Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, am 6. Februar 2022
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgelvorspiel: Juliane SchleehahnLied: Evangelisches Gesangbuch, 166, 1.2.4: Tut mir auf die schöne Pforte1) Tut mir auf die schöne Pforte, 2) Ich bin, Herr, zu dir gekommen, 4) Mache mich zum guten Lande, Spruch: Hebr. 3, 15:Heute, da ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht. Begrüßung:Leicht wird das, was Gott uns sagen will, übertönt vom Lärm um uns herum, von er Unruhe in unserem Leben. Gut, dass wir uns den „ruhigen Moment“ eines Gottesdienstes gönnen können. Unsere Herzen, aber auch unseren Verstand öffnen können, für neue Gedanken, tröstliche und aufbauende, inspirierende und wegweisende. Nicht unbedingt durch das, was in der Predigt gesagt wird, sondern das, was im Gottesdienst in uns durch Gottes Geist entsteht. Offene Herzen wünsche ich uns allen für diesen Gottesdienst. Gott segnet unser Reden und Hören, unser Singen und Beten. wenn wir gemeinsam feiern, im Namen … Psalm 119, 105-112:105 Dein Wort ist eine Leuchte meinem Fuss Gebet:Vor dir Gott, Lesung: Lk. 8,4-8 (9-15): Wie das Wort Gottes wirkt, das erzählt Jesus vor einer großen Volksmenge in einem Gleichnis:4 Als nun viel Volk zusammenkam und Leute aus allen Städten ihm zuströmten, sprach er in einem Gleichnis: 5 Der Sämann ging aus, seinen Samen zu säen. Und beim Säen fiel etliches auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel des Himmels frassen es auf. 6 Anderes fiel auf Fels, ging auf und verdorrte, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Anderes fiel mitten unter die Dornen, und mit ihm wuchsen die Dornen und erstickten es. Lied: Evangelisches Gesangbuch, 379, 1.2.5: Gott wohnt in einem Lichte1) Gott wohnt in einem Lichte, dem keiner nahen kann. 2) Und doch bleibt er nicht ferne, ist jedem von uns nah. 5) Nun darfst du in ihm leben und bist nie mehr allein, Predigt zu Apg. 16, 13-24: Der Apostel Paulus und sein Begleiter und Freund Silas in Philippi:13 Am Sabbat gingen wir vor das Stadttor hinaus an einen Fluss; wir nahmen an, dass man sich dort zum Gebet treffe. Wir setzten uns nieder und sprachen mit den Frauen, die sich eingefunden hatten. 14 Auch eine Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus Thyatira, eine Gottesfürchtige, hörte zu; ihr tat der Herr das Herz auf, und sie liess sich auf die Worte des Paulus ein. Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder! Dabei hatte doch alles so gut angefangen für Paulus und Silas! Und jetzt das: angezeigt, verhaftet, vor Gericht gezerrt. Verurteilt zu Peitschenhieben, ins Gefängnis geworfen, die Füße im Block gefesselt. Und das Alles nur, ja, weshalb eigentlich? Schauen wir uns die Vorgeschichte an: vor dem gerade Gehörten war etwas geschehen, was bis heute Auswirkungen hat, und zwar für einen jeden und jede von uns: Paulus, der bis jetzt nur im östlichen Mittelmeer und im heutigen Anatolien unterwegs gewesen ist, das Evangelium verkündet, Menschen für den neuen Glauben gewonnen, Gemeinden gegründet hat, er hat zum ersten Mal europäischen Boden betreten. Damit beginnt die Geschichte des Christentums auf unserem Kontinent. Heute nehmen wir das als selbstverständlich hin, sprechen vom christlichen Abendland, halten das Christentum für etwas durch und durch Europäisches. Dabei hat es dieses einen Schrittes des Paulus bedurft, die Fahrt über’s Meer von der heutigen Türkei ins heutige Griechenland, um den Glauben an Jesus Christus erst überhaupt zu etwas Europäischem zu machen. Die erste Stadt, in der Paulus seine Tätigkeit als Verkündiger der guten Botschaft Gottes beginnt, ist Philippi. Wie er das angeht, ist schon spannend. In anderen Städten sucht Paulus gern einmal die örtliche Synagoge auf. Schließlich ist er ja selbst Jude. Dort ist es üblich, dass die Männer über religiöse Fragen diskutieren. Das tut Paulus dann auch, aber bringt in die zunächst einmal innerjüdische Diskussion gerne die neue Sicht der Dinge hinein, die er von Jesus gelernt hat. Er polarisiert damit, die Reaktionen könnten nicht unterschiedlicher sein. Manche schließen sich ihm an, lassen sich taufen; andere lassen ihn als Unruhestifter erst aus der Synagoge, dann glich aus der Stadt werfen. Manch eine Predigt des Paulus findet auch auf dem Marktplatz des jeweiligen Ortes Stadt. Dort wo sich gelehrte Redner treffen und auch auf ein interessiertes Publikum zu finden ist. Aber hier, in Philippi, geht Paulus ganz anders vor. Er setzt sich an den Fluss. Denn dort treffen sich Frauen zum Gebet. Keine jüdischen Frauen, aber offensichtlich solche, die mit dem jüdischen Glauben sympathisieren. Die Bibel nennt sie „Gottesfürchtige“. Zur Synagogengemeinde gehören sie daher nicht; sich mit den gelehrten Männern auf dem Marktplatz messen, wollen sie auch nicht. Sie wollen unter sich sein, ganz unspektakulär, wohl auch zum Gespräch und zum Austausch und eben zum Gebet. Mit diesen Frauen spricht Paulus. Man hat einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt: die jüdische Tradition. Aber beide Seiten wollen auch aus der jüdischen Tradition heraustreten. Paulus, weil sich ihm durch Christus neue Aspekte eröffnet haben. Und Lydia, weil es für sie als „Heidin“ nur schwer möglich ist, wirklich ein Teil der jüdischen Gemeinde zu werden. Der Glaubenszugang des Paulus, also Judentum mit einer Weite für alle, die zum Gott der Juden dazugehören werden, ist die Perspektive, die Lydia braucht. Und so lässt sie sich taufen. Oft genug endet hier im Gottesdienst die Geschichte und die Predigt ist dann über Lydia, die erste europäische Christin. Die Geschichte geht aber weiter, und es tritt eine weitere Frau auf, und die ist ganz und gar anders: eine Sklavin mit hellseherischen Fähigkeiten. Die mit ihrer Gabe von ihren Besitzern (anscheinend sind es sogar mehrere) äußerst gewinnbringend vermarktet wird. Eigentlich ideal für Paulus und Silas. Ihnen und ihrer Botschaft mag man vielleicht in Philippi nicht glauben, aber wenn das der lokale Wahrsage-Star sagt, dann muss es wohl stimmen. Das ist eine Form von Öffentlichkeitsarbeit, die besser nicht sein könnte. Die Frau sorgt für Aufmerksamkeit, lenkt den Blick auf die beiden und ist auch noch eine Art „Testimonial“. Allerdings: es wird berichtet, dass Paulus davon nur genervt war. Nach ein paar Tagen hat er es satt. Auf diese Art von PR kann und will er gerne verzichten. Und so macht er Gebrauch von seinen besonderen Fähigkeiten, die Gott ihm geschenkt hat. Er kann böse Geister aus Menschen austreiben. Das macht er jetzt auch: er treibt den Wahrsagegeist, der die Frau immer wieder erfasst und offensichtlich auch terrorisiert aus. Ganz sicher auch in der guten Absicht, dieser Frau wieder ein gesundes und „normales“ Leben zu ermöglichen. Aber damit beginnen erst die Probleme. Denn: nun hat diese Frau als Einnahmequelle für ihre Besitzer ausgedient. Das so einfach verdiente Geld, es fließt nicht mehr. Geschäftsschädigendes Verhalten des Paulus, das es schlimmer nicht sein könnte. Die Reaktion der Besitzer ist nachvollziehbar: sie zerren Paulus und Silas vor den Kadi. Mit den schon am Anfang erwähnten Folgen. Hat das sein müssen? Ich denke ja. Zum einen kann Paulus guten Gewissens auf sprichwörtlich „marktschreierische“ Methoden der Verkündigung verzichten. Seien Botschaft ist nichts Lautes und Oberflächliches. Die Botschaft von der Zuwendung Gottes zu den Menschen ist auch eine der gegenseitigen Zuwendung zwischen Menschen. Und die ist nachhaltiger als öffentliche Aufmerksamkeit, die, damals wie heute, schnell verpuffen kann. Die „Werbung“ für den neuen Glauben geschieht am Fluss, beim Reden, Zuhören, gemeinsamen beten. Und aus dem Glauben an einen liebenden Gott kann Paulus letztlich auch nicht anders, als diese wahrsagende Frau von ihrem „Wahrsagegeist“ zu befreien. Dieser macht sie abhängig, bestimmt ihr Leben, und bringt andere Menschen dazu, über sie zu bestimmen, aus reiner Geldgier. Die Purpurhändlerin Lydia findet aus der kleinen, feinen Splittergruppe am Fluss hinein in eine weltweite Glaubensbewegung. Die hellsehende Sklavin muss jetzt als Mensch gesehen und ernst genommen werden; ihr Wert wird nicht mehr von ihrer vermeintlichen Fähigkeit, die in Wirklichkeit nur eine Last ist, bestimmt. Und Paulus und Silas: für die geht die Geschichte zunächst einmal gar nicht gut aus. Aber, „Spoileralarm“, wie es bei den Jugendlichen heißt: selbst aus der Situation im Gefängnis lässt Gott etwas Gutes entstehen. Aber das ist eine andere Geschichte. Orgelzwischenspiel: Juliane SchleehahnGebet:Barmherziger Gott, lieber Vater im Himmel, Für Menschen, die an deinem Wort verzweifeln: Für Menschen, die in unserer Gemeinde mitarbeiten Für alle, die aus anderen Ländern in unser Land kommen Für alle, die politisch Verantwortung haben, Zuletzt, lieber Vater im Himmel, Und gemeinsam beten wir … Unser Vater im Himmel … Abkündigungen:Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Lied: Evangelisches Gesangbuch, EG: 347, 1-4: Ach bleib mit deiner Gnade1) Ach bleib mit deiner Gnade 2) Ach bleib mit deinem Worte 3) Ach bleib mit deinem Glanze 4) Ach bleib mit deinem Segen Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Praeludium VI in g-Moll von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
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