Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 24. Mai 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
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Orgelvorspiel
Kolosser 3,13: 

Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben.

Begrüßung:

Wir leben aus der Gnade Gottes. Das macht uns zu dem, was wir sind.
Wir sind geliebt, geschätzt, gerechtfertigt. Wir werden ernst genommen, auch mit unseren Grenzen und unserem Scheitern.

Das baut uns auf. Und lässt uns aufeinander zugehen. Einander verstehen, mit allen unseren Stärken und Schwächen. So feiern wir Gottesdienst miteinander.

Gebet:

Du kennst uns besser, Gott,
als wir uns selbst kennen.
Du weißt, wie gefährdet unser Glaube ist,
wie unbeständig unsere Liebe,
wie zaghaft unsere Hoffnung.
Dies bringen vor dich.
Wir leben oft fern von dir, Gott.
Wir vertrauen mehr auf unsere eigene Kraft
als auf deine Hilfe.
Dabei willst du doch unsere Stärke sein.
Hilf unserer Schwachheit auf
und erbarme dich unser!
Du schenkst uns diese Stunde, gütiger Gott,
damit wir unsere Last ablegen können
und Frieden finden bei dir.
So komme nun in Herz und Sinn,
lass uns neu aufleben aus deinem Geist,
wenn wir gemeinsam in deinem Namen feiern
Amen.

(Arnd Herrmann)

Lied: Evangelisches Gesangbuch 401, 1-4: Liebe, die du mich zum Bilde

1) Liebe, die du mich zum Bilde
deiner Gottheit hast gemacht,
Liebe, die du mich so milde
nach dem Fall hast wiederbracht:
Liebe, dir ergeh ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

2) Liebe, die du mich erkoren,
eh ich noch geschaffen war,
Liebe, die du Mensch geboren
und mir gleich wardst ganz und gar:
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

3) Liebe, die für mich gelitten
und gestorben in der Zeit,
Liebe, die mir hat erstritten
ewge Lust und Seligkeit:
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

4) Liebe, die du Kraft und Leben,
Licht und Wahrheit, Geist und Wort,
Liebe, die sich ganz ergeben
mir zum Heil und Seelenhort:
Liebe, dir ergeb ich mich,
dein zu bleiben ewiglich.

Jeremia 31, 31-34:

31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des HERRN, da schliesse ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda,
32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des HERRN.
33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schliessen werde nach jenen Tagen, Spruch des HERRN: Meine Weisung habe ich ihre Mitte gegeben, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein.
34 Dann wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner seinen Bruder belehren und sagen: Erkennt den HERRN! Sondern vom Kleinsten bis zum Grössten werden sie mich alle erkennen, Spruch des HERRN, denn ich werde ihre Schuld verzeihen, und an ihre Sünden werde ich nicht mehr denken..

„Keiner wird mehr seinen Bruder, seine Schwester, belehren.“ Das ist eines der Charakteristika des „neuen Bundes“, den Gott mit seinen Menschen schließen will. Sagt zumindest der Prophet Jeremia. Der alte Bund ist bekannt, beginnend mit den so genannten „Patriarchen“, Noah, Abraham, Isaak, Jakob … Dann zum Abschluss gebracht durch die, wenn man so will, „Verschriftlichung“ am Sinai: Mose nimmt das ganze Gesetz Gottes entgegen. Die Bedingungen des Bundes sind nun klar: Gott verpflichtet sich, für sein Volk zu sorgen. Er erwartet aber auch, dass seine Gebote eingehalten werden.

Die biblischen Erzählungen sind voll von Beispielen, wie sich Menschen dann nicht an diese Regeln gehalten haben. Sozusagen vertragsbrüchig geworden sind. Entsprechend sieht sich dann Gott auch gezwungen, seinen Teil am Vertrag nicht mehr einzuhalten. Dadurch scheitert sein Volk, der religiöse, gesellschaftliche, politische Zusammenhalt zerbricht, das von Gott geschenkte Land geht verloren an fremde Mächte.

In diesen Krisenzeiten melden sich Propheten zu Wort, „Sprachrohre“ Gottes, so wie Jeremia. Sagen klar und deutlich, was schiefläuft. Betonen aber auch immer wieder: Gott will ja gar nicht strafen. Er ist ein Gott der Versöhnung und des Verzeihens. Warum fordert ihr Menschen ihn immer wieder dazu heraus, sich von seiner harten Seite zu zeigen?

Und so hat auch Jeremia eine Vision, eine Vision Gottes von der Zukunft. Gott will einen neuen Bund mit den Menschen schließen, nachdem der alte Bund verbockt worden ist. Mit diesem Bund soll ein Neuanfang geschehen. Ein Neuanfang, der nur möglich ist, weil Gott sagt: egal, was geschehen ist, es zählt nicht mehr. Oder, wie Jeremia es formuliert: Gott wird ihre Schuld verzeihen und an ihre Sünden nicht mehr denken.

Unbelastet von allem, was gewesen ist, so kann das Volk Gottes in die Zukunft gehen. Wobei schon spannend ist, dass nun auch von den Menschen etwas anderes erwartet wird. Oder zumindest von anderen Voraussetzungen ausgegangen wird. Bisher hieß es: haltet euch an die Gebote! In Zukunft, so Jeremia, wird das nicht mehr nötig sein. Warum? Weil eh Alle wissen, was richtig und was zu tun ist.

Niemand mehr wird seinen Bruder, seine Schwester belehren. Eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft, die eine unglaublich tragfähige Basis hat. Weil es einen allgemeinen Konsens gibt. Und der lautet: wir gehen den Weg, den Gott vorgibt. Wir wissen, was Gott will. Das leitet unserer Reden und Handeln. Und dazu gibt es einfach keine Alternative.

Das Ideal von einem Miteinander, in dem niemand auf die Idee kommt, jemand anderem zu sagen, was er oder sie zu tun oder lassen hat. Weil eben alle wissen, was wirklich zählt. – Das ist schon faszinierend! Und nachvollziehbar. Denn schließlich haben in den letzten Wochen, so kann man wohl schon sagen, auch ein gesamtgesellschaftliches „Konsens – Wunder“ erlebt. In der bei fast allen Menschen unseres Landes vorhandenen Bereitschaft, die Regeln, die in dieser Zeit braucht, einzuhalten. Ich gebe zu: ich habe das nicht für möglich gehalten. Ich habe vor zwei Monaten noch sehr stark befürchtet, dass unsere Gesellschaft am Dissens über die Corona-Maßnahmen zerbricht. Und ich sage es unumwunden: ich bin unendlich dankbar, dass das nicht geschehen ist.

Nicht, weil ich bei jeder der Maßnahmen von der unbedingten Richtigkeit überzeugt bin. Das ganz sicher nicht. Manches kommt einem widersprüchlich oder gar unlogisch vor; und bei dem Meisten muss ich ganz einfach ehrlich zugeben: ich bin kein Experte, und muss darauf vertrauen, dass es andere sind. Auch innerhalb unserer Gemeinde gibt es unterschiedliche Ansichten, und wir haben uns auch in nicht immer einfachen Diskussionen darauf einigen müssen, wie wir das hier bei uns in der Erlöserkirche handhaben wollen.

Es hat funktioniert, wo wir nicht einander, wie Jeremia es meint, „belehrt“ haben, sondern ein jeder, eine jede, versucht haben, das Bestmöglichste zu tun und unseren Beitrag zu leisten.

Denn die „Belehrer“ treten jetzt wieder mehr und mehr auf. Die selbst ernannten Expertinnen und Experten, die dubiose „wissenschaftliche Erkenntnisse“ (in der Regel aus dem Internet) als die Wahrheit verbreiten, geheime Strategien und Masterpläne hinter der Krise vermuten.

Abgesehen von der Unsinnigkeit dieser Ansichten – es geht auch um eine gesunde Portion Boshaftigkeit und Verantwortungslosigkeit. Es sind Versuche, unsere Gesellschaft zu polarisieren, Menschen gegeneinander aufzuhetzen, den Zusammenhalt zu zerstören. Unterschiedliche Meinungen, auch in Krisenzeiten, die soll es geben und muss es geben, keine Frage. Aber eben mit dem Ziel, das Bestmöglichste für Alle herauszuholen. Aber Spielchen zu spielen, mit den (durchaus berechtigten) Ängsten und Sorgen der Mitmenschen, das ist schlichtweg unanständig.

Die Gebote Gottes zielen auf gutes Miteinander. Das ist der Kern des Bundes zwischen Gott und seinen Menschen. Die Gebote sind auch da, um Krisen zu bewältigen, gerade dadurch, dass sie sich an den Schwächsten orientieren, an den Bedürfnissen jedes Menschen, auch am Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit. Jeremia hat gesehen, wenn passiert, wenn das nicht mehr für nötig befunden wird.

Und träumt von einer Welt, die ohne schlaue Belehrungen auskommt. Sondern ein ernsthaftes gemeinsames Suchen in den Mittelpunkt stellt, nach dem, was Allen dient. Aus dem Glauben an einen Gott heraus, dem es kompromisslos um das Wohl seiner Menschen geht. Aller Menschen.

Amen.

Gebet:

Ewiger Gott,
du bist unsere Zuflucht und unsere Hoffnung.
Zu dir kommen wir mit unseren Bitten.
Wir bitten dich:
für alle Menschen,
deren Leben in einer Sackgasse ist.
Zeige ihnen einen Weg.
Für alle Menschen,
die unter der Last des Alltags
den Blick für die Wunder deiner Schöpfung verlieren.
Öffne ihnen neu die Augen.
Für alle Menschen,
die in Familie und Beruf unter Konflikten leiden.
Zeige ihnen Möglichkeiten der Versöhnung.
Für alle Menschen,
die auf eine Erneuerung hoffen
im Leben von Kirche und Gesellschaft.
Lass sie Spuren deines Geistes erkennen.
Für alle Menschen,
die Verantwortung tragen in Politik, Gesellschaft und Kirche.
Gib, dass sie sich von deinem Geist leiten lassen.
Für uns selbst,
dass wir immer weitergehen
auf dem Weg des Glaubens und der Liebe.
Ewiger Gott,
du bist unsere Zuflucht und unsere Hoffnung.
Wir danken dir, dass du deine Hand über uns hältst –
heute und in Ewigkeit.

(Arnd Herrmann)

Und gemeinsam beten wir:

Unser Vater im Himmel …

Abkündigungen:
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Orgelnachspiel: