Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 17. Mai 2020
mit Pfr. Johannes Wittich.
Wiedereröffnung der Kirche nach der COVID-19-bedingten Schließung


Orgelvorspiel
Lukas 21,33: 

Jesus Christus sprich: Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.

Begrüßung:

Was gibt Halt, was gibt Sicherheit? Nicht nur in turbulenten Zeiten, sondern auch in den alltäglichen Dingen? Wenn wir unser Leben planen, Ziele haben, etwas erreichen wollen?

So etwas wie eine „Erfolgsgarantie“ im Leben, für alles, was wir uns vornehmen, gibt es nicht – wir wissen es. Aber es gibt eine Basis, auf der all unser Planen und Handeln aufbauen kann: Gottes Wort, seine Zusage: Ich bin da. Getragen von diesem Glauben feiern wir Gottesdienst, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Gebet: Guter Gott!

In uns liegt Gutes und Böses,
Mitgefühl und Ablehnung,
Freundschaft und Hass.
So oft entscheiden wir uns für das Falsche,
wenn es um unsere Mitmenschen geht.
Wir wenden uns ab,
anstatt im Gegenüber dein Ebenbild zu sehen.
Vergib uns, wo immer das passiert.
Du bist da, Gott,
hast deinen Sohn in die Welt gesandt,
deinen Geist in uns hinein gelegt.
Das macht es möglich,
zu den Menschen zu werden,
die wir sein sollten,
so, wie du dir uns vorgestellt hast.
Mach uns immer wieder neu,
damit auch andere durch uns neu werden können,
die Welt mehr zur Welt nach deinem Willen wird.
Segne uns, die wir jetzt gemeinsam feiern,
nah und fern.
Mach du diesen Moment
zu einem Augenblick in deiner Gegenwart.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 643, 1-3: Wo ein Mensch Vertrauen gibt

1) Wo ein Mensch Vertrauen gibt,
nicht nur an sich selber denkt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.

2) Wo ein Mensch den andern sieht,
nicht nur sich und seine Welt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.

3) Wo ein Mensch sich selbst verschenkt
und den alten Weg verlässt,
fällt ein Tropfen von dem Regen,
der aus Wüsten Gärten macht.

(Text: Hans-Jürgen Netz 1975 / Melodie: Fritz Baltruweit 1977)

Sprüche 4, 1-9:

1 Hört, ihr Söhne, auf die Unterweisung durch den Vater, und gebt acht, damit ihr lernt, verständig zu sein,
2 denn ich habe euch gute Lehre gegeben. Lasst meine Weisung nicht ausser acht.
3 Da ich als Sohn bei meinem Vater war, als zartes und einziges Kind bei meiner Mutter,
4 da lehrte er mich und sprach zu mir: Dein Herz nehme meine Worte auf. Halte meine Gebote, so wirst du leben.
5 Erwirb Weisheit, erwirb Verstand; vergiss sie nicht und weiche nicht ab von den Worten meines Mundes.
6 Verlasse sie nicht, und sie wird dich beschützen, liebe sie, und sie wird dich behüten.
7 Der Anfang der Weisheit ist: Erwirb Weisheit, und erwirb Verstand mit deinem ganzen Besitz.
8 Halte sie hoch, und sie wird dich erhöhen, sie bringt dich zu Ehren, wenn du sie umarmst.
9 Sie legt einen schönen Kranz auf dein Haupt, eine prächtige Krone schenkt sie dir.

Morgen beginnt sie also wieder, die Schule. Zumindest für die ersten acht Schulstufen. Mit Einschränkungen, aber doch. So wie überhaupt in den letzten zwei Wochen unter ganz neuen Rahmenbedingungen gelehrt und gelernt werden musste.

Wie es der Zufall so will, war für den heutigen Sonntage ein Gottesdienst, gestaltet von den Jugendlichen, geplant gewesen. Unter den augenblicklichen Auflagen ist dieser nicht möglich. Schade – den diese Gottesdienste geben uns Älteren ja immer wieder eine gute Möglichkeit, etwas über die Lebenswelt jüngerer Menschen zu erfahren. Gerade jetzt hätten sie sicher viel zu erzählen gehabt.

Ein wenig Einblick bekommen wir aber auch durch den Comic, den wir heute auf dem Liedblatt finden. Ein Nachdenken darüber, wie wir erfolgreich sein können.

Werfen wir einen Blick darauf:

Wenn es mal so einfach wäre, denkt sich die kleine Mina: du lernst – und bist erfolgreich. Du bist faul – und die guten Noten bleiben aus. Ganz offensichtlich muss es da auch noch eine dritte Möglichkeit geben. Nicht nur eine dritte, sondern viele mehr. Denn wir wissen alle: Erfolg hängt von viel mehr Faktoren ab, als nur dem Fleiß. Trotzdem: immer wieder wird das suggeriert. In der Schule haben wir das selbst erlebt; und weiteren Leben haben wir es auch immer wieder gemerkt. Es gibt keine Sicherheit, dass das, was wir beginnen, auch zum Erfolg führt. Selbst dann, wenn wir alles tun, was in unserer Macht steht.

Grund zu resignieren? In der Bibel gibt es ein Buch, dass sie eigentlich nur mit diesem Thema beschäftig: das Buch der Sprüche oder Sprichwörter. Wie können wir das Leben durchschauen, die versteckten Muster, die zu erkennen zum Erfolg führen können? Das Buch der Sprüche versucht eine Antwort zu geben, und sammelt Gedanken um Gedanken, Regel um Regel, nach denen das Leben zu gestalten ist. Das Alles ist getragen von einem Gedanken: richtiges Verhalten führt zum Erfolg, falsches zum Scheitern. Wobei das Buch der Sprüche zugeben muss. Zunächst einmal schaut es oft nicht so aus: das geht bei den Guten nichts weiter, und die Miesen kommen mit ihren Tricks durch. Aber, so das Buch der Sprüche: irgendwann einmal, fällt alles wieder auf einen zurück, das Gute, wie das Schlechte.

Spätere Bücher der Bibel haben diesen Gedanken aufgenommen und ihn sehr kritisch durchleuchtet. Zugegeben: manchmal ist es auch nicht so, und wir wissen auch nicht warum. Der Abschnitt aber, den ich vorgelesen habe, ist noch diesem Vertrauen in die, so kann man sagen, göttliche Ordnung und Gerechtigkeit geprägt.

Es ist der Rückblick auf die Jugend des Verfassers. Auf das, was ihm der Vater beigebracht hat: Nimm ernst, was ich dir sage. Suche nach Weisheit, wo du sie finden kannst. Schau, dass du deinen Verstand und deine Einsicht vermehrst. Sie ist dein größter Besitz. Sie ist dein Erfolgsrezept. Halte die Weisheit hoch, und sie wird dich beschützen. Mehr noch: sie wird dir Anerkennung bringen, Respekt verschaffen, als schöner Kranz auf deinem Haupt, als prächtige Krone auf deinem Kopf.

Ist das wirklich so? Diese Gedanken sind, wie gesagt, in anderen Büchern unserer Bibel weiterentwickelt worden, und auch der Skepsis wurde Raum gegeben. Eine Skepsis, die dann im Buch des Predigers zu einer wunderbaren Erkenntnis geführt hat:

10 Ich sah, was Gott den Menschen zu tun überlassen hat.
11 Alles hat er so gemacht, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die ferne Zeit hat er den Menschen ins Herz gelegt, nur dass der Mensch das Werk, das Gott gemacht hat, nicht von Anfang bis Ende begreifen kann.
12 Ich erkannte, dass sie (die Menschen) nichts Besseres zustande bringen, als sich zu freuen und Gutes zu tun im Leben.
13 Und wenn irgendein Mensch bei all seiner Mühe isst und trinkt und Gutes geniesst, ist auch dies ein Geschenk Gottes.

Letztlich ist das Leben nicht zu durchschauen. Aber Gott weiß, warum es geht. Hat den Überblick und den Durchblick. Dadurch müssen wir ihn nicht immer haben. Können, wie der Prediger sagt, essen, trinken, das Leben genießen, und genau das als Antwort Gottes auf unsere Fragen verstehen: das ist mein Geschenk an euch, ihr, meine Menschen.

„Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen“, hat es am Beginn des Gottesdienstes geheißen. Wie gut, dass es so ist. Amen.

Gedenken an Regierungsrat Ing. Harald Hemmer, verstorben mit 94 Jahren:

Harald Hemmer war 7 Amtsperioden lang, also 42 Jahre Presbyter unserer Gemeinde, danach noch eine Amtsperiode lang Gemeindevertreter. Darüber hinaus war er von 1965 bis 1999, also 34 Jahre lang, Schriftführer unserer Gemeindegremien. Wir sind dankbar für seinen enormen Einsatz zum Wohle unserer Gemeinschaft und wissen ihn in der Hand Gottes gehalten.

Gebet: Guter Gott des Himmels und der Erde!

Wir bitten dich für diese Welt
und ihre Menschen.
Für alle, die in sich selbst gefangen sind:
um Türen, die sich öffnen.
Für die Trauernden bitten wir
um Trost und neue Hoffnung.
Für die Enttäuschten und Verzagten bitten wir
um neuen Mut.
Für alle, die in ihrem Glauben irregeworden sind,
bitten wir um Überwindung des Zweifels.
Für die Belasteten und Beladenen bitten wir
um Menschen mit Zeit und offenen Ohren.
Für alle, die ihre Heimat verlassen mussten,
vertrieben und geflohen,
bitten wir um neue Ziele und hilfreiche Hände.
Für diejenigen, die im Dienst der Verkündigung des Evangeliums stehen,
bitten wir um deinen Heiligen Geist,
dass sie die Botschaft mit Freude ausrichten
und die Herzen der Menschen erreichen.
Wir bitten dich für Eltern und Lehrerinnen und Lehrer,
dass sie Kindern und Jugendlichen, die ihnen anvertraut sind,
mit Liebe und Gelassenheit begegnen
und ihnen Wege zur Freiheit eröffnen.
Für die Mächtigen und Einflussreichen bitten wir
um Klarsicht und Mäßigung,
dass sie ihre Möglichkeiten nicht missbrauchen,
sondern tun, was den Menschen dient.
Wir bitten dich für uns alle um Segen und Frieden.

(Uwe Kühneweg)

Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Orgelnachspiel: Martin Seidl: Nicolaus Bruhns (1665 – 1697), Praeludium et Fuga in g