Online-Gottesdienst zum Feiern zu Hause
aus der reformierten Erlöserkirche am 18. Juli 2021
mit Pfr. Johannes Wittich
Lied: Evangelisches Gesangbuch 297, 1.2.4: Jauchzt alle Lande
1) Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren, rühmt seines Namens Herrlichkeit,
und feierlich ihn zu verklären, sei Stimm und Saite ihm geweiht.
Sprecht: Wunderbar sind deine Werke, o Gott, die du hervorgebracht;
auch Feinde fühlen deine Stärke und zittern, Herr, vor deiner Macht.
2) Dir beuge sich der Kreis der Erde, dich bete jeder willig an,
dass laut dein Ruhm besungen werde und alles dir sei untertan.
Kommt alle her, schaut Gottes Werke, die er an Menschenkindern tat!
Wie wunderbar ist seine Stärke, die er an uns verherrlicht hat!
4) Die ihr Gott fürchtet, ich erzähle: kommt, hört und betet mit mir an!
Hört, was der Herr an meiner Seele für große Dinge hat getan.
Rief ich ihn an mit meinem Munde, wenn Not von allen Seite drang,
so war oft zu derselben Stunde auf meiner Zung ein Lobgesang.
Spruch: Jesaja 43,1:
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
Begrüßung:
Dass wir ganz Gott gehören, das ist die tiefste und festeste Grundlage unseres Lebens. Wir können auf dieser Grundlage unser Leben aufbauen – und immer wieder neu entdecken, wie nahe uns Gott ist.
So feiern wir diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Gebet:
Gütiger Gott,
beladen und belastet fühlen wir uns immer wieder.
Schwer drückt uns oft Schuld und Versagen.
Wir haben nicht nach deinem Willen gelebt,
haben uns mehr mit uns als mit der Not anderer beschäftigt,
haben uns nicht getraut, weil wir dir nicht vertraut haben.
Herr, nimm diese Lasten von uns.
Vergib uns und schenke uns einen neuen Anfang.
Gott, wir danken dir, dass du zu uns kommst,
die Lasten des Lebens mit uns teilst und wir in dir geborgen sind.
Wir bitten dich: Hilf uns, dich zu erkennen
und deinem Willen zu folgen,
und ganz dir zu vertrauen.
Lass uns das wieder üben,
wenn wir zu dir kommen,
um mit dir zu feiern.
Amen.
Lied: Evangelisches Gesangbuch 625, 1-4.8: Ich bin ein armer Exulant
1) Ich bin ein armer Exulant,
also muss ich mich schreiben.
Man tut mich aus dem Vaterland
um Gottes Wort vertreiben.
2) Doch weiß ich wohl, Herr Jesu mein,
es ist dir auch so gangen;
Jetzt soll ich dein Nachfolger sein.
Mach’s, Herr, nach dein’m Verlangen!
3) Ein Pilgrim bin ich auch nunmehr,
muss reisen fremde Straßen;
drum bitt ich dich, mein Gott und Herr,
du wollst mich nicht verlassen.
4) Ach steh mir bei, du starker Gott;
dir hab ich mich ergeben.
Verlass mich nicht in meiner Not,
wenn‘s kosten sollt mein Leben!
8) Gott, wie du willst, ich gib mich drein;
bei dir will ich verbleiben.
Ich will mich gern dem Willen dein
geduldig unterschreiben.
Liebe Gemeinde!
Kennen Sie dieses Lied? Ja, es steht in unserem Gesangbuch. Es ist ein Dokument aus tragischen Zeiten, der Zeit der Vertreibung der Protestanten aus Salzburg im 16. und 17. Jahrhundert. Josef Schaitberger, der Verfasser, schildert darin detailreich, was es heißt, ein Verfolgter zu sein: wegen seines Glaubens wird er verhaftet, eingesperrt, seine Töchter werden ihm weggenommen, er wird praktisch enteignet, und des Landes verwiesen.
Nun ist er auf der Flucht. Was ihm geblieben ist, ist sein Gottvertrauen – und die Hoffnung, eine neue Heimat zu finden, in der er seinen Glauben frei leben darf.
Das Lied ist zeitlos, schildert es doch ganz grundsätzlich die Emotionen von Vertriebenen, von Flüchtlingen. Ich finde es gut, dass wir in unserem Gesangbuch auch ein „Flüchtlings-Lied“ haben. Ich möchte es nicht als Dokument eines Konflikts zwischen zwei Konfessionen lesen, schon gar nicht als Vorwurf gegen die katholische Schwesterkirche, sondern ganz einfach als Mahnung: so etwas darf nie wieder passieren. Schon gar nicht im Namen des Glaubens, egal, welches Glaubens.
Auch das Volk Gottes der Bibel, die Israeliten, werden immer wieder ermahnt: schaut zurück auf das, was ihr einmal gewesen seid: ihr kommt aus einem Sklavenvolk, euer Volk war 40 Jahre heimatlos in der Wüste, eure Stammväter waren Nomaden ohne Grundbesitz. Nun habt ihr dieses Land, das Gott euch geschenkt hat. Sorgt dafür, dass nun bei euch niemand unterdrückt oder versklavt wird, und dass Heimatlose, die zu euch kommen, anständig behandelt werden.
Selbst dieses „gelobte Land“ kann auch wieder verloren gehen. Auch das mussten die Israeliten auf tragische Weise erfahren, mit der Eroberung ihres Landes durch eine feindliche Großmacht, die Babylonier und die Verschleppung von Teilen der Bevölkerung. Diese Situation hat Hoffnungsbilder entstehen lassen, aus der Erfahrung heraus, was es heißt, der Heimat beraubt zu sein, wie das des Propheten Jesaja, im 35. Kapitel:
1 Wüste und trockenes Land werden sich freuen,
und die Steppe wird jauchzen und blühen wie die Lilie.
2 Üppig wird sie blühen und jauchzen,
jauchzen und jubeln!
Die Herrlichkeit des Libanon wird ihr gegeben,
die Pracht des Karmel und der Ebene von Scharon.
Diese werden die Herrlichkeit des HERRN sehen,
die Pracht unseres Gottes.
3 Stärkt die schlaffen Hände
und macht die weichen Knie stark!
4 Sagt denen, die bestürzt sind:
Seid stark, fürchtet euch nicht!
Seht, euer Gott! Die Rache kommt,
die Vergeltung Gottes,
er selbst kommt, um euch zu retten.
5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan
und die Ohren der Tauben geöffnet.
6 Dann wird der Lahme springen wie der Hirsch,
und die Zunge des Stummen wird jubeln,
denn in der Wüste brechen Wasser hervor
und Flüsse in der Steppe.
7 Und die glühende Hitze wird zum Schilfteich,
und aus dem Trockenland wird ein Land voller Quellen.
An der Stätte, wo Schakale lagerten,
wird das Gras zu Schilfrohr und Papyrus.
8 Und dort wird eine Straße sein und ein Weg:
Weg-der-Heiligkeit wird er genannt werden.
Kein Unreiner wird ihn betreten,
ihnen wird er gehören,
die auf dem Weg gehen,
und Toren werden nicht in die Irre gehen.
9 Dort wird kein Löwe sein,
und kein reißendes Tier zieht auf ihm hinauf,
kein Einziges wird dort gefunden.
Erlöste werden darauf gehen,
10 und die Ausgelösten des HERRN werden zurückkehren
und nach Zion kommen unter Jubel,
und über ihrem Haupt wird ewige Freude sein.
Frohlocken und Freude holen sie ein,
und Kummer und Seufzen fliehen.
Die Israeliten im Exil sehnen sich nicht einfach zurück an einen Zustand, den es vorher gegeben hat oder an einen Ort, wo man früher einmal war. Vielmehr träumt man von einer Rückkehr an einen Ort, der im Augenblick der Rückkehr völlig verwandelt wird. Zu dem Ort wird, den man sich immer gewünscht hat. Ein Ort, an dem jetzt alles gut ist, so ist, wie es Gott schon immer gewollt hat, wir Menschen und diese Schöpfung es aber nicht geschafft haben. Eine völlige Veränderung des Menschen, aber auch der Natur; selbst in dieser gibt es dann nichts Gefährliches oder Bedrohliches mehr.
Ein Traumbild also. Eine Rückkehr zu etwas radikal Neuem. Zu etwas, was im Glauben, im Vertrauen auf Gott neu wird. Bilder, die wie ein Produkt der Phantasie erscheinen, wie eine Vorstellung vom Paradies, wie der sprichwörtliche Himmel auf Erden. Auf Erden? Offensichtlich geht es hier um eine Vision einer kommenden Welt. Um eine Vorstellung von dem, was wir gemeinhin „Himmel“ nennen. Von der neuen Welt, die Gott am Ende der Zeit schaffen wird. Für Juden, untrennbar mit Jerusalem verbunden, aber mit einem neu gestalteten, endzeitlichen Jerusalem.
Anders gesagt: Die Botschaft dieser aus der Heimat vertriebenen ist: Wir haben Sehnsucht nach einem Zuhause, aber nach einem ganz neuen Zuhause. Wir wünschen uns Heimkehr, aber nicht dorthin, wo wir einmal gewesen sind, sondern in ein Zuhause, das Gott allein schaffen kann, in dem alles Traurige, Zerstörerische, Verzweiflung Auslösende einfach nicht mehr da ist.
Das ist keine Flucht aus der Realität. Das wir im hier und jetzt sein dürfen, ist gut so. Und es gibt doch auch so vieles, was uns im hier und jetzt Freude bereitet, was wir genießen können und dürfen. Wir verweigern uns nicht dieser Heimat hier, die wir jetzt haben. Sie ist nur nicht der Weisheit letzter Schluss. In der Gewissheit der zukünftigen Heimat sind wir gelassener und damit letztlich freier. Amen.
Musik: Martin Pauliny: Improvisation
Mit freundlicher Genehmigung von Martin Pauliny.
Gebet:
Gütiger Gott,
danke, dass wir dir vertrauen können.
Dass wir uns dir anvertrauen dürfen.
Darum bitten wir dich:
Für alle Menschen, die Hunger leiden mit ihren Körpern oder ihren Seelen:
Gib ihnen Zeichen deiner Nähe.
Wir bitten dich für alle Menschen, die sich nach Liebe sehnen:
Schenke ihnen Menschen, die ihnen freundlich begegnen.
Wir bitten dich für alle Menschen, die krank sind
oder den Tod vor Augen haben – und für die, die sie pflegen:
Stärke sie mit deinem Trost.
Wir bitten dich für alle Menschen,
die um der Liebe willen sich einsetzen:
Dass sie spüren: Ihr Tun ist nicht umsonst.
Wir bitten dich für die, die an ihrer Schuld leiden:
Lehre sie, Entschuldigung zu erbitten,
und zeige ihnen dein Erbarmen.
Gott,
wir bitten dich für uns alle:
Um Vertrauen, das Heimat schenkt,
hier,
und in der Hoffnung auf das kommende Zuhause.
Und gemeinsam beten wir …
Unser Vater
Segen:
Der HERR segne dich und behüte dich;
der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Amen.