Foto: Franz Radner

 

 

 

Gottesdienst mit Abendmahl zum Ostersonntag
aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten am 17. April 2022
mit Pfr. Johannes Wittich


Orgelvorspiel: Juliane Schleehahn:
Lied: Evangelisches Gesangbuch, 450, 1-3: Morgenglanz der Ewigkeit

1) Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschöpften Lichte,
schick uns diese Morgenzeit
deine Strahlen zu Gesichte
und vertreib durch deine Macht
unsre Nacht.

2) Deiner Güte Morgentau
fall auf unser matt Gewissen;
lass die dürre Lebensau
lauter süßen Trost genießen
und erquick uns, deine Schar,
immerdar.

3) Gib, dass deiner Liebe Glut
unsre kalten Werke töte,
und erweck uns Herz und Mut
bei entstandner Morgenröte,
dass wir eh wir gar vergehn,
recht aufstehn
.

Spruch: Offb. 1,18:

Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Begrüßung:

Christi Sieg über den Tod ist besonders im Buch der Offenbarung ein Ereignis von kosmischer Dimension. Es stellt die Weltordnung auf den Kopf. Diese Vorstellung will heruntergebrochen sein auf unser Leben, mit der Frage: was bedeutet das für mich persönlich?

Ein Beispiel für so einen erlebten Durchbruch finden wir im 118. Psalm:

Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten:
Die Rechte Gottes behält den Sieg!
Die Rechte Gottes ist erhöht; die Rechte Gottes behält den Sieg!
Ich werde nicht sterben,
sondern leben und des Herrn Werke verkündigen.
Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Das ist durch Gott geschehen
und ist ein Wunder vor unseren Augen.
Dies ist der Tag, den Gott macht;
lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.

In dieser Freude feiern wir Gottesdienst, im Namen des Vaters und des Sohnes …

Gebet:

Gott, wir hören die Botschaft.
Jesus ist aus dem Grab erstanden.
Der Tod hat seine Macht verloren.
Das wollen wir glauben.
Wenn wir die Welt anschauen,
wie sie ist, mit ihren Kriegen und Krisen,
den ungelösten Problemen und Herausforderungen,
wachsen unsere Zweifel.
Vielleicht hat doch der Tod das letzte Wort?
Gott, was Menschen vor uns geglaubt haben,
worauf sie gehofft, wofür sie sich in ihrem Leben eingesetzt haben,
das will auch uns bewegen und antreiben:
Du, Gott, bist unter uns lebendig.
Wir bekennen uns zur Auferstehung des Lebens.
Der Tod hat seine Macht verloren.
Das dürfen wir heute wiederholen.
Schenke uns Mut und Ausdauer
für unser Leben als Christinnen und Christen,
durch das Hören auf dein Wort.
Du bist da.
Amen.

Lesung: Der Prophet Jesaja rühmt die Größe Gottes: Jesaja 40, 26-31:

26Blickt nach oben
und seht: Wer hat dies alles geschaffen?
Er, der ihr Heer hervortreten lässt, abgezählt,
sie alle ruft er mit Namen herbei.
Der Fülle an Kraft wegen, und weil er vor Kraft strotzt,
geht kein Einziger verloren.
27Warum, Jakob, sagst du,
und, Israel, warum sprichst du:
Mein Weg ist dem Herrn verborgen,
und mein Recht entgeht meinem Gott?
28Hast du es nicht erkannt, hast du es nicht gehört:
Ein ewiger Gott ist der Herr,
der die Enden der Erde geschaffen hat!
Er ermattet nicht und wird nicht müde,
seine Einsicht ist unerforschlich.
29Dem Ermatteten gibt er Kraft,
und wo keine Kraft ist, gibt er grosse Stärke.
30Und junge Männer ermatten und werden müde,
Männer straucheln unvermeidlich.
31Die aber, die auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft,
wie Adlern wachsen ihnen Schwingen,
sie laufen und werden nicht müde,
sie gehen und ermatten nicht.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 116, 1-3: Er ist erstanden, Halleluja
Predigttext: Jh. 20, 24-29:

24Thomas aber, einer der Zwölf, der auch Didymus genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25Da sagten die anderen Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sagte zu ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und nicht meinen Finger in das Mal der Nägel und meine Hand in seine Seite legen kann, werde ich nicht glauben. 26Nach acht Tagen waren seine Jünger wieder drinnen, und Thomas war mit ihnen. Jesus kam, obwohl die Türen verschlossen waren, und er trat in ihre Mitte und sprach: Friede sei mit euch! 27Dann sagt er zu Thomas: Leg deinen Finger hierher und schau meine Hände an, und streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29Jesus sagt zu ihm: Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Selig, die nicht mehr sehen und glauben!

Predigt:

Liebe Gemeinde!

Es gibt einen Cartoon, der diese Szene in unsere Zeit überträgt. Da sieht man die Jünger, wie sie sich online zu einer Videokonferenz versammeln. Und plötzlich erscheint in einem der Fenster auf dem Bildschirm der Name von Jesus und seine Stimme ist zu hören. Allerdings: es ist kein Bild zu sehen. Die Jünger sind erstaunt, aber auch sichtlich erfreut, dass Jesus sich „zugeschaltet“ hat. Bis auf Thomas. Der meint: „Solange Jesus seine Kamera nicht eingeschaltet hat, glaube ich nicht, dass er es wirklich ist.“

Nun wissen wir alle, dass in der virtuellen Welt so ziemlich alles möglich ist, wenn es um Illusionen und Täuschungen geht. Daher taugt der Cartoon nur bedingt als aktuelle Fassung oder Modernisierung der Thomas-Geschichte. Mehr noch: er hat mir wieder deutlich werden lassen: in der Begegnung zwischen Jesus und Thomas geht es um eine echte Berührung, keine virtuelle. Thomas „liked“ Jesus nicht und bekommt im Gegenzug auch keine Freundschaftsanfrage. Nein, es geht um etwas ganz Reales. Den Finger in die Wunde legen. Sprichwörtlich geworden: etwas ansprechen, so wie es ist. Auch wenn es unangenehm ist, schmerzt.

Ich würde das gerne die „Thomas-Methode“ nennen, um an Dinge heranzugehen: Hineingreifen, hineinhören, hineinfühlen in die Wunden dieser Welt.

Wen oder was spüren wir, wenn wir in eine Wunde dieser Welt hineingreifen? Uns wirklich mit einem schweren, tragischen, belastenden, schockierenden Aspekt menschlicher Existenz beschäftigen. Wirklich beschäftigen, nicht nur mit dem Kopf, nicht nur theoretisch, nicht nur zur Erweiterung unseres Wissens darüber, was es so alles gibt, wie das manch eine voyeuristische Fernsehdokumentation tut. Sondern uns wirklich hineinbegeben in eine reale Lebenssituation: einen kranken Menschen pflegen. In einer Familienkrise vermitteln. Uns um einen Flüchtling kümmern. Einem Obdachlosen zuhören. Einem Jugendlichen abnehmen, dass er ganz einfach nicht weiß, wohin sein Leben geht und daher gar nicht anders kann, als sich seltsam zu benehmen.

Wen oder was spüren wir, wenn wir voll hineingreifen in eine Wunde dieser Welt?

Wir spüren Gott selbst. Der sich auf die Wunden dieser Welt einlässt. Das Leiden Jesu repräsentiert sozusagen fokussiert das Leiden in dieser Welt. Ist Beispiel dafür, auf Golgatha, welche Wunden Menschen einander zufügen können in ihrer Gemeinheit, Rücksichtslosigkeit, aber auch durch Wurschtigkeit und Mangel an Interesse füreinander. Körperliche Wunden, aber auch und besonders: seelische Wunden. Seit Jesu Tod ist das wichtiger Kernpunkt unseres Glaubens: Gott ist erst recht da, wenn es um die Wunden dieser Welt geht, um das Unverständliche und Inakzeptable, wenn gejammert und geklagt, ja auch geschimpft und protestiert wird. Gott ist da, wenn Menschen nur noch entsetzt den Kopf schütteln können, ebenso wie wenn sie wütend werden.

Je ernster die Auseinandersetzung mit dem, was nicht in Ordnung ist, desto mehr könnte man an dieser Welt verzweifeln. Manchmal denken wir uns doch alle: Besser wäre es doch, nicht alles mitzukriegen, Scheuklappen aufzusetzen, tun, als ob eh alles okay wäre, verdrängen, aus der Realität fliehen. Aber wir wissen: Es fehlt dann auch etwas. Glaube braucht eine „Erdung“ in dem, was tatsächlich und wirklich um uns herum los ist.

Auch bei Thomas geht es darum, eine greifbare Basis für seinen Glauben zu finden, den Körper Jesu anzugreifen und in den Wunden den sicheren Beweis zu haben, dass es auch tatsächlich dieser gekreuzigte Jesus ist, den er da vor sich stehen hat. Dass der, der vor ihm steht, wirklich der ist, der das alles mitgemacht hat. Aber es passiert ja noch mehr: Jesus kommt ja nicht zur Tür hereinspaziert. Er steht plötzlich im Raum, obwohl die Türen verrammelt sind. Im Augenblick des „Beweises“ tun sich ja eigentlich mehr und neue Fragen auf. Thomas, so denke ich, wird auch in diesem Augenblick gedanklich nicht zur Ruhe kommen. Gewiss: Er weiß jetzt, dass Jesus lebt. Wichtig, ja. Aber gleichzeitig weiß er eigentlich noch gar nichts. Warum Jesus leiden musste – der Sinn dieser Wunden. Was Gott damit zum Ausdruck gebracht hat, welche Handlung er damit gesetzt hat. Und was das alles jetzt für seine, Thomas‘, Zukunft, für die Zukunft seines Glaubens zu bedeuten hat.

Und da, denke ich, wird klar: unser Glaube braucht beides: Die Erkenntnisse mit Hirn und Verstand, im Kopf, über Gott, seine Liebe zu uns, dass wir ihm vertrauen können. Und dann aber wieder auch die Erfahrungen und Erlebnisse, Gott gespürt, mit den Sinnen wahrgenommen. Möglich im Berühren der Wunden dieser Welt, nicht nur, aber auch. Nicht nur im Berühren, sondern im Erleben der Auswirkungen: Kontakt, Nähe, positive Reaktionen, Dankbarkeit, Freude, Zufriedenheit – in der Begegnung von Menschen nicht nur das Schwere, sondern auch das Tröstliche erleben. Boten Gottes füreinander werden, einander die Augen öffnen für Gottes Nähe.

Mit ein bisserl Wunden berühren ist es eben nicht getan. Schon damals bei Thomas nicht. Auch heute nicht. Erlebnisse der Begegnung mit Gott sind unendlich wichtig. Aber sie müssen dann auch wieder „verdaut“ werden. Verstanden werden als Zeichen, die uns im Glauben weiterbringen. Unser Denken als Glaubende wieder ein bisserl ordnet, Perspektiven verschiebt, Schwerpunkte, Wichtigkeiten neu setzt. Uns herausfordert. Und befähigt, beides zu tun, aus beidem gleich viel schöpfen zu können. Glauben zu können, ohne immer sehen uns spüren zu müssen. Aber uns auch umso mehr gestärkt und bestätigt zu fühlen, wenn wir Wunder unseres Glaubens sehen und spüren. Wunder der Nähe Gottes. Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 229, 1-3: Kommt mit Gaben und Lobgesang
Einführung zum Abendmahl: Jh. 6,35

Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, wird nicht mehr Hunger haben, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“

Wir feiern Abendmahl miteinander, zusammengeführt durch den Geist Gottes an den Tisch Jesu Christi. So wollen wir daran denken, wie Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat, und was wir heute mit ihm erleben und erfahren können, wenn wir in seinem Namen essen und trinken.

Einsetzungsworte:

Jesus Christus,
in der Nacht, in der er verraten wurde,
nahm er das Brot, dankte, brach es und sprach:
Nehmt, esst, das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
Das tut zu meinem Gedächtnis
.
Ebenso nahm er den Kelch nach dem Mahl und sprach:
Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.
Das tut, sooft ihr daraus trinkt,
zu meinem Gedächtnis.
Denn sooft ihr dieses Brot esst
und aus diesem Kelch trinkt,
verkündigt ihr den Tod Jesu Christi,
bis dass er kommt
.

Gebet:

Gott, lieber Vater und Schöpfer von allem,
wir bekennen dich als Anfang und Ende.
Dir verdanken wir unser Leben.
Auf dich hoffen wir in unserem Sterben.
Dir sind wir anvertraut in Ewigkeit.
Du hörst unser Gebet in Dank und Bitten.
Du, Gott, widersprichst dem Tod.
Wir danken dir für die hoffnungsvolle Botschaft.
Hilf uns, dass wir uns an dieser Botschaft ausrichten,
ihr ganz vertrauen.
Amen
.

Zuspruch: Jes. 54,10

Denn die Berge werden weichen und die Hügel wanken, meine Gnade wird aber nicht von dir weichen, und mein Friedensbund wird nicht wanken, spricht Gott, der sich deiner erbarmt.

Einladung:

Wir sind eingeladen zum Tisch Jesu Christi. Kommt, es ist alles bereit;
seht und schmeckt, wie freundlich Gott ist.

Austeilung:

Gott ist Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Dank- und Fürbittegebet:

Wir danken dir, gütiger Gott,
an deinem Tisch sind wir zusammengekommen,
ohne Unterschiede, ohne Angst.
Nun sind wir mit dir und miteinander verbunden.
Wir sind nicht allein.
Miteinander sind wir auf dem Weg des Glaubens,
der Liebe und der Hoffnung.
Hilf uns, freundlich und liebevoll miteinander umzugehen.
So werden wir deine Liebe weitergeben,
dein Lächeln verschenken und deine Geduld bei uns bewahren.

Wir bitten dich für alle,
denen der Glaube schwerfällt,
weil sie ängstigende und lebensbedrohende Erfahrungen gemacht haben.
Lass sie sich von Menschen begleitet sehen,
die ihnen liebevoll und achtsam beistehen.

Wir bitten dich für die Menschen,
die in Kriegs- und Elendsgebieten der Erde
nach Gerechtigkeit schreien und um ihr Überleben kämpfen müssen.
Lass Menschen mit Mut und Fantasie neue Wege suchen,
damit niemand mehr hungert
und alle am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Wir bitten dich heute besonders für alle,
denen der Tod von lieben Menschen immer noch nachgeht.
Schenke ihnen, dass sie sich selber als lebendig wahrnehmen können,
und gib ihnen das Zutrauen, dass ihre Lieben bei dir gut aufgehoben sind.

Wir bitten dich auch für alle, die Kranken und Sterbenden beistehen,
in den Hospizen, Heimen und Krankenhäusern, aber auch in vielen Familien.
Stärke und ermutige du dort, wo Müdigkeit oder alltägliche Routine
die Liebe zu ersticken drohen.

Alles, was wir auf dem Herzen haben, bringen wir vor dich, wenn wir beten:

Unser Vater im Himmel …

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 395, 1-2: Vertraut den neuen Wegen
Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 395, 3
Orgelnachspiel: Juliane Schleehahn: Praeludium in F-Dur von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)