage, dann liess er die Taube hinaus, und sie kehrte nicht mehr zu ihm zurück.

Liebe Gemeinde!

Was für eine beklemmende Situation! Die Regengüsse der Sintflut sind vorbei – doch gleichzeitig steht noch überall das Wasser. Die Arche steckt fest auf dem Gipfel des Berges Ararat – aber ob das hält, ist fraglich. Die Luken des riesigen Schiffs können schon wieder geöffnet werden, aber auch nur, um einen Raben und eine Taube als Kundschafter fliegen zu lassen. Selbst wagt Noah sich noch nicht hinaus.

Ich stelle mir das extrem nervenaufreibend vor. Auch wenn offensichtlich das Schlimmste vorbei ist – sicher ist es da draußen, jenseits der Wände der schützenden Arche, noch lange nicht. Wird das Wasser sich zurückziehen, wird das überflutete Land wieder bewohnbar sein? Und wann wird das geschehen? So sitzen Noah und seine Familie fest in dem riesigen Holzkasten. Diese hat ihnen Geborgenheit geschenkt und tut es immer noch. Aber gleichzeitig hat er ihnen auch ihrer Freiheit genommen. Die Arche ist zum Gefängnis geworden. Und niemand weiß, wann die Zeit in ihr vorbei sein wird. Es geht nicht nur darum, wieder raus zu wollen. Es geht um mehr: um den richtigen Zeitpunkt, die Arche zu verlassen. Wann ist er da, dieser richtige Moment, in dem man die enge, aber sichere Arche ohne Gefahr gegen eine neue Freiheit draußen eintauschen lässt?

Denn wie die Welt da draußen ist, weiß Noah nicht. Er will das herausfinden; seine Geduld wird dabei aber ordentlich auf die Probe gestellt. Er weiß um seine Verantwortung, für Menschen, wie für Tiere. Zu früh die Arche zu verlassen, ist lebensgefährlich – zu lange zu warten wiederum eine sinnlose Quälerei aller Betroffenen.

Ich finde, die Situation des Noah ist unserer augenblicklichen sehr ähnlich. Die allerschlimmsten ersten Wellen der Pandemie haben wir hinter uns, es ist viel an Erfahrung gesammelt worden, es gibt Strategien zur Bekämpfung, die uns am Anfang noch gefehlt habe, nicht zuletzt die Impfung. Und gleichzeitig sitzen wir wie Noah in der Arche und wissen: vorbei ist das Ganze noch lange nicht. Und als Gemeinde haben wir uns in den letzten Monaten immer wieder die Frage gestellt: wie weit dürfen wir gehen, hin zur neuen Normalität – und wo ist es eindeutig noch zu früh und somit auch gefährlich. Wo bleiben wir lieber auf der sicheren Seite, auch wenn das bedeutet, dass wir auf Vieles, und auch viel Wichtiges in unserem Gemeindeleben verzichten müssen? Und wo wagen wir doch wieder etwas „Normalität“, weil es wichtig ist für unsere Gemeinschaft, vorsichtig und verantwortungsbewusst, aber auch mit Gottvertrauen.

Seit letzten Sonntag haben wir wieder unser Gemeindekaffee. Eine Gemeinde, gerade eine wie die unsrige, braucht das gemeinsame Essen und Trinken, das Plaudern und Diskutieren, den Austausch, das Zuhören, das gegenseitige Trösten und Unterstützen. Im Gottesdienst selbst, sozusagen als Destillat all dessen, wird das im Feiern des Abendmahls sichtbar, spürbar, schmeckbar. Wir brauchen einander, und wir brauchen gemeinsam Gott – das wird im Abendmahl deutlich.

Wissen Sie, wisst ihr, wann wir das letzte Mal gemeinsam Abendmahl gefeiert haben? Also ich als Pfarrer und die Gemeinde hier in der Kirche? Es war am 13. Oktober 2019, am Sonntag, bevor ich dann auf Kur gefahren bin, also vor fast zwei Jahren. Danach war für den 8. März 2020 ein Abendmahlsgottesdienst geplant – den wir unter Rücksicht auf die Unsicherheit in Hinblick auf die zu erwartende Pandemie mit Gedanken über das Abendmahl, aber ohne Brot und Wein gefeiert haben. Wenige Tage später kam dann der erste Lockdown, oder, um im biblischen Bild zu bleiben, der Rückzug in die verrammelte und verklebte Arche.

In dieser kämpft also Noah gerade mit seinen Ängsten, Sorgen, Unsicherheiten, mit dem nur verschwommen erahnbaren Blick auf die Zukunft. Wo es uns so geht wie ihm, haben wir dank Christus ein starkes Trost- und Hoffnungszeichen im Feiern des Abendmahls.

Vorsichtig und dadurch anders als sonst, wollen wir heute Abendmahl feiern. In unsicheren Zeiten rücken wir zusammen und suchen die Nähe Gottes. Um wieder einmal erstaunt festzustellen: er ist schon da. Er sorgt für uns.

Mehr Sicherheit kann es nicht geben.

Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 585, 1 – 3: Komm, wir teilen das Brot
Abendmahlsfeier: 

Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ (Jh. 6,35)

Gebet: 

Dank sei dir,
ewiger Gott,
dass du uns eingeladen hast zu deinem Mahl.
Du stärkst uns durch Brot und Wein.
Du lässt uns Gemeinschaft erleben und Kraft schöpfen.
Du machst das Unmögliche möglich
und kommst uns nah in Brot und Wein.

So wollen wir darauf vertrauen,
dass dir keine Sorge zu groß
und kein Glaube zu klein ist.

Wir denken an alle,
deren Vertrauen ins Leben so erschüttert ist,
dass Angst den Alltag bestimmt.
So viele Menschen auf Erden sind traumatisiert
durch die Erfahrung von Terror, Flucht oder Krieg.
Wir bitten dich: Hilf ihnen, dass ihre Last leichter werden kann!

Wir denken an Menschen weltweit,
die unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden,
weil sie krank sind, einen lieben Menschen verloren haben,
in Sorge um die Gesundheit Angehöriger sind.
Wir bitten dich: Schenke Zuversicht und lass die Hoffnung nicht erlöschen.

Wir denken an alle,
deren Aufgabe es ist, für Ordnung zu sorgen,
Leben zu schützen und Sicherheit zu gewährleisten.
Hilf du, dass sie ihre Aufgabe verantwortungsvoll ausüben,
Vertrauen und Respekt verdienen und bekommen.
Wir bitten dich: Schenke Anstand und Achtung,
Dankbarkeit und ein gesegnetes Miteinander.

Wir denken an alle,
die den Mut haben,
sich für eine gerechtere und bessere Welt einzusetzen
mit ihrer Fürsprache, ihrer Lebensweise, ihrem Mitdenken.
Wir bitten dich: Stärke sie in ihrem Vertrauen und schenke ihnen Mut.

Bleibe bei uns, guter Gott,
halte uns aus und hilf uns, auszuhalten.

(nach Cristina Blázquez)

Wir beten gemeinsam:

Unser Vater im Himmel  …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 328, 1 – 3: Dir, dir, Höchster will ich singen

1) Dir, dir, o Höchster, will ich singen,
denn wo ist doch ein solcher Gott wie du?
Dir will ich meine Lieder bringen;
ach gib mir deines Geistes Kraft dazu,
dass ich es tu im Namen Jesu Christ,
so wie es dir durch ihn gefällig ist.

2) Zieh mich, o Vater, zu dem Sohne,
damit dein Sohn mich wieder zieh zu dir;
dein Geist in meinem Herzen wohne
und meine Sinne und Verstand regier,
dass ich den Frieden Gottes schmeck und fühl
und dir darob im Herzen sing und spiel.

3) Verleih mir, Höchster, solche Güte,
so wird gewiss mein Singen recht getan;
so klingt es schön in meinem Liede,
und ich bet dich im Geist und Wahrheit an;
so hebt dein Geist mein Herz zu dir empor,
dass ich dir Psalmen sing im höhern Chor.

Postludium: Martin A. Seidl, Canzone von J. K. Kerll (1627 – 1693)