Foto. Ulrike Wittich

 

 

Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten,
2. August 2020
mit Pfr. Johannes Wittich


Orgelvorspiel: Martin Seidl: Johann Krieger: Toccata
Spruch: Epheser 5, 8b – 9:

Lebt als Kinder des Lichts – das Licht bringt nichts als Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.

Begrüßung:

„Kinder des Lichts“ zu Sein ist nicht schwer – an sonnigen Tagen, wie
wir sie zuletzt hatten. Schön, den Sommer genießen zu können. Sonnenlicht ist auch ein Stimmungsaufheller. Gut, wenn das im Sommer gelingt, gerade auch wenn wir urlaubsbedingt ein bisschen mehr an Freiheit genießen können.

„Kinder des Lichts“ nennt uns der Epheserbrief. Das ist mehr, als nur ein sonniges Gemüt zu sein oder zu haben. Unsere „hellen Momente“ sollen sich auswirken, auf unser Denken und Handeln.

Darum ist es gut, sich wieder ein bisschen Licht in der Gegenwart Gottes zu gönnen, wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Gebet:

Lieber himmlischer Vater,
manchmal laufen wir mit geschlossenen Augen
und tauben Ohren durch unser Leben.
Manchmal sind wir blind für das,
was wirklich wichtig ist.
Wenn wir jetzt miteinander Gottesdienst feiern,
bitten wir dich darum,
dass du unsere Ohren und unsere Augen öffnest –
damit wir unter der Oberfläche unseres Lebens
deine Gegenwart erkennen und deine Stimme hören.
Wir sind darauf angewiesen,
die Welt und auch uns selbst mit den Augen deiner Liebe anzusehen.
Dein Sohn, Jesus Christus,
ist in unsere Welt gekommen, um uns zu zeigen,
wie wir leben können.
Mit deiner bedingungslosen Liebe
eröffnest du uns einen neuen Blick auf die Welt und unser Leben.
Wir danken dir dafür, dass du uns immer wieder suchst
und uns nachgehst.
Du kennst uns und weißt, was wir nötig haben.
So bitten wir dich jetzt, wenn wir auf dein Wort hören:
Schenke uns offene Ohren und Herzen,
damit dein Wort in unser Leben hineinspricht und uns das schenkt,
was wir gerade nötig haben.
Hilf, dass es zurechtweist, ermutigt und stärkt.
Hilf, dass dein Wort uns einleuchtet –
und dass es hilft, unser Leben in deinem Licht zu sehen.
Wir vertrauen uns dir an.
Amen.

(Henning Strunk)

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 263, 1- 4: Sonne der Gerechtigkeit

1) Sonne der Gerechtigkeit,
gehe auf zu unsrer Zeit;
brich in deiner Kirche an,
dass die Welt es sehen kann.
Erbarm dich, Herr.

2) Weck die tote Christenheit
aus dem Schlaf der Sicherheit;
mache deinen Ruhm bekannt
überall im ganzen Land.
Erbarm dich, Herr.

3) Schaue die Zertrennung an,
der kein Mensch sonst wehren kann;
sammle, großer Menschenhirt,
alles, was sich hat verirrt.
Erbarm dich, Herr
.

4) Tu der Völker Türen auf,
deines Himmelreiches Lauf
hemme keine List noch Macht.
Schaffe Licht in dunkler Nacht.
Erbarm dich, Herr
.

Predigt: Epheser 5, 8 – 14

8 Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts
9 – das Licht bringt nichts als Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor -,
10 indem ihr prüft, was dem Herrn gefällt,
11 und beteiligt euch nicht an den fruchtlosen Werken der Finsternis, sondern deckt sie auf!
12 Denn was durch sie im Verborgenen geschieht, auch nur auszusprechen, ist schon eine Schande;
13 alles aber, was aufgedeckt wird, wird vom Licht durchleuchtet,
14 ja, alles, was durchleuchtet wird, ist Licht.

Liebe Gemeinde!

Christinnen und Christen sind Aufdecker! So wie das in unserem politischen Leben investigative Journalisten sind: sie fragen nach Hintergründen, nach dem, was im Verborgenen geschieht, nach dem, was die Öffentlichkeit nicht sieht. Zapfen vertrauliche Quellen an, so genannte „Whistleblower“, Menschen, die im Zentrum des Geschehens sitzen, aber es mit ihrem Gewissen nicht mehr vereinbaren können, weiter bei ungesetzlichen und unmoralischen Aktivitäten mitzutun. Kommt dann ans Licht, was im Verborgenen an krummen Dingen gedreht wird, dann passiert genau das, was schon der Apostel des Epheserbriefes wusste: für den Aufgedeckten ist das eine Schande. Und dem Aufdecker ist man dankbar, dass er durch seinen Bericht dem finsteren Treiben ein Ende gesetzt und uns alle vor wohl noch viel mehr Schaden bewahrt hat.

Christinnen und Christen sind auch solche Aufdecker. Was ist es, was wir ans Licht zu bringen haben? Ich denke, wir verfügen nicht über geheime Quellen. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, das anzusprechen, was eigentlich eh alle wissen, aber nicht wahr haben wollen: Dass Hoffnung sich lohnt. Dass es wichtig ist, eine Vision von der Zukunft zu haben. Dass der Mitmensch, sein Wohl, seine Bedürfnisse, das Maß allen Denkens und Handelns ist. Und über Allem: dass es gut ist, an den gütigen Gott zu glauben, der unsere Sehnsucht nach Sicherheit, Klarheit und Geborgenheit stillen kann.

Irgendwie, wie gesagt, wissen das ja alle Menschen, und sei es nur tief drinnen, wenn sie einmal ganz ehrlich zu sich selbst sind. Und trotzdem sind diese klaren Wahrheiten überschattet, verdunkelt, eingeschränkt und werden nicht zuletzt, auch immer wieder mit Vehemenz bekämpft. Von kurzsichtigen Ideologien wie dem „Recht des Stärkeren“ oder der „Konkurrenz, die das Geschäft belebt.“ Hier sind wir die Aufdeckerinnen und Aufdecker, die diese „fruchtlosen Werke der Finsternis“, wie sie der Epheserbrief nennt, ans Licht bringen, bloßstellen, als das entlarven, was sie sind: Täuschungen, Illusionen, menschenfeindliches Denken ohne Rücksicht auf Verluste.

Wenn ich an die bekannten investigativen Journalistinnen und Journalisten denke, bei uns im Land und über unsere Landesgrenzen hinaus, dann empfinde ich einen großen Respekt vor ihnen. Zum einen, weil sie gegen enorme Widerstände ihre Arbeit machen müssen, bei uns zum Glück nur gegen verbale Attacken oder Verleumdungen – in anderen Länder, selbst Europas (Malta, Slowakei), haben manche schon ihr Engagement mit dem Leben bezahlt. Zum anderen, weil sie, kaum haben einen Skandal entdeckt, feststellen müssen: es geht danach weiter wie zuvor. Enthüllungen bringen oft keine wirkliche Veränderung oder ein echtes Umdenken. Die Protagonisten der Skandale bringen ihre Schäfchen schon ins Trockene, ja, manch einer kehrt nach einer kurzen Pause wieder in die Politik oder in eine Machtposition zurück. Man braucht da wohl schon einen sehr langen Atem, um nicht aufzugeben, sondern wieder und wieder nachzubohren und neue Fakten ans Licht zu bringen.

Es braucht Menschen, die diesen langen Atem haben, nicht nur im Journalismus. „Lichtgestalten“, nicht mehr und nicht weniger, und das kann jeder und jede von uns sein. „Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit“ – das bringt das Licht hervor. Wie? Indem einfach ehrlich angesprochen wird, was nicht passt. Auch und besonders im Zwischenmenschlichen.

Denn was war die Situation der ersten Christinnen und Christen, an die sich der Epheserbrief gerichtet hat? Sie waren Bürgerinnen und Bürger einer wohlhabenden, bunten, erfolgreichen und lebendigen Stadt, die, unter Anderem, eines der sieben Weltwunder ihr Eigen nannte: den Tempel der Artemis. Eine Stadt, in der man sicher gerne gelebt hat – solange man zu denen gehört hat, die Möglichkeiten dieser Stadt auch nützen konnten, also zu den Wohlsituierten, Erfolgreichen, Vermögenden. Aber auch im reichen Ephesus gab es die, die nicht mithalten konnten, mehr noch: auf deren Buckel der ganze Glanz und Glamour aufbaute.

Die ersten Christinnen und Christen hatten großen Zulauf unter denen, die am Rande lebten: Sklaven, Dienstboten, Taglöhner. Aber auch unter Wohlhabenden, die die ganze Verlogenheit nicht mehr ertragen konnten. Die waren ebenso begeistert von der Botschaft eines Gottes, der Licht in trübe Verhältnisse bringt, der einen dazu ermutig, anzusprechen, was nicht passt, dessen Richtschnur und Maßstab die Verletzlichen, Verletzten und Hilfsbedürftigen sind.

Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – kein Erfolgsrezept im herkömmlichen Sinne, wo nur auf Leistung geschaut wird. Aber genau das, was in einem jeden Menschen an Sehnsucht steck: Ernst genommen zu werden, gerechte Behandlung erfahren, und vor allem: nicht getäuscht, belogen oder übervorteilt zu werden.

Im satten, reichen und erfolgsverwöhnten Ephesus hat diese Vision vom Licht Menschen berührt. Auch die, die eigentlich keinen Grund zum Klagen hatten. Weil die auch eine tiefe Unzufriedenheit gespürt haben: so, wie wir leben, kann es nicht in Ordnung sein. Selbst wenn, oberflächlich gesehen, alles passt, wir auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Ein Leben mit Tiefe, ein wirklich volles und komplettes Leben, kehrt nichts unter den Teppich. Nimmt die Herausforderung an, Dunkles anzusprechen. Und merkt, dass dem Dunklen allein dadurch schon Macht genommen wird.
„Kinder des Lichts“ sind wir dadurch. Helle Köpfe. Mit leuchtenden Herzen. Amen.

Gebet:

Guter Gott, wir danken dir dafür,
dass du uns mit deinen Augen anschaust.
So kommen wir voller Vertrauen mit unseren Fürbitten zu dir:
Schenke uns einen wachen Blick,
damit wir deine Spuren im Alltag entdecken können.
Hilf uns dabei, die Schönheit des Lebens wahrzunehmen
und uns daran zu freuen.
Wir bitten dich um wache Augen für unsere Mitmenschen.
Lass uns erkennen und spüren,
wo jemand ein gutes Wort und eine liebevolle Geste nötig hat.
Wir bringen vor dich die Menschen,
deren Leben dunkel scheint:
Die Traurigen, die einen geliebten Menschen vermissen.
Die Einsamen, die sich nach einem Menschen sehnen,
der sie wahrnimmt.
Wir bitten dich für die Hoffnungslosen,
die keine Aussicht auf Zukunft erkennen.
Und wir bringen vor dich die,
die immer wieder übersehen werden.
Wir vertrauen sie dir an.
Wir bitten dich für uns selbst.
Hilf uns dabei, in den Anforderungen des Alltags
mit dir verbunden zu bleiben
und deine Gegenwart im Blick zu behalten.
Lass uns einfühlsam und achtsam durch unser Leben gehen.
Amen.

(Henning Strunk)

Unser Vater …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Orgelnachspiel: Martin Seidl: Johann Kaspar Fischer: Präludium in D