Foto: Ulrike Wittich

 

 

Bericht “Bericht “Wohnzimmer-Gottesdienst mit Abendmahl über Zoom am 16. April 2022″”


Von frühen Christ*innen, der Pandemie, und wie das (Un-)vorstellbare manchmal einfach passiert – Gedanken zum Wohnzimmer-Gottesdienst mit Abendmahl über Zoom am 16. April 2022

Abends am Karsamstag, also quasi am Vorabend der Auferstehungsfeier, vor dem Computer sitzen. Eigentlich unvorstellbar, so als gläubiger Christenmensch. Oder doch nicht? Nach zwei Jahren Pandemie erscheint uns vieles gar nicht mehr so abwegig – wir haben gelernt mit den Arbeitskolleg*innen, Freund*innen, der Familie auf dem Bildschirm verbunden zu sein, Gottesdienste auf der Homepage nachzulesen und nachzuhören, und uns – wenn uns die Segnungen der modernen Technik doch einmal im Stich lassen – auch ohne einander sehen zu können noch als Gemeinschaft verbunden zu fühlen. Schließlich sitzen wir in diesen schwierigen Zeiten alle im selben Boot. Und mit einiger Vorbereitung war es nun nicht mehr nur vorstellbar, einen Gottesdienst via Zoom virtuell im eigenen Wohnzimmer mitzufeiern. Ohne Anfahrtsweg, ohne Planung, einfach durch Klicken auf einen Link. Der Computerbildschirm als Hausaltar? Der Wohnraum als Ort des Gottesdienstes? Die frühen Christ*innen müssen ähnlich gefeiert haben, als es noch keine Kirchen geben durfte.

Die frühen Christ*innen konnten einander auch nicht immer alle persönlich sehen – die Briefe der Apostel an die Gemeinden geben davon bis heute Zeugnis. Der Politikwissenschafter Benedict Anderson spricht von sogenannten imagined communities, also vorgestellten Gemeinschaften, vor allem, wenn sie über moderne Medien erschaffen werden. Aber waren die frühen Christ*innen bereits eine solche imagined community, zusammengehalten durch das Medium Brief? Man kannte einander nicht, konnte einander nicht sehen, und doch… man wusste, dass da andere waren, mit denen man im Glauben verbunden ist. Im 20. Jahrhundert hielten dann Radio und Fernsehen Einzug in die Wohnzimmer, und auch wenn sich die so übertragenen Gottesdienste nur passiv verfolgen ließen, so stärkten sie doch das Gemeinschaftsgefühl. Selbst der Segen des Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche gilt nicht nur den Anwesenden in der Ewigen Stadt, sondern dem gesamten Erdkreis.

Wenn wir nun also am Vorabend der Auferstehung in unseren Wohnzimmern miteinander auf das warten, was uns als Christ*innen in unserem Kern verbindet – die Auferstehung – und miteinander nicht nur das Brot und den Wein teilen, sondern auch unsere Wohnungen, wenn auch nur virtuell, dann tragen wir damit unser christliches Erbe in eine neue Zeit. Der Theologe Huub Osterhuis fasst dies bereits lange vor der rezenten Pandemie in einer Liedstrophe so zusammen:

Tisch, der uns eint, Brot, um zu wissen: Wir sind einander anvertraut.
Wunder aus Gott, Menschen in Frieden, altes Geheimnis, neu entdeckt.
Brechen und teilen, sein, was nicht geht, tun, was undenkbar ist: im Sterben auferstehn.

(„Nur so ein Dach“, T: Huub Oosterhuis Ü: Pawlowsky 1976 M: Niederländisches Volkslied)

(Kat Radner)

 

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