Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 24. Dezember 2020,
Heilig Abend mit Pfr. Johannes Wittich
Präludium: Eva-Susanne Glaser, Fuge sur la Basse de Voix Humaine, Guillaume Gabriel Nivers (1632 – 1714)Spruch: Jh. 1, 14a:Und das Wort, der Logos, wurde Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit. Begrüßung:Gott wird irdisch, wird „Fleisch“, ist Mensch unter Menschen – das ist die Botschaft von Weihnachten. Das bleibt nicht ohne Wirkung. Menschen schauen auf den Erlöser, auf das Kind, wie später auf den erwachsenen Jesus, und stellen ganz wie der Evangelist Johannes fest: wir sehen Herrlichkeit. Gott mitten drinnen in der Welt – was könnte herrlicher sein. Gott ganz bei uns. So feiern wir diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen Gebet:Du Gott des Lebens! Lesung Weihnachtsgeschichte: Lk. 2, 1-7: 1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass ein Erlass ausging vom Kaiser Augustus, alle Welt solle sich in Steuerlisten eintragen lassen. Lied: Evangelisches Gesangbuch 19, 1-2: O komm, o komm du Morgenstern1) O komm, o komm, du Morgenstern, 2) O komm, du Sohn aus Davids Stamm, Predigttext: Mt. 2, 11 Als Jesus in Betlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes zur Welt gekommen war, da kamen Sterndeuter aus dem Morgenland nach Jerusalem Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder! „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Wir kennen diesen Satz, aus dem Auto, sofern wir mit einem Navi unterwegs sind. „Sie haben ihr Ziel erreicht“, tönt es aus dem Lautsprecher, wir halten an, schauen uns um und fragen uns: stimmt das auch wirklich? Denn oft genug haben wir es erleb, das Navis einen auch an einen vollständig falschen Ort bringen können. Mir ist das schon einige Mal passiert. Die Technik, so weit entwickelt sie auch sein mag, sie hat halt immer wieder ihre Tücken. Die Sterndeuter aus der Weihnachtsgeschichte, die haben auf ihrer Reise ein etwas anderes Navigationssystem. Auch dieses hat mit dem Himmel, dem Weltall zu tun. Aber anders als heute ist es nicht ein Satellit, der quasi „den Überblick von oben“ hat. Es ist ein Stern. Nun sind die „Sterndeuter“, wie der Name schon sagt, Spezialisten auf diesem Gebiet. Es ist ihr Beruf, in den Himmel zu schauen, die Planetenbahnen zu beobachten und zu berechnen, aber auch, aus diesen Planetenbewegungen Schlüsse zu ziehen. Schlüsse darüber, was die Sterne über das, was auf der Erde passiert oder passieren wird, zu sagen haben. Die Sterndeuterei ist auch schon zur Zeit der Geburt von Jesus eine Jahrhunderte alte Wissenschaft. Gut, eine Wissenschaft im heutigen Sinne ist sie nur bedingt, aber wer sie betreibt, gilt damals als klug, als weise, als jemand, der den Lauf der Welt versteht und erklären kann. So auch die Sterndeuter der Weihnachtsgeschichte: sie haben den Stern des Königs der Juden gesehen, und wissen: den Juden wird gerade ein neuer König geboren. Soweit, so gut. Stern gesehen, Bedeutung erkannt, die Erkenntnis vielleicht mit ein paar Kollegen vom Fach geteilt, sich vielleicht für die Entdeckung ein wenig feiern und bewundern lassen, aber das wär’s dann eigentlich auch schon gewesen. An diesem Punkt könnte die Geschichte auch enden. Das tut sie aber nicht, und eigentlich ist das unerklärlich. Denn: warum machen sich die Sterndeuter auf die Reise, warum wollen sie den neugeborenen König der Juden unbedingt finden und sehen? Sie sind ja keine Juden, sie glauben auch nicht an den Gott der Juden. Warum fasziniert sie die Sache dann so? Wir wissen es nicht, wir können es nur vermuten. Irgendetwas dürfte mit den Sterndeutern passiert sein. Irgendwie dürften sie gemerkt haben: dieses Ereignis hat wirklich eine himmlische Dimension. „Himmel“ im Sinne von: der Ort, an dem Gott wohnt. Nicht mehr der Himmel der Sterne, mit dem sie so vertraut sind. Sondern der Himmel als der Bereich Gottes, da wo Gott wohnt und ist, der Ort, von dem aus er die Welt sieht, lenkt, aber eben auch beschenkt. Wann und wie es bei den Sterndeutern „klick“ gemacht hat, wissen wir nicht. So wie wir eigentlich grundsätzlich nicht wirklich sagen können, wie Glaube entsteht. Glaube ist ein Geschenk, Gott lässt Glaube entstehen, er macht den ersten Schritt. Wann und wie er es macht, das entscheidet er. So auch bei den Sterndeutern. In ihnen ist offensichtlich eine unerklärbare Sehnsucht entstanden: wir wollen diesen neuen König der Juden sehen! Vielleicht erst nur aus einer Ahnung heraus: dieses Kind könnte eine Bedeutung für uns haben. Daher machen sie sich auf den Weg. Landen zunächst einmal am falschen Ort, so wie wir heute gelegentlich mit unseren Navis. Allerdings, der Fehler liegt bei den Sterndeutern sozusagen bei ihrem „inneren Navi“. Sie bleiben in ihren gewohnten Denkmustern stecken: ein König kann nur im Palast in der Hauptstadt seines Reiches geboren werden. Daher landen sie zuerst einmal bei Herodes, um dann einen Aspekt des jüdischen Glaubens kennen zu lernen, der ihnen wohl ziemlich fremd gewesen ist. Die Tradition der Prophetie, der Kritik an Königen und Mächtigen, der Glaube, das Gott über denen an der Macht steht und ihr Richter ist, wenn sie ihre Aufgabe nicht erfüllen. Gott allein hat die Macht, und wenn er einen Menschen ermächtigt, dann kann das der kleinste und unbedeutendste und schwächste sein. Und daher kann ein von Gott ermächtigter auch in einem mickrigen Stall in der unbedeutenden Stadt Betlehem geboren werden. Aber selbst dort könne sich die Sterndeuter nicht von ihren Denkmustern trennen. Es wird berichtet: sie finden das Kind Jesus und „huldigen“ ihm. Mitten in dem Stall werfen sie sich auf den Boden machen all das, was zu Hause ihrem König gegenüber gemacht werden muss. Ich stelle mir das schon ein wenig skurril vor: babylonisches Hofzeremoniell vor einem Baby im Stall. Da möchte man dabei gewesen sein. Aber die Sterndeuter haben es gemacht, und sind sich dabei nicht blöd vorgekommen. Sie haben „gehuldigt“, weil sie das so gewohnt waren, aber eben auch, weil es ihnen ein Bedürfnis war. Sie haben auf ihre gewohnte und vertraute Art zum Ausdruck gebracht, was ihnen dieses Kind bedeutet. Dass es bei ihnen, angesehenen Männer mit einer hohen Stellung, eine Saite zum Klingen gebracht hat, die sie so noch nicht gekannt hatten. So wie das Bild von der Krippe und vom Stall bis heute Menschen berührt, uns berührt. Gott stellt die Welt auf den Kopf. Ein kleines Kind ist der Erlöser, und g’standene Mannsbilder gehen vor ihm auf die Knie. So ist sie nun mal, die Welt Gottes. Amen. Lied: Evangelisches Gesangbuch 44, 1-3: O du fröhliche1) O du fröhliche, o du selige, 2) O du fröhliche, o du selige, 3) O du fröhliche, o du selige, Gebet:Gott, du bist zur Welt gekommen Doch du kennst auch all das, was uns Menschen bedrückt. Darum bitten wir dich für alle Menschen in Not: Unser Vater … AbkündigungenSegen:Der Herr segne dich und behüte dich, Postludium: Eva-Susanne Glaser, Double Fugue, John Keeble (1792 – 1866) |