Musikalischer Gottesdienst aus der reformierten Erlöserkirche,
Wien-Favoriten, am 20. März 2022
mit Pfr. Johannes Wittich
Orgel und Viola: Marianne und Ernst Rônez-Kubitschek: Largo von Giovanni Mossi (1680 – 1742)Lied: Evangelisches Gesangbuch 322, 1-5: Nun danket all und bringet Ehr1) Nun danket all und bringet Ehr, 2) Ermuntert euch und singt mit Schall 3) der uns von Muterleibe an 4) der, ob wir ihn gleich hoch betrübt, 5) Er gebe uns ein fröhlich Herz, Spruch: Ps. 46,9-11:Kommt und schaut die Taten des Herrn, Begrüßung:Gott will Frieden. Gott stellt sich dem Unfrieden entgegen. Was im 46. Psalm gesagt wird, richtet sich zunächst einmal an die Mächtigen dieser Welt: hört auf damit, Kriege zu führen! Gleichzeitig werden aber auch wir alle in diese Friedensbotschaft hineingenommen. Wird uns Hoffnung gemacht, aller Kriegstreiberei zum Trotz. Mit unsern Ängsten und Nöten können wir zu Gott kommen. Zum Gott des Friedens. So auch in diesem Gottesdienst, wenn wir gemeinsam feiern, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gebet:Gott, (nach Otto Weymann) Lesung: 1. Kön. 19, 3-8: Der Prophet Elija wird von der bösen Königin Isebel bedroht und beschließt, zu fliehen:3Und als er (Elija) das sah, machte er sich auf und lief um sein Leben. Und er kam nach Beer-Scheba, das zu Juda gehört, und dort liess er seinen Burschen zurück, 4er selbst aber ging in die Wüste, eine Tagesreise weit. Und als er dort war, setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod, und er sprach: Es ist genug, Herr, nimm nun mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren. 5Dann legte er sich hin, und unter einem Ginsterstrauch schlief er ein. Aber plötzlich berührte ihn ein Bote und sprach zu ihm: Steh auf, iss! 6Und als er hinsah, sieh, da waren an seinem Kopfende ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und er ass und trank und legte sich wieder schlafen. 7Der Bote des Herrn aber kam zum zweiten Mal und berührte ihn und sprach: Steh auf, iss, denn der Weg, der vor dir liegt, ist weit. 8Da stand er auf und ass und trank, und durch diese Speise wieder zu Kräften gekommen, ging er vierzig Tage und vierzig Nächte lang bis zum Gottesberg Choreb. Lied: Evangelisches Gesangbuch 372, 1-3: Was Gott tut, das ist wohlgetan1) Was Gott tut, das ist wohlgetan, 2) Was Gott tut, das ist wohlgetan, 3) Was Gott tut, das ist wohlgetan, Predigt: Mt. 26, 36-4636Da kommt Jesus mit ihnen an einen Ort namens Getsemani und sagt zu den Jüngern: Bleibt hier sitzen, solange ich weg bin und dort bete. 37Und er nahm Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus mit sich, und er wurde immer trauriger und mutloser. 38Da sagt er zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt, bleibt hier und wacht mit mir. 39Und er ging ein wenig weiter, fiel auf sein Angesicht und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst. 40Und er kommt zu den Jüngern zurück und findet sie schlafend. Und er sagt zu Petrus: So vermochtet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wach zu bleiben? 41Wacht und betet, dass ihr nicht in Versuchung kommt! Der Geist ist willig, das Fleisch aber schwach. 42Wieder ging er weg, ein zweites Mal, und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille. 43Und er kam wieder zurück und fand sie schlafend, denn die Augen waren ihnen schwer geworden. 44Und er verliess sie, ging wieder weg und betete zum dritten Mal, wieder mit denselben Worten. 45Dann kommt er zu den Jüngern zurück und sagt zu ihnen: Schlaft nur weiter und ruht euch aus! Seht, die Stunde ist gekommen, da der Menschensohn in die Hände von Sündern ausgeliefert wird. 46Steht auf, lasst uns gehen! Seht, der mich ausliefert, ist da. Liebe Gemeinde! Freunde, auf die man verlassen kann – das sind die Jünger von Jesus ganz offensichtlich nicht. Zumindest die drei, von denen unsere Geschichte handelt: Petrus, und die beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes. Dabei ist es doch wirklich nicht viel, worum Jesus sie bittet: einfach nur da sein, wach bleiben, bereit sein, wenn er von seinem verzweifelten Dialog, den er ganz alleine mit Gott führen will, zurückkommt. Wach sein, um ihn sofort auffangen zu können, nachdem er in seinem Gebet an seine emotionalen Grenzen geraten ist. Nichts davon schaffen die drei Jünger. Sie schlafen ein. Sie schaffen es, ihren Freund Jesus und seine seelischen Qualen auszublenden, sich abzugrenzen, wie das heute so schön heißt. Jesu Verzweiflung kommt bei ihnen nicht an. Dabei sagt er ihnen schon am Anfang ganz klar: „Meine Seele ist zu Tode betrübt.“ Gut, den Jüngern ist vielleicht die Dimension des Betrübt-Seins Jesu zunächst einmal noch nicht bewusst. Wir, als Leserinnen und Leser heute, wissen, welchen fürchterlichen Leidensweg Jesus vor sich hat. Das können die Jünger so noch nicht erahnen. Und dass er sich gelegentlich zurückzieht und alleine sein will, das kennen sie von ihm. Aber als Jesus dann zu ihnen zurückkommt, spätestens dann müsste bei Jüngern der Groschen gefallen sein. Denn ganz sicher hat man Jesus angesehen, durch welche Gefühle er gerade durchmuss. Er betet um sein Leben, hofft auf die verschwindend kleine Chance, vielleicht doch nicht am Kreuz zu enden – und vertraut sich doch ganz dem Willen Gottes an. Eine innere Zerrissenheit, ein Kampf mit sich selbst – das nicht mitzubekommen, ist schon eine besondere „Leistung“ der Jünger. Was läuft da bei Petrus, Johannes und Jakobus schief? Nun, die ganze Passionsgeschichte, der Bericht vom Leiden und Vom Tod Jesu, ist durchzogen von Beispielen menschlichen Versagens, von Missverständnissen und Irrtümern, von Fehleinschätzungen und der Unfähigkeit, zu sehen, was da jetzt gerade wirklich passiert. Es ist auch alles nur zu verwirrend: Kreuzigung und Tod als vorgegebenem Weg Jesu, als Wille Gottes. Bis heute stoßen sich Menschen an dieser Botschaft, und auch wir tun uns damit schwer – mit gutem Grund. Nachvollziehbar, dass die, die mitten in diesen Ereignissen stecken mit ihrer Angst und ihrer Panik null Durchblick hatten. Trotzdem: die mangelnde Empathie der drei Jünger, die ärgert mich. Weil mich mangelnde Empathie grundsätzlich aufregt, besonders gerade die, die im Zusammenhang mit Corona zu Tage tritt. Mangelnde Empathie mit Spitals- und Pflegepersonal, mangelnde Empathie mit Risikogruppen, mangelnde Empathie mit SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern von Schulpflichtigen. Mangelnde Empathie, wenn behauptet wird, man müsse sich nur selbst schützen und nicht Andere. Mangelnde Empathie, die zutage tritt, wenn dem „Durchrauschen“ der Pandemie das Wort geredet wird, ohne zu überlegen, was das für einzelne Menschen bedeuten kann. Die Menschen hinter den Zahlen. Die drei Jünger machen es vor, wie das ist, Distanz zu wahren und sich nicht berühren zu lassen von der Verzweiflung anderer, selbst nicht von der Verzweiflung ihres Freundes Jesus. Sie schaffen es, sich von dem, was da gerade mit Jesus passiert, so stark zu distanzieren, dass sie sogar einschlafen können. Ja, Mitgefühl ist anstrengend. Besonders dann, wenn ich, so wie die Jünger, erst einmal verstehen muss, warum Mitgefühl nötig ist. Wenn ich nachforschen und nachfragen muss, kleine Zeichen wie den Gesichtsausdruck oder einen Nebensatz deuten muss, um zu verstehen, was mit meinem Gegenüber los ist. Denn eines ist sicher: nur weil ich nicht verstehe, was die Verzweiflung meines Gegenübers ausmacht, heißt das noch lange nicht, dass es diese Verzweiflung nicht gibt. Die Geschichte von Jesus im Garten Getsemani wird in Predigten und Bibelarbeiten gerne aus der Perspektive von Jesus erzählt. Seine Verzweiflung und seine Enttäuschung sind das Thema. Die drei Jünger treten dann in den Hintergrund, sind halt unfähige Schlafmützen, mit denen man sich nicht weiter beschäftigen muss. Wenn ich mich allerdings frage, wie viel von diesen Jüngern auch in mir steckt, dann wird die Geschichte beklemmend. Wieviel von der mangelnden Sensibilität der Jünger steckt in mir, steckt in uns als Gemeinde, steckt in unserer Gesellschaft? Denn aus dieser Sicht betrachtet, ist das Ende der Geschichte eine einzige Katastrophe: Jesus kommt das dritte Mal zurück, sieht die Jünger schlafen, und sagt: schlaft weiter. Ruht euch aus. Es kommt, wie es kommen muss. Mit anderen Worten: der, der eigentlich getröstet werden müsste, wird zum Tröster. Das, denke ich, werden die Jünger wohl auch wieder nicht verstanden haben. Warum sie nun plötzlich doch wieder nicht gebraucht werden. Mehr noch: warum Jesus sich nun sogar aktiv um ihr Wohlergehen kümmert. Er ist nicht nur müde, wie die Jünger. Er hat seinen sicheren Tod vor Augen, mit allen damit verbundenen Emotionen. Er könnte nun, mit gutem Grund, nur und ausschließlich mit sich beschäftigt sein. Er ist mit sich beschäftigt, mit seinen Fragen, die er Gott stellt, für die er verzweifelt Antworten sucht – und behält trotzdem oder erst recht seine Jünger im Blickfeld. Auch wir können das. Denn auch wir sind Getröstete. Auch wir haben unsere Kämpfe, aber eben auch die Momente, in denen dann wieder Klarheit herrscht. Dank Gottes Hilfe. In diesem Wissen können wir uns vom Fokussiert-Sei auf uns selbst lösen. Können uns frei machen lassen von unseren Ängsten. Frei, um selbst Trost zu schenken. Amen. Orgel und Viola: Marianne und Ernst Rônez-Kubitschek: Siciliano von Giovanni Mossi (1680 – 1742)Gebet:Guter Gott, du hast deinen Sohn Jesus Christus Wir beten für diejenigen, Wir beten für alle, Wir beten für alle, Wir beten für alle, Wir beten für alle, (nach Otto Weymann) Unser Vater … Abkündigungen:Lied: Evangelisches Gesangbuch 390, 1-2: Erneure mich, o ewigs Licht1) Erneure mich, o ewigs Licht, 2) Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, Segen:Der Herr segne dich und behüte dich, Lied: Evangelisches Gesangbuch 390, 3: Erneure mich, o ewigs Licht3) Auf dich lass meine Sinne gehn, Orgel und Viola: Marianne und Ernst Rônez-Kubitschek: Allegro von Giovanni Mossi (1680 – 1742) |