Foto: Franz Radner

 

 

Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 27. September 2020
mit Pfr. i. E. Martin Hrabe


Orgelvorspiel: Juliane Schleehahn: Allegro moderato maestro von Felix Mendelssohn Bartholdy (gekürzte Vesion)
Spruch: Johannes 11, 25:

Ich bin die Auferstehung und das Leben! Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.

Das qualvolle Sterben eines Kindes, eine Naturkatastrophe, die tausende Leben auslöscht, ein Völkermord, der den Atem nimmt – Gründe zum Zweifeln angesichts des Todes gibt es genug.

Dem stellt der 16. Sonntag nach Trinitatis den angreifbarsten und wichtigsten Satz des christlichen Glaubens entgegen: „Der Tod hat keine Macht mehr“ – was für ein steiler Satz! Klar, wir hören, lesen und sehen täglich vom Tod – vom Tod anderer, unbekannter Menschen, aber auch vom Tod von Freunden und Bekannten, so wie Jesus vom Tod seines Freundes Lazarus erfahren hat.

Und wie oft blende ich das aus, will es nicht hören, will es nicht lesen, will es nicht wahrhaben! Wie wäre es aber, wenn ich hinter jede Hiobsbotschaft ein Rufzeichen setze z.B. „Das ist nicht das Ende“ oder „Der Tod wird nicht siegen“, weil ja durch Christi Leiden und Sterben dem Tod die Macht genommen wurde! Vielleicht kann ich dann am Abend mich selbst fragen: Bin ich heute kämpferischer geworden? Nehme ich nicht mehr alles als gegeben hin? Ist meine Hoffnung grösser geworden? Kann ich doch darauf vertrauen, dass Gottes Güte und Barmherzigkeit stärker als der Tod ist? Und darauf zu vertrauen, dazu ermutigt dieser Sonntag im Namen des Vaters, des Sohnes und der Heiligen Geistkraft – Amen!.

Gebet:

Lasst uns beten:
Du, Gott, hast dem Tod die Macht genommen und das Leben geschenkt.
Gib uns Zuversicht in allen Ängsten: der Angst vor dem Endgültigen, Unumkehrbaren, der Angst vor Zukunft, der Angst vor Fremden.
Setze dagegen deinen Segen, der Leben schafft, der Ewigkeit verspricht, der Brücken baut.
Nichts soll uns mehr einengen und gefangen nehmen, denn wir sind erlöst und befreit! Das Leben hat gesiegt – Amen!

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 115: Die Herrlichkeit des Herrn (Strophe 1, 5 und 6, gesungen mit Maske!)

1) Jesus lebt, mit ihm auch ich! Tod, wo sind nun deine Schrecken?
Er, er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken.
Er verklärt mich in sein Licht – dies ist meine Zuversicht.

5) Jesus lebt! Ich bin gewiss, nichts soll mich von Jesus scheiden,
keine Macht der Finsternis, keine Herrlichkeit, kein Leiden.
Seine Treue wanket nicht – dies ist meine Zuversicht.

6) Jesus Lebt! Nun ist der Tod mir der Eingang in das Leben.
Welchen Trost in Todesnot wird er meiner Seele geben,
wenn sie gläubig zu ihm spricht: Herr, Herr, meine Zuversicht!

Predigt: 2 Tim 1, 7 – 10

7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit für das Evangelium in der Kraft Gottes.
9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt,
10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

Liebe Schwestern und Brüder!

„Feigling, Feigling“ – ich höre heute noch die Rufe der Meute hinter mir – am 3-Meter-Brett des Schwimmbades Pitten, als ich zum ersten Mal hinaufgeklettert bin und dann gezögert habe, diese Mutprobe hinter mich zu bringen!

3 Meter Höhe und darunter noch einmal 3 Meter tiefes, kristallklares Wasser, wo man bis auf den Grund sehen kann – also gefühlte 6 Meter Höhe!

Ich habe all die anderen bewundert, die hinaufklettern und dann ohne mit der Wimper zu zucken hinunterspringen – so, als ob das die einfachste Sache der Welt sei!
Und ich, ich habe natürlich beim ersten Mal komplett versagt – vielleicht können sie das ja mitempfinden, wie peinlich das ist, sich durch die höhnisch lachende Schar hinter mir wieder durchzuzwängen und mit zitternden Beinen wieder hinunterzuklettern!
Heute kann ich darüber lachen – aber damals – es war eine bittere Erfahrung!
Und heute denke ich mir oft, um wieviel einfacher das Leben wäre, wenn ich meine Ängste noch immer so leicht überwinden könnte wie meine Angst damals vor dem 3-Meter-Brett!

(Ich bin dann natürlich hinuntergesprungen, nachdem ich es „geübt“ habe – zeitig am Vormittag – ohne brüllende Meute!)

Mit dem nämlich, was uns heute plagt, mit dem ist es nicht mehr so einfach, fertig zu werden – und meistens haben wir auch keine Möglichkeit, sich umzudrehen und wieder hinunterzuklettern wie damals am Sprungturm!

Ich denke da jetzt z.B. an unsere Ängste vor dem Klimawandel, welche Erde wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen, an – zumindest meine – Ängste um das politische Klima in unserem Land – und auch weltweit, wo man den Menschen lieber Angst macht statt sie aufzurichten, wo bewußt Nationen gespalten werden um des eigenen Egos willen, wo politische Gegner im günstigsten Fall verhaftet werden, im ungünstigsten Fall umgebracht werden, Ängste vor drohenden Naturkatastrophen, die wir lieber in Kauf nehmen statt unseren Lebensstil zu ändern, Ängste vor einer Wirtschaft, die noch immer vom unbegrenztem Wachstum träumt statt das – vorhandene! – Hirnschmalz einzusetzen für umwelt- und menschenverträgliche Alternativen!

Der heutige Predigttext wendet sich an Menschen, die Angst haben – er ist an Gemeinden gerichtet, denen Verfolgungen drohten und deren Mitglieder nicht wegen des Kirchenbeitrags, sondern aus Angst um ihr Leben und das ihrer Familien dem Christentum den Rücken zuwandten!

2 Tim 1, 7 – 10 (aus der Basisbibel)
Der unbekannte Verfasser dieses Briefes nutzt Anfang des 2. Jahrhunderts die nach wie vor vorhandene Autorität das Apostels Paulus, um den verunsicherten, ängstlichen Mitchristinnen und Mitchristen die Gottesgaben „Kraft, Liebe und Besonnenheit“ in Erinnerung zu rufen!

Er erinnert die Menschen daran, was die frohe Botschaft, das Euangelion, ausmacht: Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen und uns das unvergängliche Leben geschenkt, nichts auf dieser Welt – selbst der Tod nicht – ist für uns Christen endgültig!
Und das, was die Menschen damals – und auch uns heute – ängstigt, das darf uns nicht verstummen lassen, so schlimm es auch zu sein scheint – im Gegenteil: dieser Glaube daran, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dieser Glaube macht uns frei, aufzustehen und allem und allen zu widersprechen, die uns Angst machen wollen – ich denke da an Politiker bei uns und weltweit (und mir fällt auf, dass es in diesem Zusammenhang fast nur Männer gibt!), die Menschen die grundlegendsten Menschenrechte, ja sogar die Menschenwürde absprechen, die wie zum Hohn jeder Menschlichkeit – um ein Bild zu gebrauchen – die vom sicheren Boot aus den Ertrinkenden Rettungsringe – sprich Decken und Container – zuwerfen und sich dann umdrehen und weiterfahren, statt – wie es schlichte Menschlichkeit gebieten würde – die Ertrinkenden ins Boot zu holen!
Oder ich denke an Parteien, die nicht davor zurückschrecken, auf Wahlkampfplakaten Menschen auf widerlichste Weise zu diffamieren, um die niedrigsten Instinkte im Menschen zu wecken, um damit dann doch Stimmen zu bekommen!

Ängste dürfen uns nicht lähmen – im Gegenteil: unser Glaube an das Versprechen Jesu „Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“ und unser Glaube an den Auferstandenen, der dem Tod die Macht genommen hat – dieser Glaube gibt uns die Kraft, Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern aufzustehen und lebensfeindlichem Handeln und menschenverachtendem Reden zu widersprechen –

„Schäme dich also nicht, als Zeuge für unseren Herrn aufzutreten“ heißt es in Vers 8!
Wir sollen die Frohe Botschaft, die uns anvertraut ist, weitersagen und nicht schweigen angesichts der Lieblosigkeit der Welt – auch wenn es herausfordernd, auch wenn es anstrengend ist, auch wenn es Mut erfordert!

Ja – es ist der schwierigere Weg, auch wenn es – zumindest bei uns in Österreich – nicht zu Folter oder zum Tod führt wie bei den Christen damals – aber es ist der Weg, den Gott uns zutraut und auf dem er uns auch begleitet – Amen!

Gebet:

Lebendiger und barmherziger Gott.
Millionen sind weltweit auf der Flucht.
Tausende kommen zu uns.

Dem Tod entronnen suchen sie Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Tausende warten vor verschlossenen Grenzen.
Ihre Leiber und Seelen sind gezeichnet.
Verzweifelt und mutig suchen sie Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Tausende Leben sind ausgelöscht.
Der Tod hat sich ihrer bemächtigt,
und ihre Namen bleiben unbekannt.
Um sie trauern die Überlebenden, suchen Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Mitleidender und treuer Gott.
Freiwillige Helferinnen und Helfer öffnen Herzen und Hände,
geben und teilen.
Sie sind Zeugen der Hoffnung, suchen Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Die Mächtigen entscheiden.
Sie tragen Verantwortung und
ringen um Antworten.
Sie brauchen Weisheit und Hoffnung für den Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Gnädiger und ewiger Gott.
Die Schöpfung leidet und
unsere Kinder werden mit dem Klimawandel leben.
Jetzt bereiten die Mächtigen die Weltklimakonferenz in Paris vor.
Für unsere Kinder sollen sie den Frieden suchen und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Die Jugendlichen haben Hoffnungen und Fragen.
Ihre Herzen sind noch offen und sie suchen den Frieden und eine neue Zukunft.
Erbarme dich und schenke neues Leben.

Du unser Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Lebendiges Wort, Richtschnur zum Leben.
Du bist der Friede und die neue Zukunft.
Dir vertrauen wir uns und alle, die uns lieb sind
und alle Menschen dieser Welt an und beten mit den Worten, die Du uns gelehrt hast:

Unser Vater im Himmel …

Kollekte:

für die Diakonie für die Katastrophenhilfe.

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen
.

Orgelnachspiel: : Juliane Schleehahn: Präludiumin in a-Moll von Johann Sebastian Bach