Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 6. September 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgelvorspiel: Juliane SchleehahnSpruch: Psalm 63,2:Gott, du bist mein Gott, den ich suche, meine Seele dürstet nach dir. Wir sind immer auf der Suche, mal mehr und mal weniger. Das macht unser Leben aus: dass nicht oder noch nicht alles so ist, wie wir gerne möchten. Dadurch bekommt unser Leben aber erst auch Sinn: solange wir uns nach etwas sehen, sind wir lebendig, kreativ, tätig und engagiert. Wir sind immer auf der Suche, auch nach einem tiefen und festen Grund für unser Leben. Auch das manchmal mehr, manchmal weniger. Gut ist es, wenn wir diesen Grund unseres Leben in Gott finden können, und von diesem Glauben aus alle Dinge, die uns passieren zuordnen und besser verstehen können. Aber selbst als glaubende Menschen bleiben wir auf der Suche. Weil auch im Glauben noch lange nicht alles so ist, wie es sein sollte. Darum feiern wir gemeinsam Gottesdienst, um offenen Fragen einen Ort zu geben, Trauriges und Enttäuschendes anzusprechen und auf dankbar auf das zu schauen, was gelungen ist und gelingt. All das gehört dazu und hat seinen Platz, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Gebet: Psalm 100, 1b-5:1 Jauchzt dem Herrn, alle Länder. Singen wir nun den Psalm, den wir gerade gebetet haben. Lied: Evangelisches Gesangbuch, 288, 1-4: Nun jauchzt dem Herren, alle Welt1) Nun jauchzt dem Herren alle Welt! 2) Erkennt, dass Gott ist unser Herr, 3) Er hat uns ferner wohl bedacht 4) Die ihr nun wollet bei ihm sein, Predigt: Markus 9, 14-2714 Und als sie zu den andern Jüngern zurückkamen, sahen sie viel Volk um sie herum versammelt und Schriftgelehrte, die mit ihnen diskutierten. Liebe Gemeinde! „Alles ist möglich dem, der glaubt.“ Da kommt ein verzweifelter Vater zu Jesus. Sein Sohn sei, so sagt er, von einem bösen Geist besessen. Das ist biblische Sprache. Heute würden wir sagen: der Sohn hat eine schwere Krankheit, möglicher Weise mit psychischen Ursachen, schaut man sich die beschriebenen Symptome an, so kann es sich auch um Epilepsie gehandelt haben. In jedem Fall ist es eine Erkrankung, für die es damals noch keine Therapie gegeben hat. Jesus werden heilende Fähigkeiten nachgesagt, und so ist es naheliegend, dass der verzweifelte Vater sich an ihn wendet. Allerdings tut er das ganz vorsichtig. So richtig überzeugt ist er nicht. „Wenn du etwas vermagst“, so sagt er zu Jesus, „dann hilf uns bitte.“ Wahrscheinlich ist schon viel versucht worden, um diesem Kind zu helfen, ohne Erfolg. Sogar die Jünger von Jesus haben sich schon bemüht, den Buben zu heilen – ohne Erfolg. Wie der Vater sich fühlt, können wir nachvollziehen: da geht man als Kranker von Arzt zu Arzt, von Spezialist und Spezialist, und keiner kann einem helfen. Zu Jesus zu gehen ist also für diesen Vater ein weiterer Versuch, nach vielen gescheiterten Versuchen davor. Und man kann heraushören, wie erschöpft und frustriert dieser Vater schon ist. „Alles ist möglich dem, der glaubt.“ Das ist die Antwort von Jesus auf die vorsichtigen Zweifel des Vaters. Dieser lässt sich darauf ein: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben,“ schreit er verzweifelt. Bei anderen Heilern hat er wahrscheinlich schon jede Menge Zeil und Geld verschwendet. Dieser Heiler, Jesus, verlangt nur Glaube. „Wenn du willst, dass ich an dich glaube, dann tu ich das gerne,“ scheint der Vater zu sagen. Schließlich weiß es, was auf dem Spiel steht: die Gesundheit, mehr noch: die Zukunft seines Sohnes. Dafür ist er bereit, alles zu tun, alles auf diese Karte „Jesus“ zu setzen. Nur: es bleiben Zweifel, es bleiben Unsicherheiten, die kann er nicht so einfach abschütteln. So einfach geht das nicht mit dem Glauben. Daher, sagt er zu Jesus: Wenn du willst, dass ich glaube, dann musst du mir auch meinen „Unglauben“ abnehmen. Den werde ich nicht von selber los. Schon spannend: Glaube ist nicht eine Sache des Wollens. Glaube kann nicht erzwungen werden. Zum Glauben kann eigentlich auch niemand überredet werden, mit g’scheiten Argumenten und spitzfindigen Erklärungen. Glaube ist offensichtlich etwas, was von selber entsteht, entstehen muss. Nicht „von selbst“, sondern durch Gott selbst, an den geglaubt wird. Durch seinen Geist, der in Menschen drinnen etwas bewirkt und auslöst. Ebenso spannend: da stehen wir in diese Szene von Jesus und dem kranken Buben ganz am Beginn der Bewegung, aus der dann einmal die große, weltumspannende christliche Kirche werden soll. Schon da wird aber schon festgehalten: Glaube ist nicht das Annehmen von bestimmten Inhalten, Glaubenssätzen, Dogmen, Bekenntnissen. Glaube ist das Vertrauen, dass Gott sich darum kümmern wird, dass Glaube entsteht, dass wir glauben können. „Alles ist möglich, dem der glaubt“. Dass ausgerechnet die österreichischen Lotterien diesen Satz als Werbespruch verwenden, ist schon interessant. Wobei: der Werbeslogan lautet nur: „Alles ist möglich“. Im Weiteren müsste es dann wohl heißen: „Alles ist möglich dem, der einen Lottoschein ausfüllt und den Einsatz bezahlt.“ Beim Lotto ist wirklich alles möglich. Jede beliebige Zahlenkombination kann bei der Ziehung herauskommen. Das herrscht ausschließlich das Zufallsprinzip. Was aber von Anfang aber auch klar ist: es ist nur eine begrenze Summe im Topf. Und damit gibt es, zwangsläufig Gewinner (wenige) und Verlierer (die Mehrheit.) Das ist beim Glauben zum Glück anders. Das zu vergebende „Glaubenskapital“ ist grenzenlos und unerschöpflich. Jeder oder jede kann sich aus dem großen „Glaubenstopf“ nehmen, so viel er oder sie braucht. Jeder und jede kann den Jackpot knacken, wenn er oder sie will. Was wir brauchen an Sicherheit, Gottvertrauen, Hoffnung, Unterstützung – es steht ohne Einschränkungen zur Verfügung. Glaube ist ein Angebot. Wir dürfen uns davon so viel nehmen, wie wir brauchen. Und draus machen, so viel wir wollen. Ich glaube das ist das, was Jesus mit dem „Alles ist möglich dem, der glaubt“, gemeint hat. Nur weil wir glauben, muss noch lange nicht alles so laufen, wie wir es uns wünschen. Aber: wir dürfen uns alles wünschen. Wir dürfen in großen Dimensionen denken und planen. Wir dürfen getrost sagen: „Nach menschlichem Ermessen, wird das nix. Aber nach göttlichem Ermessen ist alles drin.“ Das spielt besonders eine Rolle, wenn wir mit dem Tod konfrontiert sine. Nach menschlichem Ermessen ist mit dem Tod alles zu Ende. Trotzdem: mit so einem Satz geben wir uns nicht zufrieden. Wir spüren, wir merken, ja, wir glauben, dass da mehr ist. Glaube bringt selbst den Tod und seine Endgültigkeit ins Wanken. Wir glauben und hoffen über den Tod hinaus. Weil eben alles möglich ist. Im Vertrauen auf Gott. Amen. Gebet: Gott, Schöpferkraft,unsere Sorgen werfen wir auf dich. Wir denken an die, die aus ihren Problemen nicht herausfinden. Wir denken an die Resignierten, die sagen: Wir denken an die Wütenden, Wir denken an die Regierenden, Wir denken an die Kranken und Sterbenden, Gott, Schöpferkraft, unsere Sorgen werfen wir auf dich. (Ralf Drewes) Unser Vater im Himmel … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Klaviernachspiel: Juliane Schleehahn: Robert Schumann: Auszug Nr. 21 aus “Album für die Jugend”
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