Foto: Ulrike Wittich

 

 

 

Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 20. September 2020
mit Pfr. Johannes Wittich – Konfirmation und Begrüßung neue Konfirmandinnen


Orgelmusik:
Spruch: Jesaja 41,13:

Denn ich, der Herr, bin dein Gott, der deine rechte Hand stark macht,
der zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich stehe dir bei!

Begrüßung:

Beistand, Unterstützung, Hilfe – das können wir immer gut
gebrauchen. Wir brauchen einander, aber wir brauchen auch Gott – besonders dort, wo wir an unsere Grenzen geraten. Wenn wir Gottesdienst feiern, dann lassen wir uns wieder daran erinnern, lassen uns bestärken in unserem Glauben und unserer Hoffnung, dass Gott tatsächlich sagt: Fürchte dich nicht, ich stehe dir bei!

In diesem Sinne ist eigentlich jeden Sonntag Konfirmation. „Bestätigung“, „Bekräftigung“ der Taufe und des Glaubens, das ist ja auch, was mit dem Wort „Konfirmation“ gemeint ist..

Das geschieht vor den Augen Gottes, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet:

Einen besonderen Festtag
feiern wir heute:
Das Ende der Konfirmandenzeit,
den Anfang des Lebens als erwachsener Christ,
immer weiter auf dem Weg mit dir, Gott.

Wir wagen neue Schritte
an deiner Hand.
Schritte ins Leben, in die Freiheit.
Du öffnest unseren Blick in die Weite,
heraus aus den Grenzen,
die uns einschränken wollen.

An deiner Hand können wir mutig sein,
Neues wagen
und alte Bahnen verlassen.

Wir möchten gerne glauben,
dass du überall hin mit uns gehst,
auch ins Ungewisse,
wo noch keine Wege sind,
dass du Gutes für uns und unser Leben willst.
Geh du mit uns.
Amen.

Lied: Ich singe für die Mutigen

Ich singe für die Mutigen,
die ihren Weg suchen,
die das zurücklassen,
was sie gefangen hielt.
Ich sing für die Vertrauenden,
die Gottes Ruf hören,
die auch ins Ungewisse geh’n mit ihm

1) Ich bitte Gott für sie,
dass sie nicht das Wagnis scheuen,
dass sie Angst und Not nicht fürchten.
Das bitte ich Gott.

3) Ich bitte Gott für sie,
dass sie nicht vom Weg abweichen
dass sie nicht den Halt verlieren.
Das bitte ich Gott.

5) Ich bitte Gott für sie,
dass sie seinem Geist gehorchen,
dass sie sich nicht täuschen lassen.
Das bitte ich Gott.

Impulstext: Yvonne Chytil: Aus dem Tagebuch einer Influencerin:

Liebes Tagebuch!

Mittlerweile ist es schon fünf Jahre her, dass ich meinen Youtube Kanal und Instagram Account ins Leben gerufen habe. Damals hätte ich es mir im Leben nicht erträumen können, mein großes Hobby zum Beruf machen zu können. „Influencer“, dieser Name ist allgegenwärtig und verrät allen meinen Mitmenschen, dass ich es schaffe, sie für Produkte oder andere Sachen zu beeinflussen und das nur durch meine persönliche Meinung.

Ich gehöre zu den Menschen, die wirklich viel und gerne reden. Ich möchte meinen Follower(n) meine Meinungen mitteilen und sie in ihrem Leben bestärken. Ich bin sehr überrascht, wenn ich höre, dass jede/r 5. SchülerIn Influencer werden möchte. Warum? Weil sie immer wieder hören, dass wir mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Ich bin ehrlich und sage, ja das stimmt. Influencer(in) sein ist überhaupt nicht stressig, kaum zu vergleichen mit anderen Berufen. Dennoch, am Anfang des Jahres habe auch ich immer viel zu tun. Sponsoren müssen gefunden und besucht werden, denn nur durch sie kann ich meinen Lebensstandard halten.

Probleme begleiten mich aber jeden Tag. Nach dem Aufstehen frage ich mich schon, was ich heute „Posten“ soll, oder hab‘ ich genug Zeit zum Frühstücken oder muss ich gleich zum nächsten Termin um wieder Werbung zu machen. Was mich auch immer wieder beschäftigt ist, warum haben andere Influencer mehr Follower als ich, wie kann ich meinen Bekanntheitsgrad steigern.

Doch was viele nicht bedenken, die Aufmerksamkeit aus dem Netz hat auch einen Preis. Je mehr ich mich den Menschen öffne, umso angreifbarer mache ich mich. Ich bekomme regelmäßig lange Hassnachrichten, die so schlimm sind, dass ich weinen muss. Ich gebe durch meine Post mein Privatleben auf; das ist es was meine Follower sehen wollen. Ob ihnen überhaupt bewusst ist, dass sie mich mit ihren kritischen Posts auch persönlich treffen? Mein Selbstwertgefühl wird dadurch geringer und ich sehe mich selber im Spiegel und merke selbst wie hässlich ich sein kann (bin). Obwohl ich mich immer wohlgefühlt habe. Aussagen haben eine Kraft, die mich zerstören oder stärken kann. Heute versuche ich alle Beleidigungen gleich zu löschen und mich nur auf die positiven Nachrichten zu beschränken.

Influencer sein heißt, allen gefallen zu müssen, immer „Liefern zu müssen“ und den sozialen Druck auszuhalten. Wie lange ich meinen Beruf noch ausüben werde, weiß ich noch nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es wieder etwas Neues gibt und wir in Vergessenheit geraten, doch bis dahin … tue ich Alles um meinen Followern ein gutes Beispiel zu sein.

Predigt: Mt. 5, 14-16

14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.
15 Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus.
16 So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Gemeinde, liebe Konfirmandinnen!

„Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen“, sagt Jesus. Also: versteckt euch nicht, macht euch bemerkbar, sagt was, tut was, denn: ihr werdet gebraucht. Es braucht Menschen, die nicht nur eine Meinung haben, wie es in der Welt laufen sollte, sondern auch bereit sind, dementsprechend zu handeln. Dass junge Menschen das können haben sie im letzten Jahr bei den „Fridays For Future“ eindrücklich bewiesen.

Darum geht es auch bei der Konfirmation. Die Konfirmation soll Mut machen: trau dich, du kannst es. Du kannst dich bemerkbar machen, du wirst gehört, weil dein Beitrag zählt. Hier in dieser Kirche. Schon jetzt, wo du 12, 13 oder 14 Jahre alt bist. Und warum: weil Gott dich dazu fähig macht. Das ist schon damals, bei der Taufe gesagt worden, uns allen: so klein du jetzt noch bist – du bist wichtig! Du bist vor allem Gott wichtig! Er will sich um dich kümmern, er will für dich da sein, er will dir helfen.

Das hat gerade jetzt eine besondere Bedeutung, in Zeiten von Corona, wo die Stimmung immer wieder angespannt ist: ausgleichend wirken, versöhnen, Menschen wieder zusammenbringen. Warum? Weil wir glauben, dass Gott es so will. Dass er will, dass es allen gut geht.

Für diesen Glauben sind Evangelische schon immer gern eingetreten. Deswegen nennt man uns ja auch manchmal „Protestanten“. Das ist lateinisch und bedeutet nichts anderes als: für etwas einstehen. Evangelische melden sich zu Wort, mischen sich ein, lassen nicht zu, wenn irgendwer in Gefahr läuft, falsch oder ungerecht behandelt zu werden, sei es hier bei uns, sei es irgendwo in der Welt, sei es bei den Menschen, die von irgendwo auf der Welt zu uns gekommen sind.

Wobei Evangelische H.B., wie wir es sind, dabei gerne noch ein bisserl goscherter sind als unsere Freunde, die Evangelischen A.B. Unsere Reformatoren, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin, die haben sich zu gesellschaftlichen und politischen Fragen deutlich geäußert, viel deutlicher als ihr Kollege Martin Luther. Es gehört verbessert, reformiert, und das immer wieder. Deswegen werden wir auch „Reformierte“ genannt. Wenn euch also jemand vorwirft, ihr seid zu frech, dann könnt ihr einfach sagen: ich bin nicht frech. Ich bin heute nur ein bisserl reformiert. Oder vielleicht nicht ganz …

Wer das gut und richtig macht, so meint Jesus, ist ein Licht für die Welt. So können wir sagen: die Konfirmation macht einen zu einem Influencer oder zu einer Influencerin. Nicht, um ein Produkt zu bewerben oder zu kaufen. Sondern um Menschlichkeit zu bewerben und weiterzugeben. Und das natürlich gratis.

Davon wird man auch reich. Reich an Freundschaft, guten Erfahrungen, schönen Erlebnissen. Und Gott hilft uns dabei. Da ist auch ein Geschenk.

Amen.

Ansprache des Kurators nach der Konfirmation:

Liebe Konfirmierte Sophie und liebe zur Konfirmation Entsandte Anja und Paulina!

Ich bin stolz auf Euch als Vertreterinnen der jungen Generation unserer Gemeinde. Ihr habt die Herausforderungen dieses Konfirmationsjahres auf Euch genommen. Das alleine war schon ein wichtiger Lernprozess fürs Leben und fürs Christsein. Und was kommt jetzt? Christsein kann auf verschiedene Weisen gelebt werden, aber nicht ohne Verbindung mit einer Gemeinde. Bleibt also mit uns in Verbindung, dazu gibt es heutzutage, wie Ihr wisst, ja viele Möglichkeiten. Wichtig ist das auch, weil Ihr so unsere Art, das Christsein zu leben, stärkt. Es ist wichtig, dass wir ein starkes Gegengewicht bleiben gegenüber einer immer stärker werdenden Art des Christentums, das dieses autoritär und ausgrenzend lebt. Christsein sollte aber zusammenführen und gegenseitig unterstützen. Ihr seid wichtig, damit wir das gemeinsam hinkriegen.

Danke für Euren ersten Schritt, denkt immer wieder mal an diesen besonderen Moment hier in unserer kleinen aber feinen reformierten Kirche in dem wir Euch ins erwachsene Christsein geschickt haben, Gottes Segen wird mit Euch sein. Und ich, und auch die anderen MitarbeiterInnen, freue mich auf künftige Begegnungen, wann und in welcher Form auch immer.

Lied: Evangelisches Gesangbuch 645: Ubi caritas

Ubi caritas et amor,
ubi caritas, Deus ibi est.

Gebet: Guter Gott,

du bist unter uns und wir dürfen dich voller Vertrauen bitten:

Für alle Menschen, die die Hoffnung verlernt haben,
die hart geworden sind in den Enttäuschungen ihres Lebens
.

Für alle Menschen, die das Danken verlernt haben,
weil sie alles Gute in ihrem Leben für selbstverständlich halten.

Für alle Menschen, die in Trauer und Leid,
durch Katastrophen und Krankheit die Hoffnung verloren haben
.

Für alle Menschen, die nicht mehr vertrauen können,
weil sie sich von dir im Stich gelassen fühlen
.

Für alle Menschen, die nach Freiheit hungern,
die nur im Geheimen und unter Gefahren ihre Meinung äußern können
.

Für alle Menschen, die sich einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit,
damit diese Welt eine besser wird
.

Wir bitten dich für uns alle, dass wir unseren Weg mit dir gehen können,
in Freiheit und Zuversicht, die du uns schenkst.

Amen.

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Klaviernachspiel: Juliane Schleehahn: Improvisation,
mit freundlicher Genehmigung von
Juliane Schleehahn