Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 7. Juni 2020
mit Gerti Rohrmoser.
Präludium: Improvisation des Organisten (Johannes Wolfram)Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen!Begrüßung:Mit diesem sehr bekannten Gruß aus dem 2. Korintherbrief möchte ich Sie heute in diesem Gottesdienst willkommen heißen. Gebet:Im Auf und Ab unserer Zeit, Im Auf und Ab unserer Zeit, Im Auf und Ab unserer Zeit, (Arno Schmitt) Lied: Evangelisches Gesangbuch 133, 1,2,7,8: Zieh ein zu deinen Toren1) Zieh ein zu deinen Toren, 2) Zieh ein, lass mich empfinden 7) Du bist ein Geist der Liebe, 8) Du, Herr, hast selbst in Händen „Auch der Predigttext, den ich für heute gewählt habe, ist ein gut bekannter Abschnitt aus dem Matthäusevangelium, dessen Schluss nämlich: Die elf Jünger aber gingen nach Galiläa, auf den Berg, wohin Jesus sie befohlen hatte. Und als sie ihn sahen, warfen sie sich nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat zu ihnen und sprach: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Geht nun hin und macht alle Völker zu Jüngern: Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Liebe Gemeinde, im Jahr 325 lud der römische Kaiser Konstantin alle 1800 Bischöfe seines Reiches nach Nicäa bei Konstantinopel ein. 300 davon trafen zusammen mit Presbytern und Diakonen. An die 2000 Theologen debattierten über zwei Monate lang über diese eben gehörte Dreieinigkeit Vater, Sohn und heiliger Geist. Erst zwölf Jahre zuvor hatte der Kaiser durch ein Toleranzedikt das Christentum als offizielle Religion zugelassen. Einigen Bischöfen sah man die Verstümmelungen an, die Ihnen die letzte große Christenverfolgung eingebracht hatte, die wiederum gerade einmal 15 Jahre zurücklag. Der Sinneswandel des Kaisers war eigentlich – frommen Legenden zum Trotz – taktischer Natur gewesen: Er erhoffte sich von den auf das Reich verteilten und gut miteinander vernetzten Christen eine stabilisierende Wirkung in seinem Vielvölkerstaat. Nun war allerdings in dieser sonst so friedlichen und toleranten Religion ein erbitterter Streit ausgebrochen. Das mit der stabilisierenden Wirkung drohte also nach hinten loszugehen. Entstanden war der Streit in in Ägypten. Ein Presbyter namens Arius widersprach in einer Diskussionsrunde seinem Bischof und behauptete, Jesus sei nicht auf einer Ebene mit Gott zu sehen, es habe ihn nicht schon immer gegeben, sondern er sei von Gott geschaffen worden und als Geschöpf diesem somit untergeordnet. Ein anderer Mitarbeiter des Bischofs, der Diakon Athanasius, hielt dagegen und meinte, wäre Jesus tatsächlich ein Geschöpf Gottes sei, könne er nicht der Erlöser sein. Jesus sei vielmehr schon immer ein Teil Gottes gewesen, sei von diesem auch nicht zu unterscheiden. Die Auseinandersetzung versetzten den gesamten Mittelmeerraum in Aufruhr und so gab es über die Frage, wie göttlich Jesus Christus sei, in den folgenden Jahren den ersten großen Konflikt, der die junge Christenheit zu spalten drohte. Wie gesagt: über zwei Monate weilten die Delegationen in Nicäa und redeten sich die Köpfe heiß. Dann wurde dem Kaiser die Streiterei der Theologen zu blöd und er ließ einen Kompromiss formulieren. Das sogenannte „Nicäum“, ein Glaubensbekenntnis in dem es über Jesus heißt, er sei „gezeugt aus dem Wesen des Vaters, gezeugt und ungeschaffen, wesenseins mit dem Vater.“ Um dem Kaiser einen Gefallen zu tun, unterschrieben fast alle Anwesenden diese Formulierung. So richtig verstanden hat sie niemand. Die Lehre des Arius sollte jedenfalls nicht weitergetragen werden, er selbst wurde verbannt. Liebe Gemeinde, für uns heute erscheint der Streit um die Dreieinigkeit lächerlich. Und das Konstantinsche Kompromisspapier noch viel unverständlicher als seinen Zeitgenossen. Wir können einfach nicht mehr nachvollziehen, um welche Spitzfindigkeiten es da ging, und warum man sich darüber so ereifert hat. Es ist, wie es für Außenstehenden öfter einmal ist, wenn man Streitenden zuhört: Irgendwelche Kleinigkeiten werden aufgebauscht und bekommen eine Eigendynamik. Und in der Tat glaube ich, dass die Frage, um die es in Nicäa ging, für uns heute nicht von so großer Relevanz ist. Wohl aber die Absicht der Streitenden. Sie alle wollten nämlich die Trinität erklären. Sie suchten nach Bildern und Vergleichen für die Dreieinigkeit. In Nicäa ging es vor allem um das Verhältnis des Vaters zum Sohn, ein paar Jahrzehnte später wiederholte sich das Szenario bei der Frage nach dem Wesen und der Aufgabe des Heiligen Geistes. Interessant ist, dass alle Streithähne die Dreieinigkeit an sich nicht in Frage stellen. Und das, obwohl wir darüber in der Bibel kein Wort finden. Außer ein paar Wendungen, die im Nachhinein so interpretiert werden konnten, dass sie sich auf die Dreieinigkeit bezogen. Selbst Paulus, der sich ja normalerweise für verzwickte Gedankenspiele stets erwärmen konnte, redet von vielem, aber nie von der Trinität. Der einzige Satz in der Bibel, in dem sie so vorkommt, wie wir sie heute oft zitieren, ist der sogenannte Taufbefehl, der vorhin gelesene Text am Ende des Matthäusevangeliums. Der auferstandene Jesus gibt seinen Jüngern den entscheidenden Auftrag zu missionieren und zu taufen. Die darin eingearbeitete Taufformel „… auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ ist tatsächlich der erste Beleg für die Dreieinigkeit Gottes. Sie ist aus den Taufritualen der ersten Christen entstanden, wurde auf Synoden diskutiert und schließlich festgelegt. Das passiert freilich erst ca. 50 Jahre nach Jesu Tod, in einer Zeit, in der sich das Christentum zu festigen beginnt und sich Regeln herausbilden. Von da an bleibt die Trinität von wenigen Ausnahmen unbestritten – wenn auch in ihrer Interpretation hart umkämpft. Sie muss also in ihrer Entstehungszeit etwas sehr überzeugendes gehabt haben. Sie muss sich quasi selbst erklärt haben. Denn als bloßes theologisches Gedankenkonstrukt hätte sie diese Bedeutung niemals erlangt. Der Gedanke, dass Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei, muss in den Gemeinden verstanden und weitergetragen worden sein. Auch wenn man sich das angesichts der diffizilen Argumentationen und hochtheoretischen Diskussionen auf den Konzilen – es gab nach Nicäa noch einige weitere – schwer vorstellen kann. Wir müssen also zurück verfolgen, was für die Dreieinigkeit gesprochen hat und hoffen dabei zu entdecken, welche Bedeutung sie für uns heute haben kann. • Erstens handelt es sich um den Gott, den man als Gott Israels kennen und lieben gelernt hat, der das eigene Leben und das der Vorfahren beschützt. Das immer sich wiederholende Lob für die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten steht für die Erfahrung mit Gott an sich: Gott ist einer, der befreit und der die Macht hat, Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. • Zweitens geht es um den Menschen Jesus, der die Macht Gottes mit außergewöhnlicher Friedfertigkeit verband, viel von Versöhnung und Erlösung sprach und Gott „Vater“ nannte. Seinen unrühmlichen Tod und die spektakulären Erscheinungen des Auferstandenen verstehen seine Anhänger nach dem ersten Schock sehr bald so, dass Gott mitten unter ihnen etwas ganz Grundsätzliches hat geschehen lassen: Die Menschen sollen erlöst sein – erlöst von der Angst vor dem Tod und dem Gericht. • Und drittens fühlten die Menschen etwas Verbindendes, das ihnen unmittelbar von Gott auszugehen schien – einen besonderen Geist eben. Die Pfingstgeschichte ist der Versuch einer Erklärung dieses Gefühls, freilich übersteigert ins Wundersame. Aber sie steht für ein Gemeinschaftsgefühl, ein gegenseitiges Verständnis und für eine Aufbruchsstimmung, die den Menschen nicht anders erklärlich war als direkt von Gott gesteuert. Diese drei Dinge sind tatsächlich unterschiedlich. Die letzten beiden sind ganz neu. Und sie gehen den Menschen nahe. Jesus hatte mitten unter ihnen gelebt und der Geist beflügelt ihre Herzen, zog sie in seinen Bann. Gott konnte aber nach der damaligen Vorstellung eigentlich den Menschen unmöglich so nah kommen. Der Gott Israels durfte ja nicht einmal beim Namen genannt werden und die Menschen sollten sich von ihm kein Bild machen. Und auch was den heiligen Geist anging, gab es eine leicht missverständliche Parallele: Die griechische Philosophie der damaligen Zeit hatte ein Modell für Geisteszustände, nach dem Menschen durch bestimmte Erkenntnisse in höhere Sphären aufsteigen konnten. Aber das hatte mit dem Geist Gottes nichts zu tun. Um mit solchen Ideen nicht in Verbindung gebracht zu werden, haben die ersten Christen die neuen Erscheinungs- und Erfahrungsformen Gottes geschickt in ihren Glauben integriert. Das Erstaunliche dabei ist, dass sie der Versuchung widerstehen konnten, sich einen ganz neuen Gott auszudenken. Die neuen Erscheinungen Gottes sollten auf keinen Fall den „alten“ Gott alt aussehen lassen. Ihm galt es die Ehre zu geben. Nicht ER hatte sich verändert, sondern die Menschen konnten ihn durch Jesus Christus besser verstehen. Wenn wir heute mit der Trinität nicht mehr so viel anfangen können, dann liegt es vielleicht einfach daran, dass wir mit anderen Voraussetzungen daran gehen, uns Gott vorzustellen. Die größte Gefahr für den christlichen Glauben sind heute nicht mehr andere Religionen und Philosophien, sondern eine Art Sprachlosigkeit. Wir dringen mit unseren Beschreibungen von Gott nicht mehr zu den Menschen durch. Deshalb sind wir heute in anderen Richtungen auf der Suche danach, ihn in geeigneter Weise zur Sprache zu bringen. Manchmal geraten wir so auch in Versuchung, den Glauben an Gott zu vereinfachen. Der Kinderglaube wird oft hoch gepriesen als „reine“ und ursprüngliche Form des Glaubens. Aber so einfach ist es eben doch wieder nicht. Wir müssen uns schon auch unsere Gedanken machen. Beziehungsweise kommen die ja ganz von selbst, wenn wir in der Bibel lesen. Und wenn wir uns dem stellen, über Gott genauer nachzudenken, dann kommen wir auch auf diese Fragen, wie göttlich Jesus ist und was eigentlich genau der Heilige Geist zu tun hat. Fragen, die in der Bibel durchaus nicht abschließend geklärt sind und die wir Menschen wohl nie werden klären können. Wichtig und der Bibel gemäß ist, dass wir Gott alles zutrauen, dass wir ihm vertrauen. Dass wir ihm unser Leben anvertrauen und uns selbst und unsere Gedanken nicht zu wichtig nehmen. Die Formel der Dreieinigkeit, die wir in Gebeten und vor allem in der Taufe benutzen, erinnert uns immer daran, dass Gott nicht verfügbar ist. Er begegnet uns in verschiedenen Weisen, als Vater, als Sohn und als Geist. Das kann man als Verwirrspiel verstehen, aber auch als Bereicherung. Denn so steht er uns auch in diesen Facetten als Ansprechpartner zur Verfügung. Er ist allmächtig und ohnmächtig, menschlich und vergeistigt, verborgen und greifbar. Ich glaube, das war es, was die ersten Christen fasziniert hat und das die Lehre der Dreieinigkeit so populär hat werden lassen: In der Dreieinigkeit ist uns Gott noch näher, macht uns aber auch toleranter und bleibt immer für Überraschungen offen. Amen. Fürbitte:Guter Gott, Wir bitten Dich um deinen Trost Begleite Deine Sprache werde unser täglich Brot Und gemeinsam beten wir: Unser Vater im Himmel … Abkündigungen:Segen:Gott lasse seine Freundlichkeit Er halte seine Hand schützend über dir Er gewähre dir eine gute Zeit Er wache über deine Gesundheit Wird dir ein Weg schwer, Gott lasse dich an jedem Tag wachsen Orgelnachspiel: Improvisation des Organisten (Johannes Wolfram)Mit freundlicher Genehmigung des Komponisten. |