Online-Andacht aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten,
23. August 2020
mit Pfr. Johannes Wittich
Spruch: Lukas 12, 48b:Wem aber viel gegeben wurde, von dem wird viel gefordert Wir sind reich beschenkte Menschen, jeder und jede. Wenn wir einmal ganz genau hinschauen auf unser Leben, dann können wir das auch sehen, durch alle Sorgen und Probleme hindurch. Mehr noch: im Bewusstsein, beschenkt zu sein, können wir unseren Blick schärfen auf die Dinge um uns herum, und vielleicht das eine oder andere Schöne wahrnehmen, das wir sonst nicht gesehen hätten. Auch und besonders an einem Sonntag, wenn wir nachdenken und beten, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gebet: Psalm 63, 2-9:Gott, du bist mein Gott, den ich suche, Lied: Evangelisches Gesangbuch, 295, 1-4: Wohl denen, die da wandeln1) Wohl denen, die da wandeln 2) Von Herzensgrund ich spreche: 3) Mein Herz hängt treu und feste 4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet, Predigt: Philipper 3, 7-97 Aber alles, was mir Gewinn war, habe ich dann um Christi willen als Verlust betrachtet. Liebe Gemeinde! Eine „Lotto-Kollektur“, eine Annahmestelle für Lottoscheine ist auf diesem Foto zu sehen. Der deutsche Städtemaler Hartmut Berlincke hat genau eine solche „Lotto-Kollektur“ auf einem seiner Gemälde verewigt. Wahrscheinlich hat ihn zunächst einmal die antiquierte (und Wien-typische) Bezeichnung für so ein Geschäft fasziniert. (Auch das hier abgebildete hat letzten Monat leider für immer geschlossen.) Darüber hinaus hat das, was in so einer „Lotto-Kollektur“ passiert, ganz offensichtlich seine Fantasie angeregt. Woran man das merkt? Er hat seinem Bild den Titel „arc de triomphe“ – „Triumphbogen“ gegeben. Was zunächst ziemlich abwegig klingt, macht bei genauem Hinsehen doch Sinn. Triumphbogen wurden für Sieger gebaut. Für Hartmut Berlincke ist der Eingang in eine Lottoannahmestelle ein „Triumphbogen des kleinen Mannes“, der, so in einer Erklärung zu seinem Gemälde, „nach Abgabe des Wochentippscheins bis zur Ziehung am Sonntag die Illusion des Siegers haben darf.“ Auch eine Illusion kann Menschen inspirieren, und sei es nur für eine befristete Zeit: Wie schön kann man sich schon jetzt das Leben nach dem großen Lottogewinn ausmalen! Ja, selbst wenn dann nichts gewonnen wurde – die Hoffnung lebt weiter: Wenn nicht dieses Mal, dann beim nächsten Mal, oder irgendwann, aber das ganz sicher, werden die richtigen Zahlen gezogen werden. Bis dahin ist man Sieger, wann immer man die Lottokollektur betritt. Sieger, wenn auch nur in der Phantasie, die sich dieses zukünftige Sieger-Sein in den buntesten Farben ausmalt. Für einen Sieger, der das große Los gezogen hat, hat sich auch der Apostel Paulus gehalten. Und zwar in der Zeit, bevor er Christus begegnet ist. Er war ein frommer Mann, die Gebote der Heiligen Schrift, der Thora, waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er hat sie nicht nur streng eingehalten, sie haben ihm auch das sichere Gefühl gegeben: ich bin auf dem richtigen Weg, ich bin etwas Besonderes. Und dann die Begegnung mit dem Auferstandenen. Diese Begegnung klingt in den Zeilen des Paulus durch: was er bis dahin für einen „Gewinn“ gehalten hat, ist nun plötzlich nichts mehr wert. Es ist sogar ein Verlust. Warum? Weil so viel an Energie und Kraft in das Einhalten der Gebote investiert hat. Und plötzlich feststellen musste: es war nicht nur sinnlos. Es hat mich auch noch vom Wesentlichen abgehalten. Und mir damit Schaden zugefügt. Das Wesentliche ist für Paulus jetzt die „Gerechtigkeit, die aus Christus kommt.“ Er ist das, was er ist, nicht durch das, was er tut und leistet. Dieses „spirituelle Gewinndenken“ hat er hinter sich gelassen. Er weiß nun: das Wesentliche ist Geschenk, das Geschenk der Liebe Gottes, der mich so annimmt, wie ich bin und mich zu dem macht, der ich sein kann. Die Begegnung mit Christus war für Paulus somit eine Art „Lotto-Jackpot“: Allerdings haben sich nicht die Münzen aus einem prallen Geldsack über ihn ergossen, wie es ein einschlägiger Werbespot suggeriert – nein: die Fülle der Gnade Gottes kam über ihn. Das ist das „Kapital“, aus dem er jetzt schöpfen kann. Über seinen Irrweg, sein falsches Gewinndenken, äußert sich Paulus sehr direkt: es war schlicht und einfach „ein Dreck“. Vielleicht hätte er das auch ein weniger dezenter ausdrücken können, aber es zeigt ja auch, wie viel an Emotion mit dieser Erkenntnis verbunden gewesen sein dürfte. Paulus fühlt sich seither als neuer Mensch. Was das für uns heißt? Ganz einfach: um von Gott geliebt zu sein, müssen wir nichts tun, rein gar nichts. Nicht einmal einen Lottoschein ausfüllen. Der große Gewinn ist uns sicher. Wir sind bereits die großen Gewinner. Amen. Gebet:Herr Jesus Christus, (Matthias Wöhrmann) Unser Vater im Himmel … Segen:Der Herr segne dich und behüte dich,
Musik: Martin Seidl: Johann Krieger: Toccata |