Quelle: Christuskirche Innsbruck

 

 

 

Interview mit unserem Pfarramtskandidaten
Leopold Potyka


Welche Visionen und Ziele hast Du für unsere Gemeinde? Nenne uns bitte die drei wichtigsten Projekte oder Initiativen, die Dir besonders am Herzen liegen.

Um das wirklich fundiert und spezifisch beantworten zu können, müsste ich die Gemeinde natürlich erst einmal besser kennenlernen. Das wäre auf Basis meines jetzigen Wissens ein wenig voreilig.
Ganz grundsätzlich am Herzen liegen mir aber besonders die Bereiche Jugendarbeit, Gottesdienste und reformierte Identität.
Ersteres ist wohl ziemlich selbsterklärend; junge Menschen sind die Zukunft – im Optimalfall auch die Gegenwart – jeder Gemeinde und sie anzusprechen und zu aktivieren sollte eines der Projekte mit der höchsten Priorität sein. Ich bin sehr froh, dass es in Wien-Süd eine offensichtlich so florierende und konstante Jugendarbeit gibt und freue mich darauf, mich hier auch mit meinen Ideen einbringen zu können.
Die Gottesdienste sind nicht nur die Tätigkeit, die mir persönlich am meisten Freude bereitet, sondern sollten ja eigentlich generationen- und milieuübergreifendes Anliegen der Gemeinde und Treffpunkt dieser sein. Natürlich gelingt das mal mehr, mal weniger gut, aber Gottesdienste nicht nur als Privatvergnügen des Pfarrers oder einer bestimmten Gruppe zu begreifen, sondern als Kern christlicher Gemeinschaft, ist etwas, was es sicherlich verträgt, hin und wieder in Erinnerung gerufen zu werden. Und nicht zuletzt sind die Gottesdienste auch eine Gelegenheit, unsere reformierten Eigenheiten und Spezifika zu pflegen.
Das ist auch das Stichwort für das sehr große und vielleicht etwas unkonkrete dritte Anliegen; die reformierte Identität. Nach zwei Jahren Vikariat in einer Gemeinde, die sich als „evangelisch“ – ohne besonderen Konfessionszusatz – verstanden hat, freue ich mich darauf, wieder in einer reformierten Gemeinde zu sein. Das gemeinsame Nachdenken darüber, was das heutzutage bedeuten kann, wie wir unsere Traditionen zeitgemäß leben können, worin der Wert unserer Bekenntnisschriften liegt – das und vieles mehr macht für mich den Bereich der Identität aus. Hier liegen, das glaube ich bestimmt, einige Schätze geborgen, die zu heben ein lohnendes gemeinsames Projekt sein kann und hoffentlich wird.

Wie wichtig ist Dir die Ökumene und der Interreligiöse Dialog?

Beides ist mir wichtig. Die ökumenische Zusammenarbeit mit den Schwesterkirchen ergibt sich für mich direkt aus der gemeinsamen Grundlage im Glauben an Jesus Christus und dem Wunsch, die Spaltungen und Verwerfungen der Vergangenheit zumindest im Kleinen zu überwinden. Das soll nicht die historisch gewordenen und gut begründeten Unterschiede zwischen den Kirchen nivellieren, aber deren trennende Aspekte ein Stück weit relativieren. Soll heißen: bei allen Unterschieden soll und muss es doch möglich sein, auf gemeinsamer christlicher Grundlage miteinander ins Gespräch und im Optimalfall auch ins Tun zu kommen.
Der Dialog und die Kooperation mit den anderen Religionen scheinen mir besonders um des sozialen Friedens willen notwendig und wichtig. „Suchet der Stadt Bestes“ heißt es in Jeremia 29,7 – und dazu gehört ganz sicherlich auch, dass zwischen den Religionsgemeinschaften gutes Einvernehmen herrscht und persönliche Kontakte existieren. Soweit ich das bisher mitbekommen habe, bestehen solche auch in der Gemeinde bereits – das begrüße ich sehr und halte die weitere Pflege dieser für eine wichtige und lohnende Aufgabe.

Wir haben ein eigenes Diakonium. Wie soll die Arbeit des Diakoniums, auch im Zusammenhang mit der/dem diakonischen Referentin/Referenten, gestaltet werden?

Zunächst einmal ist es wunderbar, dass es ein eigenes, eigenständiges und autonom arbeitendes Diakonium gibt. Ich denke, dass sich hier bereits funktionale und praktikable Arbeitsweisen herausgebildet haben und sehe keinen Grund, an diesen zu rütteln. Im Sinne reformierter Ämterlehre steht mir das als Vertreter des Predigerstandes ja eigentlich auch gar nicht zu 😉 Natürlich freue ich mich trotzdem darauf, an den Tätigkeiten des Diakoniums teilzuhaben und gemeinsam für das seelische und materielle Wohl der Gemeindeglieder und darüber hinaus zu arbeiten.

Der Chor ist unser Aushängeschild, wie soll es mit dem Chor weitergehen und wirst Du persönlich im Chor mitsingen?

Da ich ja nicht die musikalische Leitung des Chores übernehme, liegt das nur zum Teil in meiner Hand und Zuständigkeit. Ich würde mir wünschen, dass der Chor weitermacht und weiterhin mit viel Freude und Engagement tätig ist und freue mich schon auf die musikalischen Beiträge zu den Gottesdiensten.
Gegenwärtig gehe ich eher nicht davon aus, dass ich selber mitsingen werde, aber man soll ja niemals nie sagen…

Wie möchtest Du die Herausforderung meistern, verschiedenste Altersgruppen (Kindergottesdienst bis hin zu den Seniorenausflügen) anzusprechen?

Die Antwort ist in der Frage schon enthalten – durch verschiedene Angebote. Die Vorstellung, alle Altersgruppen oder Interessensbereiche gleichzeitig mit derselben Veranstaltung ansprechen zu können, erscheint mir illusorisch. Vielmehr liegt der zielführendere Weg sicherlich darin, verschiedene Angebote für die diversen Gruppen zu haben.
Hier habe ich bislang den Eindruck gewonnen, dass die Gemeinde sehr gut aufgestellt ist, was aber natürlich nicht heißt, dass eine Erweiterung der Angebote nicht trotzdem immer möglich und notwendig ist.

Wie wichtig ist Dir der persönliche Glaubensweg und wie möchtest Du die Mitglieder unserer Gemeinde in ihrem Glauben unterstützen und begleiten?

Das ist für mich das A und O. Ohne einen persönlichen Glauben, eine persönliche Gottesbeziehung, ergeben doch alle anderen Dinge, die in Gemeinde und Kirche geschehen, nur wenig Sinn. Die Begleitung der einzelnen Gemeindeglieder auf ihrem Glaubensweg ist nach meinem Verständnis die Kernaufgabe der geistlichen Amtsträger. Das kann dann sowohl im persönlichen Gespräch, aber natürlich auch in der Predigt oder in anderen Angeboten stattfinden und hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Individuen das wünschen und annehmen. Ich würde mich sehr freuen, wenn insbesondere von der Möglichkeit klassischer Seelsorgegespräche Gebrauch gemacht wird und stehe für solche jederzeit zur Verfügung.

Welche Rolle spielt Deiner Meinung nach die Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in der heutigen Kirche? Wie möchtest Du die Gemeinde in der Öffentlichkeit präsentieren?

Mir scheint, eine zunehmend wichtige. Sowohl hinsichtlich der Sichtbarkeit, als auch im Blick auf die Positionierung zu allgemein relevanten Fragen, oder aber natürlich auch der möglichen Gewinnung neuer Gemeindeglieder.
Ich denke, dass es hier darauf ankommt, verschiedene Kommunikationswege und unterschiedliche Medien zu nutzen und bespielen zu können. Die Crux liegt aber wohl darin, dass das regelmäßig und auf einem gewissen Niveau passieren muss, da sonst aller getätigte Aufwand wirkungslos verpufft. Hier gilt es, immer neu zu überlegen, was beibehalten, modifiziert oder auch beendet werden muss.
Daneben geht aber nach meinem Dafürhalten nichts über den persönlichen Kontakt. Das gilt untereinander in der Gemeinde, das gilt aber auch im Kontakt mit der Öffentlichkeit – sei es die kirchliche, politische oder zivilgesellschaftliche. Die hier bereits bestehenden guten Kontakte zu pflegen und auszubauen und neue zu schließen, ist sicherlich eine dauernde und wichtige Aufgabe.
Dabei ist mir aber sehr wichtig zu betonen, dass die Vertretung der Gemeinde in der Öffentlichkeit nicht nur Aufgabe und Privileg des Pfarrers (oder Pfarramtskandidaten) ist. Der Vorsteher der Gemeinde ist schließlich der Kurator, das Leitungsgremium das Presbyterium und die Zuständigkeit für karitative Arbeit liegt beim Diakonium. Alle hier engagierten Personen sind also gleichermaßen befugt und gefordert, die Gemeinde nach außen hin zu vertreten und zu repräsentieren.

Was siehst Du als die größten Herausforderungen für die Kirche in der heutigen Zeit und wie möchtest Du diesen begegnen?

Das ist natürlich eine große Frage für einen kleinen Pfarramtskandidaten…
Ich habe den Eindruck, dass es gesamtgesellschaftliche Tendenzen gibt, die wir realistischerweise nur sehr bedingt beeinflussen können – dazu gehört zuvorderst die ziemlich rasante Säkularisierung im sogenannten „Westen“, die sich etwa in den Kirchenaustritten zeigt. Oder aber auch die demographischen Veränderungen – davon ist der 10. Bezirk ja durchaus auch betroffen. Das können wir alles nicht ändern, aber wir können uns überlegen, wie damit umzugehen ist – wahrscheinlich weder mit Vogel-Strauß-Taktik, noch mit übermäßiger Panik.
Etwas woran wir aber ganz konkret arbeiten können, ist es, die Bindung der Gemeindeglieder zur Gemeinde und untereinander zu stärken. Diese ist besonders in unserer doppelten Diasporasituation sicherlich wichtig und verhindert Entfremdung und Austritt. Hier können vielleicht nicht nur persönliche Kontakte, gute Erfahrungen und passende Angebote, sondern auch das Bewusstsein der eigenen Identität als Reformierte ein Weg sein, diese zu stärken.

Gibt es ein lustiges oder interessantes Erlebnis aus Deinem bisherigen Leben, das Du mit uns teilen möchtest? Wie verbringst Du Deine Freizeit und welche Hobbys hast du?

Jede Menge, aber die erzähle ich lieber face-to-face beim Kirchenkaffe 😉
Beinahe langweilig klassisch: Ich lese gerne, bin nach Möglichkeit viel in der Natur beim Wandern oder Bergsteigen, liebe klassische Musik und besonders Oper, interessiere mich für bildende Kunst und Architektur – schaue aber gerne auch Fußball, sowohl im „Kastl“ als auch im Stadion (als gebürtiger Döblinger schlägt mein Herz hier für die Vienna) oder sitze mit Freunden tageszeitabhängig in einem Kaffeehaus oder im Beisl am Eck.

Danke für das Interview.