Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 4. Oktober2020
mit Pfr. Johannes Wittich – Erntedank
OrgelmusikSpruch: Psalm 145, 15:Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. Begrüßung:Nahrung für die Seele geht oft einher mit Nahrung für den Bauch. Dankbar dürfen wir die guten Gaben Gottes genießen, wirklich „sehen und schmecken, wie freundlich der Herr ist.“ Anfang Oktober feiern wir traditioneller Weise Erntedank. Mitten drin im Tun und Machen halten wir einen Moment inne und schauen auf das, was wir erreicht haben. Was Gott uns erreichen hat lassen, im Großen wie im Kleinen. Das macht dankbar – und ermutigt. Lässt uns nach vorne blicken. Ermutigen soll auch ein Gottesdienst, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Gebet:Mit all unserer Unruhe, (Klaas Hansen) Lied: Evangelisches Gesangbuch, 334, 1.4-6: Danke für diesen guten Morgen1.) Danke für diesen guten Morgen, 4.) Danke für manche Traurigkeiten, 5.) Danke, dass ich dein Wort verstehe, 6.) Danke, dein Heil kennt keine Schranken, Predigt: Mk. 8, 1-9a1 In jenen Tagen ist wieder viel Volk da und sie haben nichts zu essen. Da ruft er die Jünger herbei und sagt zu ihnen: Liebe Gemeinde! Letzte Woche im Religionsunterricht, in der 1. Klasse. Die Burschen und Mädchen sind gerade einmal vier Wochen am Gymnasium. Alles ist noch neu und aufregend. Ich möchte an Vertrautes anknüpfen und mache ein Spiel, genau genommen einen Wettbewerb. In mehreren Teams treten sie gegeneinander an. Die Aufgabe lautet: wer kennt die meisten Namen oder Geschichten aus der Bibel. Eifrig wird in den Gruppen diskutiert, hektisch die Ergebnisse auf Kärtchen aufgeschrieben. Ich habe ja einen bestimmten Zeitrahmen vorgegeben. Und diesem Zeitdruck ist es wohl geschuldet, dass manch ein Ergebnis, sagen wir mal so, nicht ganz präzise ausfällt. Auf einem Zettel findet sich: „Die Geschichte, wo Jesus macht, dass ein Blinder wieder hören kann.“ Oder: „Die Geschichte von Tieren auf dem Schiff.“ Martin Luther wird von zwei Gruppen zur biblischen Persönlichkeit erklärt. Auch „Maria Himmelfahrt“ muss als richtige Antwort ausgeschieden werden. Mein absoluter Liebling aber: „Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus.“ Sie wissen nicht, welche Geschichte gemeint ist? Ich war mir da auch ein wenig unsicher. Aber die Erklärung wurde gleich nachgereicht: „Na da, wo der Jesus den Menschen Brot und Fische gibt.“ Mit anderen Worten: „Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus“ ist die Zusammenfassung unseres heutigen Predigttexts, der Speisung der Viertausend – in manchen Versionen die Speisung der Fünftausend. Mich hat diese spontane Antwort der einen Schülergruppe gefallen. Denn, ohne es zu wissen, haben sie mit ihrer Kurzbeschreibung eine theologische Interpretation des Speisungswunders vorgenommen, noch dazu eine sehr gescheite: hängen geblieben sind nicht die sieben Brote und einige Fischen. Vielmehr geht es um das, was gesprochen wird. Das Wort steht im Mittelpunkt. Protestantischer geht es schon fast nicht mehr. Als hätten die Schüler ein anderes Bibelzitat im Kopf gehabt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern aus jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ (Mt. 4,4,). Ein Satz aus dem 5. Buch Mose, den dann später Jesus Satan um die Ohren hauen wird, als dieser ihn in der Wüste versuchen will. Für das Speisungswunder Jesu gibt es eine Reihe von klassischen Auslegungsmuster, wenn man so will, fertigen Predigtelementen. Die sind auch wirklich gut, bewährt durch die Jahrhunderte christlichen Nachdenkens über das, was Gott uns sagen will. Ein gerne hervorgehobener Aspekt der Geschichte ist: Jesus fordert seine Jünger heraus: tut es etwas für die hungernden Menschen. Die Jünger darauf: was sollen wir tun, es ist unmöglich! Die Antwort Jesu: schaut einmal genau hin, was ihr zum Verteilen habt. Worauf das eigentliche Wunder geschieht: das, was bereits da ist, reicht. Das, was wir haben, kann und soll geteilt werden. Denn wir haben viel mehr, als wir glauben. So viel, dass es auch für andere genug ist. Dieser Gedanke sollten sich vielleicht auch einmal bestimmte Politiker zu Herzen nehmen, wenn sie meinen: wir können nicht allen helfen. Ja, vielleicht nicht allen. Aber sicher mehr als wir glauben. Die andere „klassische“ Auslegung der Geschichte ist: die Menge des Essens, des zu Verteilenden, war und ist nicht das Wichtigste. Vielleicht waren es gar nicht so viele Brote und Fische, oder nicht so viele Menschen, wie man sich dann später aus der Erinnerung heraus erzählt hat. Entscheidend war: das miteinander Teilen hat Gemeinschaft entstehen lassen. Allen das Gefühl gegeben: ich gehöre dazu, man kümmert sich um mich, für mich wir gesorgt, ich bekomme, was ich brauche. Jesus zeigt den Menschen, zeigt uns, wie’s geht. Die Geschichte wird dann zum Vorgriff auf’s Abendmahl: ein kleines Stück Brot, ein Schluck Wein – und doch die Fülle an Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen. Daher ist diese Geschichte auch ein beliebter Text für das Erntedankfest. In Gottesdiensten, die dann fast zwangsläufig in die Feier des Abendmahls hineinführen. Allein: wir können im Moment kein Abendmahl feiern. Gerade das Greifbare, Physische, Materielle in der Feier des Abendmahls, das Angreifen des Brots, das Trinken aus dem gemeinsamen Kelch, ist in der Zeit der Pandemie zum Problem geworden. Wir müssen uns daher wieder dem Wort zuwenden. Deshalb finde ich die Zusammenfassung der Geschichte durch meine Schüler so genial, wie sie das eigentlich Wichtige an dem Wunder auf den Punkt bringen. Unbewusst liefern sie uns eine Corona-taugliche Auslegung: Mann geht auf Berg und spricht mit Jesus. Darum geht es: um unsere Fragen. Und die Antworten Jesu. Nachdenken, Dialog, Interaktion. Suchen und finden. Genährt, gestärkt, aufgebaut und ermutigt werden. Und das kann es, das Wort Gottes. Amen. Gebet:In unserem Überfluss kommen wir zu dir, Gott, Wir befehlen dir die Menschen an, denen es nicht so gut geht wie uns. Wir denken an alle, die im Krieg leben müssen, Wir denken an alle, die hungrig und durstig sind Wir denken an alle alten Menschen, Wir denken an alle Kranken und die, die im Sterben liegen. Amen. (Klaas Hansen) Unser Vater im Himmel … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Praeludium in F-Dur von Johann Sebastian Bach
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