Gottesdienst zum Ostersonntag
aus der ref. Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, 4. April 2021
mit Pfr. Johannes Wittich


Präludium : Martin A. Seidl: Variationen über “Gelobt sei Gott im höchsten Thron”
Spruch: Offb. 1,18:

Jesus Christus spricht: Ich war tot und siehe, ich lebe in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.

Begrüßung:

Durch den Karfreitag hindurch – zum Ostersonntag hin, so geht der Weg Jesu. Durch den Tod zum Leben, durch das Dunkle zum Hellen. Wir können mitgehen: Am Karfreitag ansprechen, was uns belastet und bedrückt. Am Karsamstag, so wie wir es gestern bei der Zoom-Andacht gemacht haben, ein wenig Pause machen und verschnaufen. Und am Ostersonntag den Gründen und Anlässen für Freude nachspüren. In der Gegenwart Gottes, mitten unter uns, im Namen …

Gebet:

Guter Gott,
der Aufstand gegen den Tod,
den Christinnen und Christen heute jubelnd kundtun,
in ihn möchten wir gerne einstimmen
und habe zugleich Angst davor.
Wir schauen wie fixiert immer noch viel mehr auf das,
was abgestorben und tot ist,
auch durch unser Zutun.
In der Fülle von bedrückenden Informationen aus aller Welt
erstickt oft unsere Hoffnung.
Wir wollen uns nicht beherrschen lassen
von unserer Angst und unserer Mutlosigkeit.
Dazu brauchen wir deine Zuwendung,
barmherziger Gott,
damit wirklich für uns Ostern werden kann.
Lass auch uns aufstehen zum Leben.
Lass uns österlich froh werden.
Amen.

Predigttext: Jh 20, 11-18:

11 Maria (aus Magdala) aber stand draussen vor dem Grab und weinte. Während sie nun weinte, beugte sie sich in das Grab hinein. 12 Und sie sieht zwei Engel sitzen in weissen Gewändern, einen zu Häupten und einen zu Füssen, dort, wo der Leib Jesu gelegen hatte. 13 Und sie sagen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie sagt zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiss nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Das sagte sie und wandte sich um, und sie sieht Jesus dastehen, weiss aber nicht, dass es Jesus ist. 15 Jesus sagt zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Da sie meint, es sei der Gärtner, sagt sie zu ihm: Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sag mir, wo du ihn hingelegt hast, und ich will ihn holen. 16 Jesus sagt zu ihr: Maria! Da wendet sie sich um und sagt auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni! Das heisst ‹Meister›. 17 Jesus sagt zu ihr: Fass mich nicht an! Denn noch bin ich nicht hinaufgegangen zum Vater. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 18 Maria aus Magdala geht und sagt zu den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und berichtet ihnen, was er ihr gesagt hat.

Liebe Gemeinde!

Wir können sie so gut verstehen, die Maria aus Magdala, oder Maria Magdalena, wie sie auch genannt wird. So sieht Trauer aus: Erinnerungen kommen hoch, die schmerzen, gerade wenn es schöne Erinnerungen sind. Lassen sie einen doch ganz besonders spüren, was man verloren hat. Im Kopf herrscht Chaos. Der Blick nach vorne, in die Zukunft, ist verstellt.

Das erlebt auch Maria. Die unvergleichliche Geschichte, die sie mit Jesus erlebt hat, als das Prägende, Inspirierende, Ermutigende – es ist zu Ende. Jesus ist tot. Maria war dabei, als er am Kreuz starb. Sie ist nicht weggelaufen wie die Männer, die sich so viel darauf einbildeten, zu seinem engeren Jüngerkreis zu gehören. Und nun stellt sie sich dem Abschiedsschmerz: sie ist ans Grab zu gehen. Ihre Gedanken gehen sicher in die Vergangenheit: Wie sie ihm begegnet ist, wie er mit ihr gesprochen hat, wie er sie geheilt hat. Maria Magdalena, so berichten die Evangelien, war von sieben Dämonen besessen gewesen, offensichtlich eine Persönlichkeit zerrissen von widersprüchlichen Kräften tief in ihr drinnen, außer Kontrolle, diesen Kräften ausgeliefert, nicht ein Dämon, sondern gleich sieben. Heute würden wir sagen: Sie war schwer psychisch krank, hatte sich selbst und ihr Leben nicht mehr im Griff – bis Jesus begegnet ist, der sie geheilt hat, der ihr geholfen hat, zu sich zurückzufinden, die Krankheit loszuwerden. Dass sie in der Folge genau auf das gehört hat, was er zu sagen hatte, ist nur zu verständlich. Davon überzeugt war: Wenn ich mich an ihn halte, dann bekomme ich das, was ich brauche, um von den Schatten in meiner Seele nicht wieder überwältigt zu werden. Ihm kann ich vertrauen, er gibt mir Hilfe und Orientierung. Und dass sie in der Folge dann, als wahrscheinlich selbstbewusste, angesehene und recht wohlhabende Frau Jesus unterstützt hat, ist gut zu verstehen.

Sie steht nun da, draußen vor dem Grab, und weint. Sie will es aber auch nicht nur beim Weinen belassen. Sie hat schon etwas getan – sich auf den Weg zum Grab gemacht. Es bleibt nicht bei der Trauer. Maria setzt sich auch weiter in Bewegung, beugt sich vor, schaut ins Grab. Und was sie da sieht, gibt ihrem Leben eine ganz neue Wendung. Das Grab ist leer. Verwirrung, Unverständnis, sicher auch Schrecken. Was soll das jetzt bedeuten?
.
Kunstvoll, mit einer ganz eigenen Dramaturgie, lässt das Evangelium Leser und Hörer teilhaben an der Überraschung. Sie sucht den Verstorbenen, immer noch. Dann die Verwechslung aus Verwirrung: Sie glaubt, im vermeintlichen Gärtner die richtige Ansprechperson gefunden zu haben: Wenn du ihn fortgenommen hast, dann sag mir, wo er jetzt liegt. Ich will ihn holen.

Sie will ihn holen. Sie will ihn suchen. Sie will etwas tun: Laufen, schauen, fragen, finden.

Und schon mitten im Ansatz wird sie gestoppt, ein einziges Wort unterbricht all ihre Absichten: Maria! Ihr Name. Sie wird bei ihrem Namen genannt von dem, den sie für den Gärtner gehalten hat. Das verändert wieder schlagartig alles. Der Wirbel in ihrem Kopf, die Unruhe ihres Herzens – sie lösen sich auf. Maria weiß augenblicklich, wer da spricht. Das muss ihr niemand erklären, der muss sich nicht vorstellen. Den kennt sie doch. Sie hat den gefunden, den sie betrauert hat, der verschwunden erschien, den sie braucht, den sie gesucht hat. Er steht vor ihr.

Sie will ihn festhalten, nicht schon wieder verlieren – doch das geht nicht. Jedenfalls nicht mit den Händen. Was mit dem Karfreitag sozusagen „auf Schiene“ gestellt worden ist, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Das soll auch nicht rückgängig gemacht werden. Dass Jesus auferstanden ist, heißt eben nicht, dass er einfach wieder da ist und alles ist so wie früher. Nein, Maria Magdalena hat den Tod erlebt, den Schmerz und die Herausforderung. Sie hat angefangen, die ersten Schritte nach dem Karfreitag zu gehen. Die ersten wirklich eigenen Schritte, und doch geführt von Jesus. Von ihrem Lehrer, der nicht dadurch mehr zu sagen hat, wenn man ihn an der Hand fassen, körperlich berühren kann. Sondern der mehr zu sagen hat dort, wo etwas im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu begreifen ist. Der Weg geht weiter, mit einem neuen, auferstandenen Jesus, mit einem Jesus bei Gott, mit einem Jesus, der uns durch Gottes Geist führt, stärkt, begleitet. Mit einem Jesus, der uns in die Freiheit der Eigenverantwortung stellt und uns aber dabei nicht hängen lässt.

Der, der ihr den Weg gezeigt hat, der gibt ihr jetzt einen Auftrag. Sie soll es weitererzählen: Ich habe Jesus gesehen, er hat zu mir gesprochen, er hat mich beauftragt, dies zu euch zu sagen – das gibt ihrem weiteren Leben nun eine Bedeutung, eine Kraft und Stärke, die vorher noch gar nicht da sein konnte. Die Begegnung der Maria aus Magdala mit dem Auferstandenen hat sie verändert. Und verändert uns, wenn wir davon hören. Der Auferstandene ist auch für uns nicht zum Anfassen da, er ist aber dennoch da: in seiner Botschaft, in den Menschen, die mit mir glauben. Das Erlebnis der Maria Magdalena ist seit damals tausendfach kopierbar. In jedem Zeichen der Hoffnung, dass Menschen im Auftrag Christi gegen das Tödliche und Tote im Leben setzen.

Das Tödliche und Tote unseres Lebens, darüber haben wir am Karfreitag wieder nachgedacht, ist ja nicht nur dort, wo wir ein uns nahestehender Menschen stirbt und wir mit unserer Trauer zu kämpfen haben. Das Tödlich und Tote in dieser Welt ist viel breiter aufgestellt. In allen todbringenden Zuständen, Verhältnissen und Prozessen. Überall dort, wo Menschen auf der Strecke bleiben. Auch da ist es unser Auftrag, Botinnen und Boten der Auferstehung sein. Augen zu öffnen, für die ganz andere Realität Gottes, die Jesus angesprochen hat, als er im Verhör durch Pilatus gesagt hat: mein Reich ist nicht von dieser Welt. Eine Realität, die das Leben sucht, das Leben will, das Leben in Fülle, ja auch für einen selbst, aber ganz besonders für all die, die etwas mehr an Leben und Lebendigkeit so sehr nötig haben.

Deswegen finde ich es auch schön, dass die Kollekten unserer beiden Ostersonntags-Gottesdienste für ein Projekt sind, das Lebensgrundlagen wiederherstellen will, durch dürreresistentes Saatgut und Nutztiere für Familien in Äthiopien.

Das Leben wieder möglich wird, in allen seinen Aspekten – das ist auch Auferstehung.

Amen.

Interludium: Inprovisation von Martin A. Seidl
Gebet:

Wie gut es tut, Gott,
von der Auferstehung berührt,
die nächsten Schritte zu setzen .
Deine Nähe verändert unser Leben.
Lass uns mit offenen Augen und Herzen unseren Mitmenschen begegnen.
Hilf uns, deine Liebe weiterzugeben
und Zeugen für das neue Leben zu sein, das du uns schenkst.
Für alle, die von Kummer geplagt werden:
Gib ihnen von deinem Licht des Lebens.
Für alle, die nur noch Scheitern und Versagen sehen können:
Zeige du ihnen das Leben, das auch in ihnen ist.
Für alle, die krank sind oder in ihrem Gemüt verdüstert:
Gib ihnen Zeichen von Frieden und Nähe.
Für alle, die Verstorben sind und die, die um sie trauern:
Sei der gute Hirte derer, die nach dir suchen.
Für uns, unsere Freunde und Familien,
für unser Handeln und Tun,
unser Misslingen und Gelingen:
Öffne unsere Augen für die Liebe,
die um uns ist.
Amen.

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

Postludium: Martin A. Seidl: Christ ist erstanden von Johann Sebastian Bach (1685-1750)