Online-Andacht aus der reformierten Erlöserkirche, Wien-Favoriten,
23. August 2020
mit Pfr. Johannes Wittich


Spruch: Lukas 12, 48b:

Wem aber viel gegeben wurde, von dem wird viel gefordert
werden; und wem viel anvertraut wurde, von dem wird man umso mehr verlangen.

Wir sind reich beschenkte Menschen, jeder und jede. Wenn wir einmal ganz genau hinschauen auf unser Leben, dann können wir das auch sehen, durch alle Sorgen und Probleme hindurch. Mehr noch: im Bewusstsein, beschenkt zu sein, können wir unseren Blick schärfen auf die Dinge um uns herum, und vielleicht das eine oder andere Schöne wahrnehmen, das wir sonst nicht gesehen hätten. Auch und besonders an einem Sonntag, wenn wir nachdenken und beten, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Gebet: Psalm 63, 2-9:

Gott, du bist mein Gott, den ich suche,
meine Seele dürstet nach dir.
Mein Leib schmachtet nach dir
im dürren, lechzenden Land ohne Wasser.
So schaue ich dich im Heiligtum
und sehe deine Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Gnade ist besser als das Leben,
meine Lippen sollen dich rühmen.
So will ich dich preisen mein Leben lang,
in deinem Namen meine Hände erheben.
Wie an Mark und Fett wird meine Seele satt,
und mit jubelnden Lippen singt mein Mund,
wenn ich deiner gedenke auf meinem Lager,
nächtelang über dich sinne.
Denn du bist mir Hilfe geworden,
und im Schatten deiner Flügel will ich jubeln.
An dir hängt meine Seele,
deine Rechte hält mich fest.
Amen.

Lied: Evangelisches Gesangbuch, 295, 1-4: Wohl denen, die da wandeln

1) Wohl denen, die da wandeln
vor Gott in Heiligkeit,
nach seinem Worte handeln
und leben allezeit;
die recht von Herzen suchen Gott
und seine Zeugniss’ halten,
sind stets bei ihm in Gnad.

2) Von Herzensgrund ich spreche:
dir sei Dank allezeit,
weil du mich lehrst die Rechte
deiner Gerechtigkeit.
Die Gnad auch ferner mir gewähr;
ich will dein Rechte halten,
verlass mich nimmermehr.

3) Mein Herz hängt treu und feste
an dem, was dein Wort lehrt.
Herr, tu bei mir das Beste,
sonst ich zuschanden werd.
Wenn du mich leitest, treuer Gott,
so kann ich richtig laufen
den Weg deiner Gebot.

4) Dein Wort, Herr, nicht vergehet,
es bleibet ewiglich,
so weit der Himmel gehet,
der stets beweget sich;
dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit
gleichwie der Grund der Erden,
durch deine Hand bereit’.

Predigt: Philipper 3, 7-9

7 Aber alles, was mir Gewinn war, habe ich dann um Christi willen als Verlust betrachtet.
8 Ja, in der Tat, ich halte das alles für wertlos im Vergleich mit der überragenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen mir alles wertlos wurde, und ich betrachte es als Dreck, wenn ich nur Christus gewinne
9 und in ihm meine Heimat finde. Ich habe nicht meine eigene Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern jene Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus, die aus Gott kommt aufgrund des Glaubens.

Liebe Gemeinde!

Eine „Lotto-Kollektur“, eine Annahmestelle für Lottoscheine ist auf diesem Foto zu sehen. Der deutsche Städtemaler Hartmut Berlincke hat genau eine solche „Lotto-Kollektur“ auf einem seiner Gemälde verewigt. Wahrscheinlich hat ihn zunächst einmal die antiquierte (und Wien-typische) Bezeichnung für so ein Geschäft fasziniert. (Auch das hier abgebildete hat letzten Monat leider für immer geschlossen.) Darüber hinaus hat das, was in so einer „Lotto-Kollektur“ passiert, ganz offensichtlich seine Fantasie angeregt. Woran man das merkt? Er hat seinem Bild den Titel „arc de triomphe“ – „Triumphbogen“ gegeben.

Was zunächst ziemlich abwegig klingt, macht bei genauem Hinsehen doch Sinn. Triumphbogen wurden für Sieger gebaut. Für Hartmut Berlincke ist der Eingang in eine Lottoannahmestelle ein „Triumphbogen des kleinen Mannes“, der, so in einer Erklärung zu seinem Gemälde, „nach Abgabe des Wochentippscheins bis zur Ziehung am Sonntag die Illusion des Siegers haben darf.“

Auch eine Illusion kann Menschen inspirieren, und sei es nur für eine befristete Zeit: Wie schön kann man sich schon jetzt das Leben nach dem großen Lottogewinn ausmalen! Ja, selbst wenn dann nichts gewonnen wurde – die Hoffnung lebt weiter: Wenn nicht dieses Mal, dann beim nächsten Mal, oder irgendwann, aber das ganz sicher, werden die richtigen Zahlen gezogen werden. Bis dahin ist man Sieger, wann immer man die Lottokollektur betritt. Sieger, wenn auch nur in der Phantasie, die sich dieses zukünftige Sieger-Sein in den buntesten Farben ausmalt.

Für einen Sieger, der das große Los gezogen hat, hat sich auch der Apostel Paulus gehalten. Und zwar in der Zeit, bevor er Christus begegnet ist. Er war ein frommer Mann, die Gebote der Heiligen Schrift, der Thora, waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er hat sie nicht nur streng eingehalten, sie haben ihm auch das sichere Gefühl gegeben: ich bin auf dem richtigen Weg, ich bin etwas Besonderes.

Und dann die Begegnung mit dem Auferstandenen. Diese Begegnung klingt in den Zeilen des Paulus durch: was er bis dahin für einen „Gewinn“ gehalten hat, ist nun plötzlich nichts mehr wert. Es ist sogar ein Verlust. Warum? Weil so viel an Energie und Kraft in das Einhalten der Gebote investiert hat. Und plötzlich feststellen musste: es war nicht nur sinnlos. Es hat mich auch noch vom Wesentlichen abgehalten. Und mir damit Schaden zugefügt.

Das Wesentliche ist für Paulus jetzt die „Gerechtigkeit, die aus Christus kommt.“ Er ist das, was er ist, nicht durch das, was er tut und leistet. Dieses „spirituelle Gewinndenken“ hat er hinter sich gelassen. Er weiß nun: das Wesentliche ist Geschenk, das Geschenk der Liebe Gottes, der mich so annimmt, wie ich bin und mich zu dem macht, der ich sein kann. Die Begegnung mit Christus war für Paulus somit eine Art „Lotto-Jackpot“: Allerdings haben sich nicht die Münzen aus einem prallen Geldsack über ihn ergossen, wie es ein einschlägiger Werbespot suggeriert – nein: die Fülle der Gnade Gottes kam über ihn. Das ist das „Kapital“, aus dem er jetzt schöpfen kann.

Über seinen Irrweg, sein falsches Gewinndenken, äußert sich Paulus sehr direkt: es war schlicht und einfach „ein Dreck“. Vielleicht hätte er das auch ein weniger dezenter ausdrücken können, aber es zeigt ja auch, wie viel an Emotion mit dieser Erkenntnis verbunden gewesen sein dürfte. Paulus fühlt sich seither als neuer Mensch.

Was das für uns heißt? Ganz einfach: um von Gott geliebt zu sein, müssen wir nichts tun, rein gar nichts. Nicht einmal einen Lottoschein ausfüllen. Der große Gewinn ist uns sicher. Wir sind bereits die großen Gewinner.

Amen.

Gebet:

Herr Jesus Christus,
du hast uns berufen zu einem Leben in dir.
Dass wir bei dir wahres Leben finden können,
dafür danken wir dir.
Doch wir wissen auch um das,
was das Leben auf der Erde schwer macht.
Darum kommen wir zu dir mit unseren Bitten:
Wir bitten dich besonders für die Menschen,
denen es am Nötigsten zum Leben fehlt;
und für die, denen es schwerfällt, ihren Reichtum zu teilen.
Wir bitten dich für die, die leiden unter Hass, Gewalt und Krieg;
und für die Verantwortlichen in der Politik,
die sich für das Wohl aller Menschen einsetzen sollen.
Wir bitten dich für die Menschen in unserer Umgebung,
die leiden, weil sie krank sind, einsam oder traurig;
und für die unter uns, die die Not der anderen nicht sehen.
Wir bitten dich für deine Kirche,
für die Suchenden in den Gemeinden,
für die Ängstlichen, die am Alten festhalten,
für die, die sich sehnen nach deiner Liebe;
und für uns, dass wir das Leben gewinnen in dir
.
Amen.

(Matthias Wöhrmann)

Unser Vater im Himmel …

Segen:

Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

 

Musik: Martin Seidl: Johann Krieger: Toccata