Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 13. September 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
OrgelmusikSpruch: Jeremia 32,17:Ach, Herr, Herr, sieh, du hast den Himmel und die Erde gemacht Himmel und Erde, mit all ihren Schönheiten, verdanken wir der Kraft Gottes. Dieses Wunder ist oft nicht zu fassen, aber gleichzeitig auch ein wichtiges Zeichen, aus dem unser Glauben schöpft. Gott, der so groß ist, dass er alles um uns herum erschaffen konnte, der kümmert sich auch um seine Schöpfung. Um den Teil der Schöpfung, der ihm am Wichtigsten ist, nämlich um uns Menschen. Reich beschenkt durch die Fülle der Schöpfung Gottes kommen wir in den Gottesdienst. Sind dankbar, aber gleichzeitig auch besorgt über alles, was dieser Schöpfung und ihren Geschöpfen schaden zufügt. Wir können unsere Sorgen mit Gott teilen, und auch miteinander als betroffene Menschen. Und uns trösten lassen und ermutigen, unseren Beitrag zu leisten, dass das Gute von Gottes Schöpfung geschützt und bewahrt wird. Dies alles im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gebet: Psalm 19, 2-12:2 Der Himmel erzählt die Herrlichkeit Gottes, Lied: Evangelisches Gesangbuch, 603: Die Herrlichkeit des Herrn (Kanon, gesungen mit Maske!)Die Herrlichkeit des Herrn bleibe ewiglich, Predigt: 1. Petrus 2, 1-91 Abgelegt habt ihr nun alle Bosheit, alle Arglist, Heuchelei und Missgunst und alle üble Nachrede. Liebe Gemeinde! Wir kennen es, dieses Bild aus dem 1. Petrusbrief, das so schön darstellt, was die Kirche ist: ein geistliches Gebäude, aufgebaut durch lebendige, inspirierte Menschen. Wir kennen aber auch die Meinung, dass es diese Kirche gar nicht braucht, weder das Gebäude, noch die Gemeinschaft. Gott begegnen könne man auch ganz allein, auf sich selbst konzentriert, jeder und jede auf seinem oder ihrem spirituellen Weg, in Stille und Meditation, dadurch, dass man ganz bewusst die nur ablenkenden Mitmenschen einmal auf Distanz hält. Oder Gott sei ausreichend in der Natur zu finden, im „Dom des Waldes“, der jeden Kirchenraum ersetzt. Ein katholischer Kollege, manche kennen das Zitat, hat auf eine solche Äußerung einmal geantwortet: „Dann lassn’S halt ihr Kind auch vom Oberförster taufen.” Ein kritischer Umgang mit dem, was Kirche ist, ist gut und sinnvoll. Besonders dann, wenn es mal wieder in ihr besonders „menschelt“. Da ist ganz genau darauf zu schauen, ob das menschliche Werkeln möglicherweise sogar dem geistlichen Ziel eines lebendigen Gebäudes entgegensteht. Aber gegen die pauschale Einschätzung, es brauche keine Kirche, möchte ich mich schon ein wenig zur Wehr setzen. Das wollen wir wahrscheinlich alle hier, weil wir ja ganz konkret, als Teil dieser Erlöserkirche, wissen, was uns diese Kirche bedeutet und warum wir nicht darauf verzichten wollen: weil sie sie ein Stück Heimat ist, ein sicherer Ort in den Stürmen des Lebens, und auch ein „Stützpunkt“, von dem aus wir gemeinsam überlegen, wo und wie wir unseren Beitrag zu einer besseren und gerechteren Welt leisten können und von dem aus wir uns dann auch engagieren. Mit den zwei genannten kritischen Zugängen zu „Kirche“ tun wir uns als Reformierte besonders schwer: zum einen ist es nicht nur typisch reformiert, sondern typisch reformatorisch, Gottes Wort als ausschließliche Quelle des Glaubens zu sehen. Damit kommt dann eben die Natur als Ort der göttliche Offenbarung nicht mehr wirklich in Frage. Selbst wenn man sich von der Natur im Erkennen von Gott helfen lässt, was in der Bibel ja immer wieder geschieht – wir haben ja am Beginn des Gottesdienstes den Psalm 17 gelesen – das Entscheidende über Gott erfahren wir in seinem Wort. Seine Zuwendung zu uns, seine Liebe, sein Angebot der Erlösung und Freiheit. Das können wir aus der Natur nicht ableiten, aus der Natur, die ja manchmal auch grausam und brutal sein kann. Auch im Psalm 17, nach dem Staunen über die Zeichen der Macht Gottes in der Natur, kommen dann die Gebote Gottes in Spiel, Ausdruck seines Willens, wie es unter seinen Menschen zugehen soll, Worte, klare und manchmal harte, herausfordernde Worte, die es eben auch braucht. Damit wird auch klar, warum es auch nicht reicht, zu Gott einen Draht aufzubauen und dabei die Mitmenschen außen acht zu lassen. Glaube führt uns aufeinander zu, lässt uns danach fragen, wie gutes Zusammenleben gelingen kann, wo wir Verantwortung füreinander haben, für all die anderen, die auch Gottes Geschöpfe sind. Da ist es auch nicht die Natur, die uns zusagt: ihr könnt das, ihr seid befähigt, ihr habt den Geist Gottes! „Natürlich“ ist eher die Erfahrung von Angst und Versagen. „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk, das Volk, das er sich zu eigen machte,“ – das ist nichts, was uns ein Baum oder ein Stein oder ein lauschiges Bächlein sagen kann. Das kann nur Gott allein – und ist dadurch auch so viel wert. Und der Ort, wo das gesagt wird, ist nun eben die Kirche. Das, und noch viel Anderes, was wir brauchen und was uns gut tut. Das merken auch Menschen, die eigentlich ganz und gar nicht „kirchlich“ sind. Zum Beispiel der Wiener Kabarettist Michael Niavarani. In einem Buch erzählt er davon, wie das war, als sein persischer Vater gestorben ist und die Familie sich überlegen musste, wie die Trauerfeier sein solle. Die persische Verwandtschaft besteht auf einem Begräbnis nach islamischem Ritus. Die österreichische Witwe wehrt sich dagegen, schließlich sei der Papa Atheist gewesen. Worauf sich Sohn Michael einmischt und meint: Das stimmt nicht. Der Papa sagte oft: „Irgendetwas gibt es da oben!“ Michael Niavarani schreibt dann weiter: „Irgendetwas gibt es da oben! – Das war seine Religion, das war sein fester Glaube.“ Um dann festzustellen: „Aber wie sieht eine Trauerzeremonie nach diesem doch etwas vagem Ritus aus? Warum gibt es keine beruhigenden Rituale für solche Fälle?“ Er schließt mit der Erkenntnis: „Man müsste eine neue Kirche gründen, die ‚Irgendetwas-gibt-es-da-oben-Kirche“, mit eigenen Feiertagen und Riten.” Ich meine dazu: Man muss keine neue Kirche gründen. Die, die schon da ist, ist gut genug. Und das schöne ist: die Kirche, das sind wir! Amen. Gebet: Guter Gott,du bist unter uns und wir dürfen dich voller Vertrauen bitten: Für alle Menschen, die die Hoffnung verlernt haben, die hart geworden sind in den Enttäuschungen ihres Lebens. Für alle Menschen, die das Danken verlernt haben, weil sie alles Gute in ihrem Leben für selbstverständlich halten. Für alle Menschen, die in Trauer und Leid, durch Katastrophen und Krankheit die Freude verloren haben. Für alle Menschen, die sich gegenüber deiner Liebe verschlossen haben, weil sie sich von dir im Stich gelassen fühlen. Für alle Menschen, die nach Freiheit hungern, die ihren Glauben zu dir nur im Geheimen und unter Gefahren bekennen können. Für alle Menschen, die nach Gemeinschaft hungern, die unter Einsamkeit leiden und denen niemand zuhört. Wir bitten dich für uns: Mache uns offen für deine Liebe. Schenke uns Mut und Vertrauen, dass wir uns immer wieder neu dir vertrauen können. Amen. Unser Vater im Himmel … Kollekte:
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