Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten, 28. Juni 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgelvorspiel: Juliane SchleehahnSpruch: Matthäus 11, 28:Kommt zu mir, all ihr Geplagten und Beladenen: Ich will euch erquicken. Begrüßung:Erquicken – ein Wort, das in unserem alltäglichen Sprachgebrauch nicht In einer solchen Durststrecke befinden wir uns nach wie vor, als Einzelpersonen, als Gesellschaft, als Gemeinde. Wir versuchen, unser Leben, auch unser Gemeindeleben am Laufen zu halten, wie wir es die letzten Monate schon getan haben, ohne zu wissen, wie lange die besonderen Herausforderungen noch dauern werden. Deshalb ist es gut, immer wieder einmal eine Pause einlegen zu können, wie eben jetzt gerade, im Gottesdienst, um uns erfrischen lassen, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gebet:Gott, wir suchen den Zuspruch für unser Leben Lied: Evangelisches Gesangbuch, 390, 1-3: Erneure mich, o ewigs Licht1) Erneure mich, o ewigs Licht, 2) Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, 3) Auf dich lass meine Sinne gehn, Predigt: Mt. 11, 25-3025 In jenen Tagen ergriff Jesus das Wort und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Klugen verborgen, es Einfältigen aber offenbart hast. Liebe Gemeinde! Zu g´scheit zu sein, ist auch nicht gut. So verstehe ich zumindest das Gebet Jesu, das wir gerade gehört haben. Er dankt Gott, seinem Vater, dass die Botschaft, die er den Menschen zu bringen hat, den „Weisen und Klugen“ verborgen bleibt. Schon gewagt, finde ich. Einerseits durch das, was es über die Weisen und Klugen zum Ausdruck bringt, nämlich: wirklich g’scheit sind die nicht. Das Wesentliche, das entgeht ihnen. Sie können es gar nicht erfassen, weil sie nicht das Zielpublikum Gottes sind. Es braucht „Einfalt“, ein schlichtes Gemüt, um zu verstehen, was Gott durch Jesus sagen will. Andererseits stellt sich die Frage: und wo gehören wir dazu? Weil, um es mal auf gut favoritnerisch zu sagen (jetzt, wo unser Bezirk gerade eine so prominente Rolle in den Nachrichten spielt): „Mir san ja ned deppert!“ Und sind trotzdem ernsthafte Christinnen und Christen. Wir glauben, wir können glauben, wir wissen, was Gott in uns hineingelegt hat an Hoffnung und Überzeugungen, an Perspektiven und Kraft, sind überzeugt davon, dass das Evangelium bei uns angekommen ist. Und das alles, ohne die schlichten Gemüter zu sein, die Jesus ganz offensichtlich als das bevorzugte Zielpublikum Gottes ansieht. Mehr noch: wir sind evangelisch, wir sind reformiert – da spielt die Vernunft auch in Glaubensdingen eine große Rolle. Glaube will vernünftig erklärt sein; wir sind im Dialog mit anderen Menschen aufgefordert, angemessen und nachvollziehbar über unseren Glauben Rechenschaft abzulegen. Eben um „glaub-würdig“ zu sein. In einer Welt, einer Umwelt, die oft das, was wir vertreten, nicht so recht glauben will. Glaube muss auch in der Lage sein, sich Kritik zu stellen. Das geht nicht ohne ein Mindestmaß an Vernunft. Jesus spricht von Weisheit und Klugheit. Beides ist aber auch, wir wissen es, nicht zwingend eine Leistung unseres Verstandes. Lebens-Weisheit ist oft auch eine Sache des Herzens: wie man emotional mit Erlebtem umgeht, wie man es in der eigenen Gefühlswelt einordnen kann, wie man daraus Kraft Orientierung für die Zukunft schöpfen kann. Da ist nicht Verstand das Wichtigste. Sondern oft ein bewusstes Zurückstellen des selben. Indem man eben dann nicht immer alles verstehen muss. Sondern auch einmal sagen kann: ich durchschau es nicht – aber Gott wird schon wissen warum. Und wenn sich diese Haltung im Leben bewährt hat, dann ist das auch ein Kapital für die Zukunft: ja, Vertrauen geht, Vertrauen lohnt sich! Das ist nicht unbedingt mit der Vernunft erklärbar. Aber eben dann doch da, wenn es gebraucht wird. So möchte ich auch die „Einfältigen“ verstehen, von denen Jesus spricht. Und uns alle dabei einschließen. Als Menschen, die wissen, dass einem der Verstand auch manchmal ordentlich im Weg stehen kann. Wenn man unbedingt alles durchschauen und erfassen will. Wer glaubt, das zu können, verpasst das Wesentliche. Das Wesentliche erkennen wir nur durch Offenheit und Vertrauen. Durch Gottvertrauen: wenn wir wieder einmal erkennen können: ja, mein Leben ist in der Hand Gottes gehalten. Ich spüre es, ich weiß es. Wie das „Zielpublikum“ Gottes aussieht, das sagt Jesus dann auch gleich im weiteren, im berühmten Zitat vom Anfang unseres Gottesdienstes: Kommt zu mir, all ihr Geplagten und Beladenen: Ich will euch erquicken. Das Wichtigste im Glauben ist nicht das Verstehen. Das wichtigste ist, Kraft zu bekommen, Erfrischung, Stärkung. Erleben wir das, dann ist es durchaus sinnvoll, dass wir uns Gedanken darüber machen, woher das Alles kommt, unser Glaubens-Gefühl mit Inhalten und Überzeugung fühlen. Aber zuerst einmal ist da das Empfinden: ja, es funktioniert. Im Gottvertrauen, wenn ich mich an Gott wende, da passiert wirklich etwas. Wir sind eingeladen, das zu tun: „Kommt her!“, sagt Jesus. Allerdings: dann kommt sozusagen das „Kleingedruckte“: „Nehmt mein Joch auf euch.“ Das klingt erst einmal gar nicht attraktiv, nach Unterwerfung und Fremdbestimmung. Mit dem Joch wurden Ochsengespanne gezwungen, dass zu tun, was ihr Besitzer von ihnen will. Das „Joch“ Jesu bedeutet, auch einmal ein wenig Selbstbestimmung abzugeben. Nicht aufzugeben – nur abzugeben, an einen, der gut und verantwortungsvoll mit uns umgeht. Der „sanft und demütig“ ist, uns nicht zwingen will, sondern uns nur einlädt. Einlädt das Ungesunde an unserem Drang, alles unbedingt immer im Griff haben zu müssen hinter uns zu lassen, um dann, wie es so schön formuliert ist: „Ruhe zu finden für meine Seele.” „Klingt vernünftig“, bin ich versucht zu sagen. Im Sinne der ganz eigenen „Vernunft“ Gottes. Amen. Gebet:Gott, du Ursprung des Lebens, Unser Vater … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Klaviernachspiel: Juliane Schleehahn: Improvisation
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