Predig am 6. Oktober 2024
PREDIGTTEXT – 1. TIMOTHEUS 4,4-5 „Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird.
PREDIGT Liebe Gemeinde, eigentlich wollte ich heute über einen Pfirsich predigen. Natürlich nicht einfach so und nicht irgendein Pfirsich – sondern die Frucht des Gemeindebaumes am Wienerberg. Aber in der Bibel gibt es keine Erwähnung dieser Frucht. Leider keine einzige. Und weil Predigten nun einmal eine biblische Grundlage haben sollen – ja haben müssen – kann ich nicht mit einem Pfirsichtext einsteigen. Macht nichts – wenn auch nicht explizit, so können wir doch unseren Pfirsichbaum und seine Früchte mitgemeint denken, wenn wir die Bibelstellen gehört haben, die Gott den Schöpfer loben. In denen Gott gedankt wird. Zunächst in der Lesung: dort wird das Volk Israel dazu aufgerufen, sich die Segnungen in Erinnerung zu rufen, die Gott an ihm getan hat. Das Gute, das Gott an den Israeliten gewirkt hat. Die darin mündet, dass er sie in ein Land führt „in dem Milch und Honig fließen“. Die Verse aus dem Buch Deuteronomium erinnern daran, dass es nicht eigene Kraft und Stärke war, die das ermöglicht hat – sondern das Wirken Gottes. Im 1. Timotheusbrief wird das noch einmal grundsätzlicher formuliert. „Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut und nichts ist verwerflich“ – heißt es da. Ein sehr positiver Blick auf die Schöpfung, könnte man sagen. Eigentlich sehr sympathisch. Vielleicht fast ein wenig naiv. Uns allen werden Dinge einfallen, die nicht gut sind. Der Vers gehört aber in einen bestimmten Kontext – und der hat mit dem Thema von Erntedank zu tun, nämlich Nahrung. In Ephesus – dort saß der Adressat der Timotheusbriefe – gab es Stimmen in den Gemeinden, die verkündeten, ein guter Christ müsse enthaltsam leben. Nicht heiraten, keine Freuden haben, viele Speisen nicht essen. Asketisch leben. Dem entgegnet der Verfasser des Briefes eben mit seinem „Alles was Gott geschaffen hat ist gut.“ Also: die Welt nicht als eine Fülle von Dingen ansehen, die vermieden, gemieden werden sollten. Von denen man sich fernhält und die man ja nicht isst, sondern die Gaben des Schöpfergottes zu genießen. Aber eben nicht einfach so, sondern mit Dankbarkeit. Wir sind in diesen Versen dazu aufgefordert, alles mit Dank zu empfangen. Warum? Weil der Dank uns mit Gott verbindet; denn, wenn wir für das was wir erhalten, Dank sagen, dann stellen wir ja fest, dass es nicht einfach zufällig ist, nicht einfach so auf uns gekommen ist, auch, dass es uns nicht grundsätzlich zusteht. Dass wir kein selbstverständliches Recht darauf haben. Das gilt immer für alles, aber im Kontext von Pfirsich und Erntedank natürlich besonders für die Gaben der Natur, der Felder, Bäume und Wiesen. Die Natur mit ihren Gaben nicht einfach als etwas verstehen, worauf wir ein Anrecht, ein selbstverständliches Verfügungsrecht haben – das ist das, was wir durch Danksagung tun. Wir bekennen damit immer wieder: nicht wir sind Schöpfer, Besitzer, alleinige Herren der Dinge – sondern Gott ist es. Aus seiner Hand erhalten wir, was wir zum Leben brauchen, ja das Leben selbst. Dieser Dank – im Bibeltext heißt das εὐχαριστία – hat dabei zwei Seiten: eine Haltung und eine Handlung. Dank als Haltung der Dankbarkeit; eben für das, was wir von Gott erhalten. Für die Dinge, die uns das Leben ermöglichen, für das, was uns gut tut, stärkt, nährt und trägt – keineswegs nur für die Nahrung. Und Dank als Handlung der Danksagung. Als ausgesprochene oder zumindest gedachte Tat des Danke-an-Gott-Sagens. Bezogen auf die Nahrung hat das etwa im Tischgebet seinen Platz – ein Brauch der interessanterweise im Reformiertentum gar nicht so üblich ist; vielleicht versuchen wir alle, das wieder ein wenig mehr einzuüben und zu praktizieren. Aber natürlich können wir auch innerlich Danksagen – in einem kurzen Innehalten. Sei es vorm Essen oder etwa bei der Betrachtung der Natur, der wunderbaren Gabe Gottes. Gerade die wunderbaren Herbstwälder laden dazu doch immer wieder ein. Diese Danksagung gegenüber Gott hat im Gebet ihren Platz. Ja, Dank muss in einem Gebet eigentlich immer vorkommen. Gebet ist im Kern Danksagung! Im Heidelberger Katechismus heißt es in Frage 116: „Warum ist den Christen das Gebet nötig?“ Und die Antwort: „Weil es die wichtigste Gestalt der Dankbarkeit ist, die Gott von uns fordert, und weil Gott seine Gnade und seinen Heiligen Geist nur denen geben will, die ihn herzlich und unaufhörlich darum bitten und ihm dafür danken.“ Dank als Haltung und als Handlung. Und zwar nicht nur, weil es die Bibel sagt und es Gott offenbar gefällt, wenn wir das tun, sondern auch weil es schließlich unsere Sicht auf die Dinge verändern wird, wenn wir sie eben mit Dank empfangen. Das bezieht sich gar nicht nur auf die Dankbarkeit gegenüber Gott. Alles wofür wir uns im Leben bedanken erhält doch dadurch einen neuen, ganz eigenen, sicher gesteigerten Wert. Die kleinsten Gesten der Rücksicht oder Freundlichkeit sind schöner und gewichtiger, wenn wir sie bedanken oder dafür bedankt werden. So gesehen kann man diesen Anlass des Erntedankes sicher auch dafür nutzen, dass wir uns selber daran erinnern, öfter Danke zu sagen. Ich bin mir sicher, um sich zu oft zu bedanken, muss man den Bogen schon mutwillig weit überspannen. Liebe Gemeinde, das ist mir heute wichtig: üben wir uns alle mehr in eine Kultur des Dankes ein. Der empfundenen Dankbarkeit und der ausgesprochenen Danksagung. Gegenüber Gott. Gegenüber seinen Gaben in unserer Welt und in unserem Leben. Aber auch untereinander und gegenüber den Menschen, die uns in unserem Alltag begegnen. So können wir die Geschenke und Gaben noch besser wertschätzen und empfangen. Die großen und die kleinen. Vom Wunder der Schöpfung im Ganzen bis hin zum Gemeindepfirsichbaum und seinen Früchten. Und so haben wir den doch noch in die Predigt hineingeholt. Amen PAK Leopold Potyka |