Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt
aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 13. Mai 2021
mit Pfr. Johannes Wittich
Präludium : Martin A. Seidl: “Aria” aus oratorium “Saul” von G. F. HändelSpruch: Ps. 103,19:Der Herr hat im Himmel seinen Thron errichtet, und sein Königtum herrscht über Begrüßung:Eine himmlische Machtverschiebung, eine „Neuordnung“ des Verhältnisses zwischen Himmel und Erde, das ist es, was zu Christi Himmelfahrt geschieht. Jesus wird an die Seite Gottes platziert, an seinem Thron, und wird auch zum „König über das All“, wie es im Psalm heißt. Gleichzeitig bleibt er aber auch der Erde und ihren Menschen verbunden. Zehn Tage später, zu Pfingsten wird der Heilige Geist dafür sorgen, dass Christus wirklich „mitten unter uns“ ist, wie er es zu seinem Abschied versprochen hat. Ein Stück vom Himmel mitten unter uns, auch und besonders wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Psalm 84, 2-9:2 Wie lieblich sind deine Wohnungen, Gebet:Unser Gott, (nach Roland Kupski) Lied: Ihr Christen hoch erfreuet euch (Text nach Erasmus Alber 1549, Str. 2-5 nach Johann Samuel Diterich 1765; Melodie nach Johannes Leisentritt 1584 / Erhard Quack 1941; Satz: Martin A. Seidl 20211) Ihr Christen, hoch erfreuet euch, der Herr fährt auf zu seinem Reich. 2) Sein Werk auf Erden ist vollbracht; zerstört hat er des Todes Macht; 3) Er ward gehorsam bis zum Tod, erhöht hat ihn der starke Gott. 4) Die Engel mit Erstaunen sehn, was Wunder mit der Welt geschehn. 5) Er ist das Haupt der Christenheit, regiert sein Volk in Ewigkeit. Predigttext: 1. Kön. 8, 20-23.26-29:(Und König Salomo sprach:) 20 Und der Herr hat sein Wort gehalten, das er gegeben hat, und ich bin aufgetreten an meines Vaters David Statt und habe mich auf den Thron Israels gesetzt, wie der Herr es gesagt hat, und ich habe dem Namen des Herrn, des Gottes Israels, das Haus (Anm.: den Tempel) gebaut. 21 Und dort habe ich eine Stätte bereitet für die Lade, in der sich der Bund des Herrn befindet, den er mit unseren Vorfahren geschlossen hat, als er sie herausgeführt hat aus dem Land Ägypten. 22 Und vor der ganzen Gemeinde Israels trat Salomo an den Altar des Herrn, breitete seine Hände zum Himmel aus 23 und sprach: Herr, Gott Israels! Kein Gott ist dir gleich, nicht oben im Himmel und nicht unten auf der Erde. Den Bund und die Treue bewahrst du deinen Dienern, die mit ganzem Herzen vor dir gehen, … 26 Und nun, Gott Israels, lass doch dein Wort wahr werden, das du zu deinem Diener David, meinem Vater, gesprochen hast. 27 Aber sollte Gott wirklich auf der Erde wohnen? Sieh, der Himmel, der höchste Himmel kann dich nicht fassen, wie viel weniger dann dieses Haus, das ich gebaut habe! 28 Wende dich dem Gebet deines Dieners zu und seinem Flehen, Herr, mein Gott, und erhöre das Flehen und das Gebet, das dein Diener heute vor dir betet, 29 damit in der Nacht und bei Tag deine Augen offen sind über diesem Haus, über der Stätte, von der du gesagt hast: Dort soll mein Name sein. Und erhöre das Gebet, mit dem dein Diener zu dieser Stätte hin betet. Liebe Gemeinde! „Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.“ Ein Satz aus William Shakespeares „Hamlet“. Das Wort „Schulweisheit“ hat einen negativen Beiklang. „Schulweisheit“ ist lebensfremd, realitätsfremd – wer braucht sie schon! Im englischen Original ist von „philosophy“, Philosophie, die Rede. (“There are more things in heaven and earth, Horatio, / Than are dreamt of in your philosophy.“ – 1. Akt, 5. Szene) Wir versuchen die Welt zu verstehen. Das ist oft schwer genug. Noch schwieriger ist es mit dem, was wir jenseits dieser unserer sichtbaren und greifbaren Welt verorten. Mit dem, was wir „Himmel“ nennen, dem Reich und Bereich des Unbegreiflichen, des nicht Fassbaren, aber doch Existierenden. Mit dem, was unserem Leben Sinn, Ziel, Bedeutung gibt, über das Materielle hinaus. Mit dem, was unseren Glauben ausmacht, ihn nährt, ihn am Leben erhält. Wir haben auch über diesen Bereich unsere Theorien, unsere „Philosophy“, wie es Shakespeare nennt. Wir haben das Bedürfnis, unseren Glauben zu ordnen und zu strukturieren. Einfach nur so ins Blitzblaue hinein zu glauben, reicht uns nicht. Auch im Glauben braucht es gedanklich Fassbares. Darum gibt es ja auch „Glaubenslehren“, Katechismen, ja, eben auch Predigten, um bewusst am Thema „Glaube“ zu arbeiten, ihn zu reflektieren und zu erforschen. Das reicht nicht, meint Hamlet zu seinem Freund Horatio. Das ist „philosophy“, und man hört auch im Englischen den abschätzigen Unterton heraus. Es gibt mehr, als das, was sich erfassen lässt. Die „philosophy“ Horatios muss scheitern. Weil sie auf so vieles, was da ist, nicht schaut. Oder vielleicht auch nicht schauen will. Nun ist Shakespeares „Hamlet“ grundsätzlich ein ziemlicher Stimmungskiller. Die Lebensfreude in Person ist er nicht, das wissen wir wohl noch aus der Schule oder aus dem einen oder anderen Theaterbesuch. Optimistischere Naturen, von denen Horatio vielleicht einer gewesen ist, lassen sich nicht ins Bockshorn jagen. Sie schauen auf das, was Himmel ist, himmlisch, befreiend, erleichternd, erfrischend. Und suchen es, wo immer es auf der Erde zu finden ist. König Salomo ist so ein hoffnungsvoller, optimistischer Mensch. Für ihn gibt es die Zeichen des Himmels auf der Erde. Fassbar und erkennbar nicht nur durch Gefühl und Glaube. Sondern ganz physisch konkret, an einem Ort: Im Tempel von Jerusalem. Den er bauen lässt. In der Überzeugung: Gott will einen Ort, an dem er seinen Menschen begegnen kann. In Gebeten, im Feiern, im Singen und im Reden davon, was gut und schön und vom „Himmel“ inspiriert ist in dieser Welt. DHimmel auf die Erde gebracht. Eine schöne Idee – und gleichzeitig brandgefährlich. Gerade jetzt. Wir wissen, was sich augenblicklich in Jerusalem abspielt. Natürlich haben die Auseinandersetzungen vielfältige Wurzeln. Aber die Ideologen auf beiden Seiten schaffen es immer wieder, den Konflikt an einem Ort fest zu machen, der beiden Konfliktparteien heilig ist, eben dem Tempelberg. Der Himmel, dem wir auch auf der Erde begegnen, ist nicht unser Eigentum. Himmel ist unverfügbar; er ist da – und gleichzeitig auch nicht. Weil er eben Himmel ist und nicht Erde. An Christi Himmelfahrt denken wir an genau diese Erfahrung, die die Jünger Jesu nach der Auferstehung gemacht haben: er war da, und eigentlich schon weg. Unter ihnen auf der Erde, aber als der Auferstandene mit einer ganz neuen Qualität. Bis er sich dann wieder ganz in den Himmel begibt. Der Evangelist Lukas berichtet das so (Lk. 24, 50-53): 50 Und er (Jesus) führte sie hinaus bis in die Nähe von Betanien. Und er hob die Hände und segnete sie. 51 Und es geschah, während er sie segnete, dass er von ihnen schied und in den Himmel emporgehoben wurde. 52 Sie aber fielen vor ihm nieder und kehrten dann mit grosser Freude nach Jerusalem zurück. 53 Und sie waren allezeit im Tempel und priesen Gott. Jesus segnet seine Jünger, und lässt ihnen ein Stück vom Himmel da. Und was machen die Jünger darauf? Sie gehen in den Tempel, genau den, von dem bei König Salomo die Rede ist. Sie preisen Gott, bringen sich mit ihm in Kontakt und Verbindung, und merken mehr und mehr, dass Jesus weiterhin da ist. Im Geist, den Gott schenkt. In diesem Sinne haben auch wir heute und hier ein Stück Himmel, mitten unter uns. Amen. Interludium: Martin A. Seidl: Ricercar, Gregor AichingerGebet:Menschennaher Gott, (Elke Schnabel) Unser Vater … Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Kanon: Martin A. Seidl: Gott segne dichPostludium: Martin A. Seidl: “Maestoso” aus Wassermusik von G. F. Händel |